KULTURLAND EG, HITZACKER

Neue Allmende – Biobetrieben den Boden sichern

Biobetriebe werden am Bodenmarkt zunehmend verdrängt von Biogasbauern, konventionellen Massentierhaltern oder außerlandwirtschaftlichen Investoren. Letzteres sind in Deutschland oft vermögende Unternehmer, die zur Geldanlage »in Landwirtschaft machen« und zur Umgehung des bäuerlichen Flächenprivilegs eigene Betriebe aufbauen. Dieser Entwicklung entgegenwirken will eine neue Genossenschaftsgründung, die Kulturland eG. Die Gründungsinitiatoren sind angetreten, um Biobauern bei der Sicherung ihrer Acker- und Grünlandflächen zu unterstützen.

Titus Bahner, Redaktion Genossenschaften

Gemeinsam mit dem Handwerk stand die Landwirtschaft mit bäuerlichen Einkaufs- und Absatzgenossenschaften am Anfang der genossenschaftlichen Bewegung. Die Ökologiebewegung brauchte in den 1980er Jahren erstmals Erzeuger-Verbrauchergenossenschaften hervor, die beide Seiten der Ernährungswirtschaft zusammenführten. Die jüngste Entwicklung ist die Solidarische Landwirtschaft (Solawi) mit derzeit 60 Betrieben in steigender Tendenz, die zum Teil in Vereinsform, zum Teil auch genossenschaftlich organisiert sind.

Parallel zur Entwicklung der Solawis entwickeln sich in den letzten Jahren auch finanzielle Beteiligungsformen an landwirtschaftlichen Betrieben. Für Stallbauten und ähnliche Investitionsvorhaben hat sich die Beteiligung über Genussrechte etabliert. Investitionen in die gesamte regionale Wertschöpfungskette organisiert die Regionalwert AG, die inzwischen in den Regionen Freiburg, Hamburg und Isar / Inn existiert, und die Bürger-AG Frankfurt/Main.

Jüngstes Kind dieser Entwicklung ist nun wiederum eine Genossenschaft, die Kulturland eG. Wir sind angetreten, um Biobauern bei der Sicherung ihrer Acker- und Grünlandflächen zu unterstützen.

Existenzielle Probleme

Die Entwicklung der landwirtschaftlichen Bodenmärkte seit der Weltfinanzkrise 2008 stellt regional orientierte Biobauern vor existenzielle Probleme. Bedingt durch außerlandwirtschaftliche Investoren, aber auch durch Biogasförderung und die anhaltende Flächenversiegelung haben sich die Bodenpreise in den vergangenen sieben Jahren im Durchschnitt der westlichen Bundesländer um 75 Prozent verteuert, in Ostdeutschland sogar verdreifacht. Der Kaufpreis wird dabei überwiegend von Geldanlage- und Wertaufbewahrungsaspekten bestimmt: Nur noch etwa ein Drittel der Bodenpreise kann bei bodenschonender ökologischer Wirtschaftsweise aus den Erträgen refinanziert werden.

Eine solche Landkauf-Situation gab auf der demeter-Betriebsgemeinschaft Heggelbachhof am Bodensee den Anstoß zur Entwicklung der Kulturland-Genossenschaft. Bauer Thomas Schmid musste innerhalb kurzer Zeit 15 Hektar Pachtfläche kaufen, die die Erben der verstorbenen Eigentümerin zu Geld machen wollten. Statt sich dafür weiter bei der Bank zu verschulden, entwickelte er gemeinsam mit befreundeten Beratern und mit Unterstützung des internationalen Demeter-Verbandes die Kulturland eG als neuen Eigentumsträger.

Genossenschaftlicher Ansatz

Die Genossenschaft baut auf den Erfahrungen mit gemeinnützigen Trägern in der Landwirtschaft seit den 1980er Jahren auf, die meist als e.V. oder gGmbH organisiert sind. In diesen Rechtsformen existieren heute in Deutschland über 180 zumeist biologisch-dynamisch wirtschaftende Betriebe. Die neue genossenschaftliche Organisationsform überwindet verschiedene Begrenzungen dieser einzelbetrieblichen Träger und ermöglicht eine schlankere Organisation und eine deutlich größere Reichweite.

Um den Aufwand für die Landwirte gering zu halten, ist die Kulturland eG bundesweit und hofübergreifend tätig. Sie ermöglicht damit auch einen niederschwelligen Einstieg: Für den Kauf einzelner Pachtflächen muss nicht der gesamte Betrieb auf eine gemeinnützige Rechtsform umgestellt werden.

Lebendiges Hofumfeld

Die wichtigste Neuerung gegenüber den gemeinnützigen Trägern ist die Ausweitung der Finanzierungsbasis von steuerbegünstigten Spenden auf kündbares Beteiligungskapital. Dies berührt auch ein Tabu: Die gemeinnützigen Träger streben an, den Boden »auf Ewigkeit« von der Verkäuflichkeit zu befreien und für den ökologischen Landbau zu sichern. Bei der Kulturland eG wird schlimmstenfalls, nämlich wenn alle Genossen ihr Geld zurück haben wollen, das Land wieder verkauft. Damit wird das Flächeneigentum in die Hände eines lebendigen sozialen Umkreises um den Hof gelegt. Im Rahmen der Genossenschaft kann der Boden nur solange als Gemeingut gehalten werden, wie die Mitglieder von der Arbeit ihres Hofes überzeugt sind.

