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Monatszeitung für Selbstorganisation

 

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Juni 2005

Aus dem Inhalt
hackthenazis

HAUSRECHT ABSCHAFFEN STATT ÜBERNEHMEN

Freiräume überall!

Nur ein kleiner Teil alternativer Projekte scheitert am Konflikt mit dem Staat. Die meisten scheitern an sich selbst. Das hat zwar viel mit der Zurichtung der Menschen zu tun, durch die Mackerigkeit, Dominanzgehabe oder Unterwürfigkeit, der Hang zur Akzeptanz geltender Gesetze und Normen sowie die Ängste vor der Übermacht von Repression, sozialem Umfeld oder dem blanken Kampf ums materielle Überleben in jedes Projekt geschleppt werden. Allerdings fehlt meist auch ein kreativer Umgang damit. Der Wille, alles anders und besser zu machen plus einem gemeinsamen Trägerverein, wo "doch der Vorstand nur formal da ist", reicht den meisten schon.

Jörg Bergstedt, Red. Umweltschutz von Unten - Viele fangen schon schwach an und reden mit großen Worten über ihr autonomes Zentrum, was bei näherem Hinsehen eine städtische Einrichtung ist, wo nur der Jugendpfleger ein bisschen kumpeliger drauf ist. Wenn doch mal mehr Freiheit erkämpft werden kann, verregeln die BewohnerInnen oder NutzerInnen ihr Haus gleich oder nach einiger Zeit Stück für Stück selbst: Schlüsselgewalt für die Räume, Passwörter an den Computern, säuberlich getrenntes Eigentum ... die ChefInnen und AufpasserInnen haben gewechselt. Sie tragen jetzt schwarz anstatt Krawatte oder grüne Uniform. Im Großen und Ganzen ist die Idee gesellschaftlicher Veränderung durch das Ankaufen, Besetzen oder sonst wie gestaltete "Erobern" von Räumen gescheitert. Freiräume, d.h. Orte ohne Ausgrenzung, Hausrecht, Kontrolle und Beschränkungen, solche der horizontalen Begegnung von Menschen sind kaum entstanden.

Die Idee von Freiräumen aber ist als ein Ausgangspunkt gesellschaftlicher "Gegenwelt" von großer Bedeutung. Experimentierflächen für Horizontalität können in Gebäuden und auf Plätzen entstehen, die gleichzeitig Ausgangspunkt sind für Intervention in den grauen Alltag von allgegenwärtiger Herrschaft und Verwertung. Neben eigenen Interessen, ideologischen Ausgrenzungen usw. steht der Idee eines Freiraumes aber schlicht die Angst entgegen: Was geschieht, wenn Kontrolle ganz wegfällt? Wird dann einfach alles geklaut oder treffen sich übermorgen die Faschos hier? Wie können wir das alles finanzieren? Diese Ängste sind verständlich, aber das Beharren auf Kontrolle dennoch die falsche Antwort. Denn wer die Logiken dieser Gesellschaft überwinden will, kann sie nicht anwenden. Zumindest nicht nach innen, also dort, wo neue Experimente entstehen sollen mit ihren ganzen Auseinandersetzungen um den immerwährenden Versuch, dass weniger Falsche im Falschen zu organisieren. Es kommt bei der Idee von Freiräumen gerade darauf an, auch die Konflikte und Probleme horizontal anzugehen. Horizontalität ist keine Schönwetteridee, die beim erstbesten Stress eingemottet wird. Dann hat sie nie bestanden. Spannend sind Räume, die tatsächlich garantiert offen sind, also auch für die Menschen, die andere dort nicht haben wollen. Dann kommt es darauf an, den Umgang und den Streit zu organisieren statt zentral oder gar von oben zu entscheiden, was den Konflikt ja nicht löst, sondern nur aus dem Raum herausverlagert - und zudem autoritäre Strukturen wieder einführt, die dann für alles Mögliche genutzt werden können.

Freiräume leben von:

Unabhängigkeit, d.h. sie sind nicht von externen Geldgebern, Hausrechtsinhabern oder sonstigen Vorständen, Kontrollgremien u.ä. abhängen. Der Raum ist offen. Es gibt keine Verpflichtungen, denen die AkteurInnen unterworfen sind.
den AkteurInnen, die einzig die im Freiraum Handelnden sind. Sie entscheiden selbst und regeln die Formen ihres Streites, wobei Sieg-Niederlage-orientierte Kämpfe zumindest formal ausgeschlossen sind, weil es ja keine rechtliche Handhabe für Rauswürfe, Ausgrenzungen und Beschränkungen gibt.
Alles im Freiraum ist offen und gleichberechtigt zugänglich. Es gibt keine verschlossenen Räume, Arbeitsmaterialien, keine Passwörter usw. Optimal wäre eine Zugänglichkeit rund um die Uhr. Je mehr in diese Richtung verwirklicht werden kann, desto besser.
Ein Freiraum fällt keine Entscheidung, niemand kann für ihn reden. Er ist einfach da, offen für alle. Jede Entscheidung würde ihn einschränken, da sie etwas ausgrenzt, eine Grenze zieht zwischen "gehört dazu" und "gehört nicht dazu". Auch die Vertretung nach außen oder eine politische Position, der Name unter einem politischen Aufruf u.ä. widerspricht der Idee des Freiraumes, weil es Menschen nicht mehr horizontal anspricht. Wer der Position entspricht, scheint mehr erwünscht, der andere weniger. Allein schon der Eindruck nach außen, dass es so sein könnte, gefährdet den Freiraum als horizontale und offene Struktur. Daher ist wichtig, dieses Fehlen kollektiver Entscheidungen und Kontrolle offensiv zu zeigen.
Genauso wichtig wie das Fehlen von Entscheidungen ist der komplette Verzicht auf kollektive Identität. Der Freiraum ist ein Raum. Er agiert nicht, er spricht nicht, er ist kein "Wir". Im Freiraum können sich unendliche viele "Wir"-Identitäten, z.B. politische Gruppen, Familien, Vereine, Cliquen, Bands, Projekte usw. bewegen - immer horizontal nebeneinander und ebenso neben denen, die auf kollektive Identitäten verzichten und als Einzelpersonen oder in ständig wechselnden Kooperationen agieren.

Schwerpunktthema Seite 7 bis 10

 

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Stand: 07. August 2008