Eine Kooperative vor großen Herausforderungen

Mit ihrem Film »Parko« haben die vier jungen FilmemacherInnen Lukas Link, Clara Stella Hüneke, Stella Kalafati und Jonas Eichhorn ein Stück griechischer Selbstorganisation dokumentiert. Was vormals ein Parkplatz im Athener Stadtteil Exarchia war, haben AnwohnerInnen in einen liebevollen Ort des Miteinanders verwandelt. Angeeignet hatten sie sich die voll betonierte Fläche bereits 2009 und sie nach dem Motto: »Weg mit dem Beton« umgestaltet. Sie haben Bäume gepflanzt, einen Spielplatz gebaut und betreiben ein Freilicht Kino. Heute, 2017 besteht der Park immer noch und wird von einer Initiative immer wieder neu gestaltet. Der Film zeigt Selbstorganisation im Alltag der Krise und eben alltägliche Selbstorganisation. Im Interview berichten Clara und Lukas über ihre Erfahrungen.

Ulrike Kumpe, Berlin

Ihr hattet bereits die Premiere in Athen. Wie war das für Euch?

Lukas: Wunderschön.

Clara: Richtig cool. Großartig. Ich fand es war so richtig rührend, weil super viele Leute da waren. Wir waren zu dem Zeitpunkt bereits ein halbes Jahr weg. Ich habe mich gefragt: fühlen die sich richtig verstanden oder repräsentiert, weil wir ja auch Konfliktfelder im Film zeigen. Sie waren total gerührt. Wir hatten allerdings den Protagonist_innen vorher den Film schon gezeigt. Und dann waren echt fast 200 Leute da, es war wirklich richtig proppevoll. Und eine Anekdote, die ich sehr gerne erzähle, ist, dass Jorgos zu uns gesagt hat, es gab bereits vorher Artikel über den Park. Und er fühlt sich bei dem Film als ob alle vorher immer probiert haben, einen Elefanten abzutasten mit verbundenen Augen. Und wir wären die ersten gewesen, die die Augenklappe abgenommen hätten. Das hat mich sehr berührt Und es waren auch Nachbarn da, die haben nur das Plakat gesehen. Und die haben gesagt: wir haben es auf dem Markt gesehen und wir wollten einfach mal die Geschichte des Parks erfahren. Das heißt, es funktioniert auch als Dialog mit der Nachbarschaft. Und darüber war Jorgos glücklich.

Lukas: Und ich würde sagen, es ist auch gut angekommen, weil die Nachbarschaft nochmal so einen anderen Blick auf den Park gewonnen hat, unseren Blick, und dadurch das, was für sie inzwischen alltäglich ist, oder schon Routine und deswegen gar nicht mehr so besonders, ihnen nochmal diese Begeisterung und diese Besonderheit gezeigt hat, die der Park hat.

Die ursprüngliche Besetzung liegt bereits Jahre zurück. Was hat das Projekt für euch trotzdem spannend gemacht?

Lukas: Der Park ist kontinuierlich im Wandel. Es wird ständig irgendetwas abgerissen oder neugebaut oder es geht irgendwas kaputt und es wird anders und besser wieder aufgebaut. Der Spielplatz wurde jetzt im letzten Jahr ziemlich aufgerüstet, einfach weil die Notwendigkeit da war für Kinder noch einen separaten Ort zu schaffen.

Clara: Die Bank ist weg. Diese riesengroße Drehbank, richtig schade. Da ist so eine ganz super große Bank gewesen, da saßen richtig viele Menschen immer drauf und die ist einfach weg. Die war für uns total zentral gewesen. Als wir das erste Mal im Park waren, nämlich schon im März mit irgendwelchen Freundinnen und Freunden, die wir kennengelernt hatten auf diesem Berg in Exarchia. Und dann haben die uns dahin gebracht und gesagt: ab jetzt chillen wir hier. Was für uns auf jeden Fall funktioniert hat. Wir haben da viele Leute kennengelernt.

Wie waren Eure Erfahrungen mit den Menschen vor Ort dann bei den Dreharbeiten? Sind die von Anfang an sehr offen auf Euch zugegangen?

Clara: Was ich voll krass fand, war am Anfang, als wir das erste Mal dort waren, als Filmteam und uns vorgestellt haben und gesagt haben: »Wir haben Interesse an diesem öffentlichen Ort, können wir hier drehen?«. Da ist Vaso auf uns zugekommen, die Protagonistin, die auch sehr, sehr präsent im Film ist. Sie spricht deutsch. Sie ist auf uns zugekommen: »Ihr wollt hier einen Film drehen? Okay! Ja, dann dreht einen Film!«. Also sehr ruppig im Umgang, aber gleichzeitig auch sehr offen, hat uns die Hand gegeben und war total da.

Lukas: Ich würde sagen, es war ganz unterschiedlich, weil wir mit verschiedenen Gruppen zu tun hatten. Das Kollektiv war sehr schnell sehr aufgeschlossen uns gegenüber. Und das hat sich natürlich auch dann intensiviert. Und inzwischen sind es Freunde geworden. Und da gibt’s irgendwie noch so Nachbarschaftsleute oder die Menschen, die den Park täglich als Anlaufstelle haben für ihren sozialen Austausch. Mit denen hat es teilweise ein bisschen gedauert. Wir waren dann aber auch jeden Tag da und dann hat man sich halt jeden Tag gesehen und dann kommt man auch irgendwann ins Gespräch und dann kam eins zum anderen.

Clara: Da war eine Person, die kommt auch in dem Film vor. Obdachlose, die dort leben und teilweise im Park schlafen. Also, die eine Person schläft da und sie war am Anfang immer so ein bisschen distanziert, auch weil sie, ja, einfach auch ein Stück weit verwahrlost gewirkt hat und auch ein bisschen irritiert. Und das war zum Beispiel eine Person, die hat uns die ersten zwei Monate total gescheut. Verständlicherweise, einfach weil sie auch einfach nicht auf den Filmaufnahmen vorkommen wollte, was wir respektiert haben. Und dann irgendwann gab’s aber den Moment, da ist es gebrochen, da hatte sie dann auch Lust und Interesse und ist so auf uns zugekommen.

Gab es für Euch beide einen besonders schönen Moment während der Dreharbeiten?

Clara: Also, für mich war dieser eine Moment, wo die Person, die dort auch öfters schläft, gesagt hat: »Ich drehe jetzt mit Euch! Ich mache jetzt einfach ein Interview. Ich erzähle Euch meine Geschichte. Ich bin hier von Anfang an dabei – nicht sichtbar im Kollektiv – aber ich übernehme hier meine Aufgaben und habe ein Stück weit eine Verantwortung und benötige den Raum als Lebensraum«. Als sie auf uns zugekommen war, das war krasses Vertrauensgefühl. Und sie konnte im Alltag nicht mit uns sprechen. Sie konnte weder Englisch noch Deutsch. Das war schon für mich ein zentraler Moment.

Lukas: Jetzt ein bisschen größer gefasst: Ich fand das Wiedersehen und die Premiere dann ein Jahr später für mich total gut. Man hat so viel dran gearbeitet und nach einem Jahr funktioniert das dann einfach so. Man versteht sich und kann sich zusammen den Film angucken und sich drüber freuen. Das fand ich gut.

Mehr Infos: http://parkofilm.net

Regie: Clara Stella Hüneke

Kamera: Lukas Link

Schnitt: Stella Kalafati

Ton: Jonas Eichhorn

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