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Monatszeitung für Selbstorganisation

 

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Perspektiven

Fortsetzung aus CONTRASTE Nr. 14/85

Wilfried Heidt

Die Perspektiven einer anderen Republik

Einleitung: Der geschichtliche Hintergrund der gegenwärtigen Aufgaben

Steiner rechnete also offenbar noch mit der Möglichkeit, durch eine starke spirituelle Aktivität einer größeren Anzahl von Menschen über viele Länder hin ein Gegengewicht zu schaffen gegen die Entwicklungen, die nun auf äußerem Felde sich durchsetzten. Aber auch dieser Versuch blieb im Keim stecken. Steiner konnte den neuen Ansatz nur noch wenig mehr als ein halbes Jahr intensiv verfolgen. Denn ab Oktober 1924 bis zu seinem Tod am 30. März 1925 war er - in seinen Lebenskräften aus jahrelanger Überlastung geschwächt - ans Krankenlager gebunden. An seinem letzten Geburtstag, dem 27. Februar, wird in München, wo ursprünglich das Goetheanum entstehen sollte, die NSDAP wiedergegründet. Acht Jahre danach, am 27. Februar 1933, steht in Berlin der Reichstag in Flammen. Damit verschaffen sich die Nazis das Argument für das Ermächtigungsgesetz, die endgültige Alleinherrschaft des „Führers". Die gegen Steiners Vision eines Mitteleuropa als Brücke zwischen Ost und West gerichteten Mächte hatten gesiegt.

III. 

Wir weisen auf diese Zusammenhänge, die man ja kaum für einen Zufall halten kann, deshalb hin, weil sie zum Geschichtsverlauf gehören, aber – warum wohl? - allenthalben verschwiegen werden.

Mit ganzer Bestimmtheit aber möchten wir doch betonen, daß das Schicksal des 20. Jahrhunderts sich wesentlich anders, nämlich ohne III. Reich, wahrscheinlich auch ohne Stalinismus und ohne einen II. Weltkrieg mit all seinen Folgen bis auf den heutigen Tag gestaltet hätte, wenn die von Rudolf Steiner ins Spiel gebrachte Idee der Dreigliederung des sozialen Organismus sich hätte durchsetzen können. Denn diese Alternative hat in sich die Sicherung gegen Fehlentwicklungen nach dieser oder jener Seite. Und das gilt heute noch genau so wie vor sechzig und mehr Jahren. Nach 1919 kam, was nach der Logik der Kräfte, die sich damals durchsetzten, kommen mußte. Auch heute kann man erkennen, ohne Prophet zu sein, wohin die „Logik" der dominierenden Kräfte und herrschenden Verhältnisse drängt; zum atomaren Holocaust, zum ökologischen Zusammenbruch, zur sozialen Chaotisierung.

Weil das so ist und weil uns angesichts von Wettrüsten, Waldsterben und Massenarbeitslosigkeit wenig Zeit bleibt, den Kurs durchgreifend zu korrigieren, scheint es uns an der Zeit, zu entdecken oder zu erinnern, daß es eine mitteleuropäische Alternative gibt, eine Alternative, die uns einen Weg weist aus den verhängnisvollen Zwängen der Ost-West-Konfrontation. Wir sehen diese Alternative in Steiners Idee von der Dreigliederung des sozialen Organismus. Wer sie ernsthaft prüft, kann erkennen, daß die Vision dieser Idee alle Probleme umfaßt, die uns heute bedrängen.

Dieser Weg ist — so hat es sich uns ergeben im Vergleich mit anderen Konzeptionen - der fundamentalste, der umfassendste, der offenste und der sicherste und dabei der menschengemäße Weg zu einer Welt m Frieden und Freiheit, zu einer Welt der Brüderlichkeit und gleicher demokratischer Rechte für alle und zu einer Welt, die wieder in Einklang lebt mit den natürlichen und kosmischen Gesetzen. Dies ist kein Weg zum „Paradies auf Erden", aber es ist ein Weg, der es uns erlaubt, Fehler rechtzeitig zu erkennen und zu korrigieren, es ist ein Weg der gemeinschaftlichen Entwicklung durch gemeinschaftliches Leben aus den Kräften und Impulsen freier und gleichberechtigter Menschen.

Zwar werden wir bei der Schilderung der Grundlinien dieser Alternative die bundesdeutsche Situation im Auge haben und dabei nur von den politischen Bedingungen und Konstellationen dieses Staatswesens sprechen, weil wir eben Bürger dieses Landes sind und hier unsere demokratischen Rechte wahrnehmen. Aber die ideelle Grundlage der Vorschläge ist - so meinen wir – schlechthin zeitgemäß und zeitnotwendig und kann in jedem anderen Land gleichermaßen ins Spiel kommen und fruchtbar werden.

Die Menschheit ist in so bedrohliche Verhältnisse hineingeraten, daß es geboten erscheint, Vorschläge zur Veränderung gewissenhaft zu prüfen. Nichts vorschnell gutheißen, aber auch nichts Bedenkenswertes eilfertig beiseite schieben, weil man meint, Gutes und Brauchbares würde nur „auf dem eigenen Mist" wachsen können. Für falschen Ehrgeiz solcher Art scheint uns die Lage, in der wir (noch) leben, viel zu ernst. Müßten wir nicht vielmehr dankbar sein darüber, daß wir mit der Dreigliederungsidee eine zeitgemäße Perspektive für eine alternative Republik schon kennen? Dringlicher denn je sehen wir in der Verwirklichung dieser Idee den entscheidenden Beitrag zu einer umfassenden Friedensordnung in dieser Zeit: Frieden im sozialen Leben, Frieden mit der Natur und Frieden zwischen den Völkern.

Diese Idee steht ganz offensichtlich in engster Verbindung mit den gegenwärtigen Arbeits- und Diskussionsfeldern insbesondere der Selbstverwaltungsbewegung. Wir meinen, daß sie für die Intentionen dieser Bewegung einen ganz wesentlichen Dienst leisten kann sowohl hinsichtlich ihrer gesamtpolitischen Aufgaben als auch für die Lebenspraxis der einzelnen Arbeitskollektive und ihrer Vernetzung.

In der kommenden CONTRASTE folgt „I. Die Ausgangslage".

 

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Copyright © 1999 CONTRASTE Monatszeitung für Selbstorganisation
Stand: 10. März 2010