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Monatszeitung für Selbstorganisation

 

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November 2008

Aus dem Inhalt
Alternativer Nobelpreis

BEITRAGEN ZUM PERSÖNLICHEN UND GESELLSCHAFTLICHEN WANDEL

Gewaltfreie Kommunikation


Versöhnungsbund - Begegnung von palästinensischen und israelischen Jugendlichen               Foto: Monika Flörchinger

Gewaltfreie Kommunikation steht in der politischen Tradition der Gewaltfreiheit im Sinne von Mahatma Gandhi und Martin Luther King. Diese Tradition meint mehr, als keine Gewalt gegen Menschen anzuwenden, und seien es auch Besatzungssoldaten. Diese meint auch mehr, als keine Gewalt gegen Sachen anzuwenden, und seien es auch Polizeiautos, mit denen der Weg des Castors nach Gorleben gesichert wird. Gewaltfreiheit geht vielmehr im Kern davon aus, dass der Mensch in der Uniform beispielsweise ein Offizier, auch ein Mensch ohne Uniform ist, dass er ansprechbar ist, dass er bereit ist, Verantwortung für sein Tun zu übernehmen. Und dass er vielleicht daraus Konsequenzen zieht, wenn diese Ansprache in Würde geschieht, ihn nicht als Person beleidigt und herabsetzt. Wobei vielfache gewaltfreie Proteste und Aktionen diesen Prozess befördern können.

Heinz Weinhausen, Redaktion Köln # Anfang der achtziger Jahre löste eine politische Aktion innerhalb der Grünen eine Kontroverse aus. Ein Abgeordneter hatte einen Empfang genutzt, einen General der US-Streitkräfte mit einem Beutel voll von Schweineblut zu beschmutzen, um auf die blutigen Taten der US-Armee aufmerksam zu machen. Wurde hier die rote Linie bezüglich der Gewaltfreiheit überschritten, die damals noch einer der vier Grundpfeiler der Grünen war? Es wurde argumentiert, dass diese Tat eine Herabwürdigung des Menschen hinter der Uniform darstellte. Legitim wäre nur gewesen, wenn der Protestierende sich vor den Augen des ranghohen Soldaten selbst mit dem Blut besudelt hätte.

Gewaltfreie Kommunikation (GFK), gegründet von Marshall Rosenberg, hat sich diesbezüglich festgelegt. Sie lehnt auch Gewalt durch Worte und Gesten ab. Sie will nicht beschimpfen, beleidigen, herabsetzen, demütigen, nicht manipulieren, um die eigenen Interessen durchzusetzen – die in unserer Kultur übliche Art und Weise des Sprechens. Diejenigen, die sich in der GFK üben, ahnen um die Möglichkeiten einer neuen Art des Sprechens und Zuhörens. Ihr Anspruch ist es, klar und deutlich ihre Meinung zu sagen und konsequent für ihre Interessen einzutreten und dabei die Interessen des anderen wahrzunehmen. Denn ohne Verbindung zum Gegenüber ist jedes Reden ein Monolog. So bedeutet GFK in der Praxis zunächst Brücken zu bauen durch geduldiges Zuhören, durch mitfühlendes Fragen. Es bedeutet auch Wut und Hass beim Gegenüber zulassen zu können. Wobei eine Brücke allein schon wertvoll und heilend ist, wenn ein Opfer von Gewalt seinen Schmerz mitteilen kann, auch ohne seinen Wunsch nach Rache verschweigen zu müssen. Bei persönlichen Konflikten in Freundeskreisen oder auch im selbstverwalteten Betrieb kann die Brücke genutzt werden, aufeinander zuzugehen. So können Lösungen gefunden werden, die beide Konfliktparteien als gewinnbringend erachten und damit dauerhafte sein können.

Die GFK will beitragen zum friedlichen Miteinander auf der Mikroebene, zum Frieden in der Welt auf der Makroebene. In meinem selbstorganisierten Projekt ringen wir oft darum, konstruktive Lösungen bei widerstreitenden Interessen zu finden, möglichst ohne runterzumachen oder zu beleidigen. Aber im hektischen Alltag ist der Wille zwar spürbar, aber das Fleisch oft schwach. Das Klavier gewaltfreier Kommunikation spielen zu können, fällt mir und wohl auch anderen nicht leicht. Es bedeutet stetiges Lernen und Üben.

Dabei Interessenten zu unterstützen und zugleich bei Konflikten zu vermitteln und zu versöhnen, diese Aufgabe hat sich der D-A-CH e.V. gestellt, ein Netzwerk von Trainerinnen und Trainern einerseits, von lokalen GFK-Gruppen andererseits. Ich freue mich, dass diese Initiative nun ihre Sicht der Dinge in der CONTRASTE darstellt: die Grundlagen und Ziele der GFK und jede Menge Praxis.

Insbesondere danke ich Barbara Leitner für die Koordination all dessen und für ihr journalistisches Wirken.

Gewaltfreie Kommunikation wird Widerspruch bei LeserInnen und Lesern hervorrufen. Wird hier nicht eine harte gesellschaftliche Wirklichkeit »weichgespült«? Und was wäre das Leben, wenn ich nicht mehr schreien und schimpfen kann? Nur zu, unsere Zeitung steht zur Kontroverse bereit.

GFK will nicht nur im Persönlichen wirken, sie will auch beitragen, Gesellschaft zu ändern, steht ein für eine friedliche menschliche Gesellschaft. Hier nun schon mein Zwischenruf: Ja, sie stellt eine starke Kraft dar. Um dieses Ziel aber Realität werden zu lassen, müsste sie sich verbinden mit der Strukturkritik warenproduzierender Gesellschaft. (Oder umgekehrt.) Wer tauscht, kauft oder verkauft, lohnarbeitet usw. ist bereits getrennt und entfremdet vom anderen, muss meist noch die Ellbogen ausfahren, um in der Konkurrenzgesellschaft nicht unterzugehen oder nutzt sie, um sich besser als die anderen zu stellen. Da ist oft nichts mit Brücken-Bauen oder sie stürzen schnell wieder ein. Gewaltfreie Kommunikation würde besser gelingen, wenn es bereits grundlegende materielle Brücken im Sinne solidarischer Ökonomie geben würde, wenn die Gesellschaft zumindest auf dem Weg hin zu einer solidarischen Existenzgemeinschaft wäre. Dies würde wiederum konsequenterweise bedeuten, Wert, Ware, Markt und Geld den Laufpass zu geben. In der Produktion, Bereitstellung und vielfachen Nutzung freier Software scheint bereits ein anderes gesellschaftliches Prinzip auf. Yes, we can.

SCHWERPUNKTTHEMA

Interview: Wir sprechen kraftvoll, einfühlend und aufrichtig

Seite 7

Versöhnungsprojekt: Wie können wir einander nur je verstehen – bei soviel Schmerz?

Seite 8

Vom Slumkind zum Friedensstifter: Marshall Rosenberg 

Seite 8 

Wertschätzende Kommunikation: Erfolgsfaktor Empathie

Seite 9

Gewaltfreie Kommunikation im Kindergarten und Familie: Magische Momente in der Giraffenecke

Seite 9

Neue Wege in der Kommunikation im Strafvollzug: Den Menschen hinter dem Inhaftierten sehen

Seite 10

Berühren durch Empathie: Gewaltfreie Kommunikation mit den »Unberührbaren« in Indien

Seite 10

 

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Copyright © 1999 CONTRASTE Monatszeitung für Selbstorganisation
Stand: 11. November 2008