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Monatszeitung für Selbstorganisation

 

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Obdachlosen-Fussball

ERSTE OBDACHLOSEN-FUSSBALLWELTMEISTERSCHAFT: EIN VOLLER ERFOLG

Kick Armut und Obdachlosigkeit weg!


Homeless Worldcupsieger Österreich

Straßenzeitungen aus aller Welt schickten im Juli ihre
VerkäuferInnen nach Graz zur ersten Fußballweltmeisterschaft
der Obdachlosen. 144 KickerInnen aus 18 Ländern spielten
um den Homeless World Cup und begeisterten die zahlreichen
ZuschauerInnen im Zentrum der europäischen Kulturhauptstadt
2003. Das "Venceremos" des Trikotsponsors Greenpeace hatte
der deutschen Mannschaft vor allem moralisch genützt.

Von Peter Streiff, Redaktion Stuttgart - Die Idee zum ersten Stelldichein
der Straßenkicker stammte aus dem Umfeld des Straßenmagazins "Megaphon"
aus Graz. Gemeinsam mit dem Internationalen Netzwerk der Straßenzeitungen
(INSP) und der österreichischen Caritas konnten hochkarätige
Unterstützerorganisationen gewonnen werden: die UEFA, der 
Sportverantwortliche der UNO sowie die Vereine Real Madrid und
Manchester United. Insgesamt 18 Mannschaften trafen sich zur ersten
Obdachlosen-Fussball-WM - aus den Ghettos von New York, den Favelas
von Sao Paulo und den Hinterhöfen europäischer Metropolen wie London,
St. Petersburg, Warschau und Madrid. Als MitspielerInnen waren
nur obdachlose Menschen oder Menschen zugelassen, die ihren
Erwerb zur Hauptsache mit dem Verkauf von Straßenzeitungen erzielen.

Die Straßenkicker-Weltmeisterschaft gewann das österreichische Team, das
komplett aus afrikanischen Flüchtlingen bestand. Graz als Grenzstadt im
Süden der EU ist für viele Flüchtlinge die erste Anlaufstelle. Da sie in 
Österreich oft keine Arbeitserlaubnis erhalten, bleibt als Chance der
Fußball. Gut trainiert und mit entsprechend viel Herz und Engagement
gingen sie in jedes Spiel und gewannen alle Begegnungen.

Ziel der überaus öffentlichkeitswirksamen Veranstaltung war, "zu zeigen,
dass sich Arme, Obdachlose und SozialhilfeempfängerInnen weltweit
organisieren können," erklärte Reinhard Kellner, Mitarbeiter des
Regensburger "Donaustrudl" und Organisator des deutschen Teams.
"Es geht darum, gemeinsam Sport zu machen und Kameradschaft zu
erleben, aber auch, über Armutsbekämpfung weltweit zu diskutieren."

Jedes Team erhielt nach dem Turnier einen Pokal, mitmachen und Spaß
haben stand für viele an erster Stelle. Das deutsche Team spielte mit
Wohnungslosen aus vier Städten und konnte sich daher "ausschließlich
mental vorbereiten," wie Reinhard Kellner vor dem Turnier mit einer
gehörigen Portion Optimismus betonte. "Wir treffen uns ja erst
am Abfahrtstag. Da können wir höchstens noch neben der Autobahn
trainieren. Aber Deutschland war immer schon eine Turniermannschaft."
Nun - zum 16. Platz hatte es gereicht. Lediglich das Spiel gegen die
Schweiz ging mit einem Sieg zu Ende. Insbesondere die schweizerischen
SpielerInnen vergaßen sämtliche ihrer Handicaps, spielten mit "fliegenden
Bärten, Kuhglocken-Unterstützung und gewannen den Fairplay-Pokal als die
charmantesten Verlierer des Jahrhunderts", wie "Megaphon" schilderte.

