SPANIEN: RÄUMUNG UND WIEDERBESETZUNG DES LANDGUT SOMONTE

Die Hoffnung stirbt zuletzt!

Angesichts der aktuellen Situation unserer Freund_innen der andalusischen Gewerkschaft SAT/SOC1 in Somonte fällt mir dieses alte Sprichwort »¡La esperanza es lo último que se pierde! (Die Hoffnung stirbt zuletzt)« ein. In der heutigen Zeit gibt es nur einige Orte und immer weniger Menschen, denen es möglich ist, die Hoffnung nicht sterben zu lassen.

IÑAKI MENDIALDÚA PINEDO Ich selbst fühle mich glücklich, zu diesen Menschen zu gehören und einige von ihnen zu kennen. Ein Ort, der mich motiviert, befindet sich im Herzen Andalusiens im Tal
von Guadalquivir. Dort haben die großen Kalifen der Omeya-Dynastie die schönsten Pferde der Antike gezüchtet. Eine reiches Land mit armen Menschen. Und es ist kein Zufall; dieses Land wurde seit dem Sturz des Taifa-Königreiches von despotischen Generälen und Aristokraten regiert. Sie errangen den Sieg im heiligen Krieg gegen den Islam und verdunkelten die Lichter von Al-Andalus durch die Schatten der Inquisition. Eine lange und dunkle Inquisition, die es geschafft hat, bis in unsere Tage fortzudauern. Das Landgut Somontes wird seit dem 4. März 2012 vom SAT/SOC besetzt und teilweise bewirtschaftet. Im Jahr zuvor schrieb das andalusische Ministerium für Landwirtschaft und Fischfang das 387 ha große Stück Land für fünf Millionen Euro zum Kauf aus. Die Regierung wusste nicht, dass Arbeiter_innen, Tagelöhner_innen, und Arbeitslose am meisten bieten würden, nämlich eine Besetzung. Am 2. Juni 2016 wurde das besetzte Gelände von der Guardia Civil geräumt. Am nächsten Tag habe ich mit den Menschen von »Somonte libre« gesprochen. Es war wie eine kalte Dusche. Das letzte Mal, dass es einen Kontakt mit der Polizei gegeben hat, ist 4 Jahre her. Seitdem gab es keinen offiziellen Austausch mehr zwischen den Besetzer_innen und der spanischen Gerichtsbarkeit.
Wir waren in Verhandlung mit dem Landwirtschaftsministerium, um das Land in eine Kooperative umzuwandeln und niemand hatte mit einer Räumung gerechnet. Ein harter Schlag für María, Pamela, Manolo und Alfonso, die seit letztem August mit den sieben Menschen von »Somonte libre« das Gelände bewirtschafteten und nach dem Motto »Das Land denjenigen, die es bewirtschaften« lebten. Was die Guardia Civil und die andalusische Regierung nicht ahnten: am 4. Juni wurde Somonte wiederbesetzt und bleibt, dank der Hartnäckigkeit der Menschen von »Somonte libre«, frei – zumindest für den Moment.

Repression und Hungerstreik

Während Somonte von einem großen Polizeiaufgebot geräumt wurde, befanden sich seit 27 Tagen zwei Dutzend Gefährt_innen vom SAT/SOC in Madrid im Hungerstreik. Bei der Generalversammlung der Gewerkschaft am 11. Juni in Somonte wurde die Neubesetzung offiziell beschlossen und der Hungerstreik erst dann beendet. Eigentliches Ziel war, dadurch eine Begnadigung für Andrés Bodalo zu erwirken. Die letzte Möglichkeit, ihn vor einer Gefängnisstrafe zu bewahren. Andrés Bodalo ist ein Gewerkschaftsvertreter und sitzt für PODEMOS im Stadtrat von Jodar in der Provinz Jaén. Er wurde in einem außergewöhnlich ungerechten und viel kritisierten Prozess zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Die Entscheidung, Somonte in einem für die Hungerstreikenden bereits sehr kritischen Moment zu räumen, während eine Bewegung zur Befreiung von Andrés Bodalo stark an Fahrt aufgenommen hat, dient eindeutig der Aufrechterhaltung des Drucks auf soziale Bewegungen und insbesondere auf die SAT/SOC. Im März vorigen Jahres wurde das »Ley Mordaza« verabschiedet. Es ist ein Gesetz zum «Schutz der bürgerlichen Sicherheit», welches das Versammlungs- und Demonstrationsrecht massiv einschränkt und Verstoße mit Strafen von bis zu 600.000 Euro belegen kann. Auch ist die illegale, sofortige Abschiebung von Migrant_innen, die von der Guardia Civil an den spanischen Außengrenzen zu Marokko in Ceuta und Melilla praktiziert wird, legalisiert worden. Diese Gesetzgebung verstößt gegen EU-Abkommen und gegen internationales Menschenrecht.

Somonte gemeinsam gestalten

In einem Klima der Repression und sozialer Ausgrenzung, unter dem ganz Spanien, besonders aber Andalusien mit einer Arbeitslosenquote von 30 Prozent leidet, können wir Somonte und wofür es steht nicht einfach aufgeben. Solange Somonte frei bleibt, können wir weiter auf eine Veränderung in der Gesellschaft hoffen. Hoffen auf eine Teilhabe an der Gestaltung der sozialen Entwicklung und einer anderen Art von Landwirtschaft. Noch einmal: «¡La esperanza es lo último que se pierde!» Die Menschen, die Erfahrungen, alle Momente und Frustrationen und Auseinandersetzungen in Somonte sind präsent. Die physische und moralische Unterstützung aus ganz Europa war beeindruckend und hat geholfen die Hoffnung zu verbreiten, die diese Welt so braucht. Wir haben heute eine große Verantwortung, wir werden nach unserem Handeln beurteilt und wir sollten uns kritisch mit den letzten vier Jahren der Landbesetzung beschäftigen. In Somonte sind wir weit entfernt von einem stabilen, langfristigen Projekt. Noch wurde die richtige Organisationsform für die Selbstverwaltung vor Ort nicht gefunden und eine ökologische Landwirtschaft ist nicht die Priorität aller. Das Gesetz und das System der industriellen Produktion sind gegen uns. Alle sind herzlich eingeladen, nach Somonte zu kommen, um gemeinsam zu diskutieren, zu lachen und sich besser kennen zu lernen, gemeinsam Somonte zu gestalten und bei großen und kleinen Baustellen zu helfen.* Auf die Hoffnung!

zuerst erschienen in Archipelausgabe 250 (08/2015)

Kontakt:
organizacion.sindicatoandaluz(at)gmail(dot)com
sober.alim.sindicatoandaluz(at)gmail(dot)com

 

 

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