An dieser Stelle zeigt sich die soziale Lebendigkeit der genossenschaftlichen Rechtsform. Der Förderzweck ist in der Satzung so formuliert: »Landwirtschaftlichen Mitgliedern werden Wirtschaftsflächen langfristig zur Verfügung gestellt. Mitgliedern, die keine Landwirte sind, wird die Möglichkeit einer lebendigen Beziehung zu regional orientierten Biohöfen geboten.« Die Mitglieder verbinden sich mit einem Hof in ihrer Nähe und können gemeinschaftliche Verantwortung für einen konkreten Acker oder eine Grünlandfläche übernehmen. Die Genossenschaft organisiert damit eine »Neue Allmende«, anknüpfend an das historische gemeinschaftliche Bodeneigentum.

Regionale Einbindung

Auch im Biobereich entwickeln sich zunehmend agro-industrielle, sozial vor Ort nicht mehr eingebundene Strukturen. Dieser Entwicklung wollen die Akteure der Genossenschaft die Unterstützung bäuerlicher Betriebe entgegen stellen, die sich bewusst in die Region einbinden und über den Ökolandbau hinaus die genannten sozialen und kulturellen Beiträge bringen. Denn es sind diese Betriebe, die das Dorfleben bereichern und zur integrierten Regionalentwicklung beitragen. Ihre sozialen und ökologischen Leistungen können nicht durch Importe ersetzt werden.

Mit dem landwirtschaftlichen Betrieb schließt die Genossenschaft daher einen Pachtvertrag, der über Ökolandbau hinaus eine Reihe zusätzlicher Bedingungen enthält. Neben einem Mindestanteil von 10% Naturschutz (bezogen auf die gepachtete Fläche) muss der Hof mindestens zwei der folgenden Aktivitäten zur regionalen Einbindung aufgreifen: Direktvermarktung / Nahversorgung, Öffnung des Hofes / Führungen, Arbeit mit aussterbender Sorten und Rassen, Arbeit mit Schulklassen, kulturelle Veranstaltungen, oder Arbeit mit Pflegebedürftigen / soziale Landwirtschaft.

Rechtliche Regelungen

Solange der Bauer oder die Bäuerin die genannten Bedingungen einhält und den Betrieb als regional eingebundenen Biobetrieb weiterentwickeln, haben sie mit der Kulturland eG unbegrenzte Flächensicherheit. Der Pachtvertrag verlängert sich automatisch. Die Pacht orientiert sich am ortsüblichen Niveau, sofern es für vielseitige Biobetriebe leistbar ist. Von der Pacht sowie von einem 5 prozentigen Eintrittsgeld auf die eG-Anteile bestreitet die Genossenschaft ihre laufenden Organisationskosten.

Mitglieder müssen ihre eG-Anteile mindestens fünf Jahre in der Genossenschaft belassen. Danach sind sie jährlich kündbar. Für Beträge über 10.000 € wird mit grundbuchlich abgesicherten Mitgliederdarlehen gearbeitet, die eine längere Kündigungsfrist aufweisen, um nicht überstürzt Flächen verkaufen zu müssen.

Nichtverzinste Einlagen

Auf Grund der überzogenen Bodenpreise sind die eG-Anteile grundsätzlich unverzinst. Schon ein Inflationsausgleich von nur 1,5 Prozent würde in manchen Fällen, auf die Pacht umgelegt, zu einer für vielseitig wirtschaftende Biobetriebe ruinösen Pachthöhe führen. Die Kulturland eG ist daher bewusst ein Angebot für Menschen, denen es weniger auf Zinsen denn auf eine sozial wie ökologisch sinnvolle Investition ihres Geldes ankommt. Sehr realistisch dagegen ist die Sicherheit der genossenschaftlichen Beteiligung, die zu 100 Prozent in Grund und Boden investiert wird, sowie die Flexibilität, mit der die Einlage wieder gekündigt werden kann.

Wer schließlich nach längerem Miterleben des aus seiner Beteiligung entstandenen »Bodenlebens« die dauerhafte Sicherung seiner Fläche bewirken will, kann seine Beteiligung in eine Spende oder Zustiftung verwandeln. Hierfür kooperiert die Kulturland eG mit verschiedenen gemeinnützigen Trägern und mit der Schweisfurth-Stiftung in München, die entsprechende steuerliche Bescheinigungen ausstellen kann.

Bereits sechs Beteiligungen

Im zweiten Jahr ihres Bestehens ist die Genossenschaft mittlerweile bundesweit an sechs Höfen beteiligt. Mit etlichen weiteren Höfen laufen Verhandlungen. Etappenziel nach fünf Jahren ist die Beteiligung an 50 Betrieben mit 500 Hektar Fläche. Mittelfristig besteht das Ansinnen, mit dem Modell der Neuen Allmende auch politische Anstöße für die Weiterentwicklung des Bodenrechts und gesellschaftliche Impulse für einen bewussteren Umgang mit landwirtschaftlichem Grund und Boden zu geben nach dem Motto: »Dein Land für Morgen!«

Kurzporträt Kulturland eG (Stand Ende 2015)

Gründungsjahr: November 2013

Vorstand: Dr. Titus Bahner, Thomas Schmid, Stephan Illi

Aufsichtsrat: Matthias Zaiser (Vorsitz), Alexander Schwedeler, Friedemann Elsässer, Friedemann Wecker

Ort: Hitzacker / Wendland

Wirtschaftsart: Eigentumsträger für landwirtschaftliche Flächen

Mitgliederzahl: 80

Pflichtanteil: 500 €

Genossenschaftskapital: 340.000 EUR

Jährlicher Umsatz: ca. 10.000 EUR (Landpacht)

Deckungsbeiträge über: Eintrittsgeld, Landpacht



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