Straßenzeitungen und Magazine sind in Deutschland seit zehn Jahren in
über 30 Städten entstanden. So unterschiedlich die verschiedenen Titel und
Erscheinungsbilder auch sind, eines haben alle gemeinsam: Straßenzeitungen
wollen Lobby sein für sozial schwache Menschen, die sonst keine Lobby haben.
Die Idee, statt zu betteln auf der Strasse eine eigene Zeitung zu verkaufen,
wurde vor knapp zwanzig Jahren zum ersten Mal in den USA realisiert,
bald danach entstand in Großbritannien die Zeitung "Big Issue" mit einem Vertriebs-Konzept, wie es vielerorts auch in Deutschland übernommen wurde:
Die Hälfte des Verkaufspreises bleibt beim Verkäufer.

Mit mehr als 60.000 monatlich verkauften Exemplaren ist "Hinz&Kunzt"
(Hamburg) in Deutschland absolute Spitze. Angesprochen auf die Ursachen
für ihren Erfolg, nennt die verantwortliche Redakteurin Birgit Müller zwei
Gründe: "Wir haben von Anfang an klar getrennt zwischen ehemaligen
Obdachlosen, die unseren Vertrieb organisieren, und professionellen
JournalistInnen, die ein Blatt machen sollen, wofür sich die Verkäufer
nicht zu schämen brauchen. Zudem wollen wir mit unserem Einfluss
soziale Anliegen durchsetzen, ohne uns vor einen bestimmten
parteipolitischen Karren spannen zu lassen. Beispielsweise wurde im
Hamburger Nahverkehr vor einigen Jahren das Sozialticket
dank unserer Unterstützung eingeführt."

Einen etwas anderen Weg gehen zwei weitere große Straßenzeitungen:
"Biss" in München und "Trott-war" in der Region Stuttgart. Statt wie in
Hamburg den Verkauf über freie VerkäuferInnen zu organisieren,
versuchen sie über Patenschaften finanzierte Stellen zu schaffen für
VerkäuferInnen, die anderswo keine Chance auf eine Stelle hätten.
"BISS ist Arbeitgeber geworden, damit die Verkäufer auch bei Krankheit
nicht auf das Sozialamt angewiesen sind," betont Hildegard Denninger
aus München. "Zudem kümmern wir uns um eine Wohnung, treiben mit dem
Verkäufer zusammen seine Entschuldung voran und unterstützen ihn,
damit er beispielsweise seine Zähne in Ordnung bringen lässt".

Wesentlich unsicherer blicken die Verantwortlichen von kleineren
Straßenzeitungen in ihre Zukunft. Beispielsweise erscheint der
"FREIeBÜRGER" (Freiburg) nur noch jeden zweiten Monat mit
einer Auflage von 5.000 Stück. "Uns hat die allgemeine Flaute im
Zeitungsgeschäft erwischt. Wir spüren, dass bei unseren
Kunden das Geld nicht mehr so locker in der Tasche sitzt", klagt
Uli Herrmann, der verantwortliche Redakteur. "Zudem
suchen wir händeringend nach neuen Verkäufern, denn
einige der Bisherigen sind nicht mehr dabei." Die einzige
Stelle, die über das Programm Hilfe zur Arbeit finanziert
ist, lief Ende April aus und die Finanzierung einer neuen
Stelle steht noch in den Sternen. "Doch das ist das kleinere
Problem", meint Uli Herrmann optimistisch. "Wir
sind es gewohnt, die meiste Arbeit mit Ehrenamtlichen
zu machen."

Obdachlosen-Fussballweltmeisterschaft
(www.streetsoccer.org)
Internationales Netzwerk der Strassenzeitungen (INSP)
www.street-papers.com
Bundesverband soziale Strassenzeitungen e.V.
www.soziale-strassenzeitungen.de

 

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Copyright © 1999 CONTRASTE Monatszeitung für Selbstorganisation
Stand: 07. August 2008