Kooperativen müssen drastisch Steuern zahlen

 

Venezuela in der Erdöl-Krise

 

In ihrem neuen Rundbrief informiert CECOSESOLA, das Kooperativen-Netzwerk der Großstadt Barquisimeto, zur heiklen Lage in Venezuela vor und nach den Parlamentswahlen vom 6. Dezember. Der Erdölpreis fällt und fällt zur Zeit. Dadurch sinken die Staatseinnahmen ebenfalls dramatisch, da sie sich zu sage und schreibe 90 Prozent aus der Ölwirtschaft speisen. Importe verteuern sich, die Inflation beträgt 200 Prozent und nimmt zu.

Von Heinz Weinhausen, Redaktion KölnWahlsieger wurden die konservativen Parteien mit 58 Prozent der abgegebenen Stimmen. Im Parlament werden sie sogar über eine Zweidrittelmehrheit der Sitze verfügen, welche Gesetzesänderungen und neue Gesetze leicht ermöglicht. Möglich wurde der Wahlsieg durch große Unzufriedenheit mit den Engpässen bei der Grundversorgung wie auch mit der Korruption und Vetternwirtschaft innerhalb von Staat und Verwaltung, wo jährlich umgerechnet 20 Mrd. US-Dollar verschwinden sollen. Anstatt der staatlichen Umverteilungspolitik soll künftig der Markt Venezuela nach vorn bringen. Die Sozialprogramme, die »misones«, sind nun gefährdet. Sie gelten als wichtige Errungenschaft der sogenannten bolivarianischen Revolution. Das bestehende Arbeitsgesetz soll verschlechtert werden. Das alte Lied: Der Markt soll durch Lohndumping belebt werden. Schlechte Aussichten für die »kleinen Leute«.

Die Misere bei den Steuereinnahmen hatte aber auch schon die ehemaligen Regierungsparteien ins Unsoziale abgleiten lassen. Anstatt wie vorgesehen die Steuern auf Benzin zu erhöhen, wurden die Kooperativen und Genossenschaften ins Visier genommen. Ein neues Gesetz wurde im Dezember 2014 verabschiedet, das die seit Jahrzehnten bestehende Steuerfreiheit der Genossenschaften aufhebt. Und da wird nicht gekleckert, sondern geklotzt. Bei CECOSESOLA, wo mehrere tausend Familien ihr Einkommen haben, macht dies umgerechnet mehr als eine Million Euro (!) jährlich aus. Auch weil zweimal besteuert wird, einmal beim Umsatz und zum zweiten bei der individuellen Lohnsteuer. Damit ist das solidarische Projekt existentiell gefährdet, ein Netzwerk, welches ganze Wohnquartiere mit preiswertem frischem Gemüse und Lebensmitteln versorgt, weiterhin eine Sterbeversicherung samt Bestattungsunternehmen betreibt und seit sieben Jahren ein Krankenhaus.

Seitdem organisiert CECOSESOLA mit anderen Kooperativen einen beeindruckenden Protest. Gewaltfrei, wie sie betonen, ohne Personen und Institutionen anzugreifen. Auch in der Form des Widerstandes zeigt sich das gelebte Leitbild: Aufbau nichtkapitalistischer Beziehungen und solidarisches Wirtschaften nicht nur für sich selbst, sondern ebenso für und mit den »Kund*innen« vor Ort. Dabei setzen sie konsequenterweise neben dem fairen Verkauf von Waren und Dienstleitungen auch auf ein zweites Standbein, nämlich Selbstversorgung. Ein zartes Pflänzchen wird gehegt: Austausch von Saatgut mit der Hamburger Tomatenrettergruppe und ecuadorianischen Initiativen. Ein Prozess, der an den von Kuba erinnert, als das sozialistische Land nach dem Einbruch des Ostblocks sich in einer ähnlich dramatischen Situation befand und sogar Hunger drohte. Heute versorgt sich Havanna zu 70 Prozent selbst mit Gemüse.

Info:

Kontakt und Solidarität über CECOSESOLA-Mitglied Georg Rath: jorgeorath@gmail.com
Buch: »Auf dem Weg - gelebte Utopie einer Kooperative in Venezuela«, Verlag Die Buchmacherei, Berlin 2012, 138 S, 9 Euro.



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