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Monatszeitung für Selbstorganisation

 

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Jugendzentren

Selbstverwaltete Jugendzentren 

Regionalberatermodell

Sozialarbeiter im selbstverwalteten Jugendzentrum? Da gibt es schon lange zwei Lager.  Die Befürworter erhoffen sich von ihm eine inhaltliche Belebung des Jugendzentrums. Kritiker befürchten das Ende der Selbstverwaltung. In der Tat zeigten Erfahrungen in selbstverwalteten Jugendzentren, daß der Sozialarbeiter durch seinen Informationsvorsprung und seine 40-Stunden-Woche mit der Zeit eine Vormachtstellung erhält. Die Argumente sind bekannt. 

Eine Lösung des Problems lief darauf hinaus, einen Sozialarbeiter nicht in einem Jugendzentrum, sondern für mehrere Jugendzentren anzustellen. Dieses Modell eines ,,Berater für Jugendzentren" war zwischen August '83 und Juli '85 im Landkreis Merzig-Wadern (Saarland) Wirklichkeit. Joachim Selzer war Berater für die Jugendzentren dieses  Landkreises. Anstellungsträger war der Dachverband der saarländischen Jugendzentren (VSJS), Dienst- und Fachaufsicht lag auch bei den Jugendzentren. Die Gelder stellte zu 75% der Landkreis zur Verfügung, 25% übernahmen die einzelnen Gemeinden. 

Die Arbeiten des Beraters waren vielfältig. Ein Bestandteil war die Informationsarbeit nach innen und außen. Der Berater verfaßte Presseberichte und verschickte Materialien, Termine, Broschüren usw. in die Jugendzentren. Hinzu kam, daß die Beraterstelle nach kurzer Zeit zu einer festen Anlauf- und Verteilerbörse für alle geworden war, die etwas suchten oder benötigten zu Bereichen wie offene Jugendarbeit, Juz-Arbeit, Theater, Video, Kabarett, Film, Musik, KDV, Umweltschutz,   Arbeitslosenberatung, Schulabgängerfragen, Sexualität, Geschichte der Juz-Bewegung, Friedensbewegung usw.. 

Joachim Selzer besuchte regelmäßig die Jugendzentren des Landkreises, sei es zu Vollversammlungen, wegen Einzelgesprächen oder weil er in bestimmten Arbeitsgruppen mitarbeitete. Beispiele für seine Beratertätigkeit schildert Joachim Selzer in einem Zwischenbericht so: ,,Trouble mit dem Hausmeister,  der Gemeindeverwaltung oder den Nachbarn; bei einer VV hat’s geknallt — mehrere Juzler haben sich in die Haare gekriegt; Schwierigkeiten bei der Kassenführung sind aufgetreten; ein Juz will einen Informationsabend zu KDV-Sachen machen und sucht Referenten, Filme, Materialien, eine Ausstellung oder so. Juz-Beraterarbeit besteht aus vielem Kleinkram, der aber für die Jugendzentren äußerst wichtig ist." 

Neben dieser Beratungstätigkeit für einzelne Jugendzentren förderte der Berater auch die  Zusammenarbeit der Juzen. Er organisierte die Kreistreffen und gab auch mal inhaltliche Anregungen. 

Durch die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen wie AWO, Verwaltungen, Selbsthilfegruppen usw. wurde ein gegenseitiger Informationsfluß aufgebaut und gegenseitige Unterstützung gewährleistet. Der Sozialarbeiter hat sich auch um die Organisation von kreisübergreifenden Veranstaltungen gekümmert, wie Konzert und Theater, eine Berlinfahrt, Filmring, Podiumsdiskussion. 

In Einzelfallhilfen kümmerte sich der Berater um Arbeitslosenfragen, Sozialhilfe, Finanzschwierigkeiten, Suchtfragen und anderes. 

Die Arbeit von Joachim Selzer hatte die Jugendzentren des Landkreises maßgeblich belebt. Wegen der Anstellung bei den Jugendzentren sahen ihn die Jugendlichen als ihren Sozialarbeiter und akzeptierten seine Arbeit. Im Landkreis Merzig-Wadern wurde ein beispielhaftes Konzept der Verbindung von selbstorganisierten Jugendzentren mit professioneller Unterstützung verwirklicht. 

Seit Juli '85 gibt es keinen Berater mehr. Das Modell ist vorerst gescheitert. Gescheitert an einer bornierten CDU-Kreistagsmehrheit, die die Finanzierung der Stelle gestoppt hat. Der Stelleninhaber Joachim Selzer war der CDU-Rechten im Landkreis immer schon ein Dorn im Auge. Er arbeitete bei den GRÜNEN und in der Friedensbewegung mit und war politisch stark engagiert. Die CDU befürchtete, er könne die Jugendlichen in den Juzen indoktrinieren. Außerdem konnte sie nie ertragen, daß sie keine Einflussmöglichkeit auf die Arbeit des Sozialarbeiters hatte. Sie forderte eine Weisungsbefugnis der Verwaltung über den Sozialarbeiter. Als das Modell durch die CDU gekippt worden war, gab es massive Proteste von Seiten der Jugendzentren. Eine Kreistagssitzung mußte wegen eines Pfeifkonzerts auf der Zuschauertribüne abgebrochen werden, es fand eine spontane Demo statt, Unterschriften wurden gesammelt u.v.a. Viele andere Gruppen und Organisationen im Saarland solidarisierten sich mit dem VSJS und den Jugendzentren. Sogar das Innenministerium intervenierte. Bis jetzt deutet nichts darauf hin, daß von der CDU ein Einlenken zu erwarten ist, im Gegenteil, sie lehnt jedes Gespräch mit dem VSJS ab. 

Joachim

 

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Copyright © 1999 CONTRASTE Monatszeitung für Selbstorganisation
Stand: 11. Januar 2010