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Monatszeitung für Selbstorganisation

 

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Selbsthilfe

Neue Arbeit braucht das Land

Erste Schritte eigener Ausbildung im Selbsthilfebereich

Von Martin Greve - Zur langfristigen Stabilisierung der eigenen Arbeit der Selbsthilfebetriebe und -projekte, aber auch, weil die Nachfrage nach Arbeit und Umschulung und das Interesse an einer neuen Qualität von Berufsausbildung ständig zunimmt, haben sich bundesweit ca. 50 Betriebe mit ca. 300 Ausbildungsplätzen für eine Erweiterung ihrer Aufgabenbereiche entschieden. In Bremen gibt es seit über einem halben Jahr Gespräche unter 10 selbstverwalteten Betrieben über die Einrichtung von weiteren Ausbildungsplätzen unter Bedingungen der Selbstorganisation.

Bis zur Entscheidung für eine auch formal anerkannte Ausbildung werden viele Probleme gewälzt.

Allein der Begriff Ausbildung löst bei manchen Magenkrämpfe aus. Fällt einem da doch gleich wieder das in der Regel fremdbestimmte Einpauken von allein auf den zu erlernenden Beruf orientierten Daten und Fakten ein. Die Leistungsschau in Noten von 1-6, als Beweis, sich auf den Moment genau präparieren zu können, nicht aber für's "Leben wirklich gelernt" zu haben, soll sich nicht wiederholen.

Berufsschule, geeicht zur Verwirklichung einer am industriellen Markt orientierten Berufsnorm mit frontalem Unterricht. Wer wollte das noch mal jemandem aufzwingen?

Und im Betriebs- und Projektalltag selbst? Die Regel bisher ist, jeder bringt seine Qualifikationen ein, tut sein Bestes und entwickelt im Prinzip "learning by doing" das weitere Fachwissen. Am Ende muß auch die Kasse stimmen, damit alle den gleichen Lohn für die gleiche Arbeit, ausreichend für's Leben, erhalten.

Forderungen an die bisherige Arbeitsstruktur werden auch auf die Ausbildungsteile übertragen. Strukturen der bisherigen Arbeit sollen dadurch nicht angetastet werden. In dem neuen Buch "Berufsausbildung selber organisieren", Verlag Jugend und Politik, Reinheim, werden diese Ziele einer selbstorganisierten Ausbildung thesenartig zusammen gefaßt:

1) "selbst Lernender, statt Belehrter, Handelnder, statt Behandelter, Bildender, statt Auszubildender zu sein. Ausbildung soll möglichst vom ersten Tag an Produktionsorientiert, Projekt- und Aktionsorientiert sein."

2) Bei der Zusammensetzung der Gruppe der Azubis sollten Prinzipien der Selbstorganisation, Stabilisierung von Lebenszusammenhängen und die Möglichkeit wechselseitiger Unterstützung und Anregung Vorrang vor wie immer auch gearteten Tests haben.

3) Auch Meister können viel von Jugendlichen oder Azubis lernen. Die klassische Arbeits- und Rollenteilung zwischen Meister und Azubis sollte überwunden werden.

4) Ausbildung ist nicht Selbstzweck. Schon während der Ausbildung sollten die nötigen Kontakte, Produkt- und Dienstleistungsideen entwickelt werden, so daß nach der Ausbildung auch eine realistische Arbeitsplatzperspektive, eventuell auch im "Normalbetrieb", selbst aufgebaut werden kann.

5) Produkte und Dienstleistungen sollen gesellschaftlich nützlich und ökologisch angepaßt sein.

6) Die Ausbildung soll den Lebenszusammenhang der Beteiligten einbeziehen. D.h., Ausbildung und Arbeit dort ermöglichen, wo die Menschen ihre sozialen Beziehungen und Bedürfnisse und Wurzeln entwickelt haben, wo sie nicht nur ihrer Ausbildung, sondern auch ihren sonstigen Lebensinteressen nachgehen können.

7) Alles in allem sollen Ausbildungsprojekte die herkömmlichen Standards der Berufsausbildung nicht senken, sondern überbieten. Das bedeutet auch: bedürfnisgerechte Entlohnung, sorgfältiger Arbeits- und Unfallschutz, breite fachliche, soziale und politische Qualifikation.

Auf dieser Grundlage, mit diesem kollektiven Einverständnis, läßt sich m.E. ganz gut "leben und lernen". Die rechtlichen Vorschriften lassen dies zu, auch wenn im 28 des BBiG steht: "Für einen anerkannten Ausbildungsberuf darf nur nach der Ausbildungsordnung ausgebildet werden" und gerade diese Ausbildungsordnungen wurden von Menschen gemacht, die mit Selbstverwaltung nichts "am Hut" haben.

In der nächsten Ausgabe von CONTRASTE sollen genau diese rechtlichen Voraussetzungen und Bedingungen und die damit einhergehenden Konflikte und auch Möglichkeiten für Sonderbedingungen und Finanzierung behandelt werden. Schön wärs, wenn überhaupt zwischen den Ausbildungsbetrieben der BRD im Bereich der Selbsthilfe wieder mehr Kontakte und INFO's untereinander "laufen" würden.

Für die Bremer Betriebe und Projekte ist speziell für diesen Zweck ein Seminar angesetzt worden: 

Termin: 22.-24.11., Anmeldung dafür beim Netzwerk Bremen.

Der BDP Hessen hat im Rahmen eines Forschungsprojekts zur Problematik selbstorganisierter Ausbildung ein sehr ausführliches Handbuch erstellt, das wir hier allen Interessierten dringend empfehlen wollen. Das bahnbrechende Werk heißt:

"Berufsausbildung selber organisieren", Handbuch für Ausbildungsinitiativen. Es ist im Verlag Jugend & Politik erschienen und ist in jeder guten Buchhandlung für DM 19,80 zu haben (300 Seiten mit Abbildungen). 13 Projekte werden ausführlich dargestellt. Daneben enthält das Buch Einschätzungen zur Gesamtsituation (wie z.B. den hier veröffentlichten Kriterienkatalog) und - sehr wichtig - einen detaillierten Leitfaden für den Aufbau selbstorganisierter Ausbildungsprojekte (wichtige Kontakte, Finanzierungsmöglichkeiten usw. usw.)

 

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Stand: 05. April 2010