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Monatszeitung für Selbstorganisation

 

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Horst Stowaser ist tot

NACHRUF:

Horst Stowasser ist tot!

Die Nachricht kam aus »heiterem Himmel«: am Sonntag, den 30. August gingen die ersten E-Mails rum mit der Nachricht, dass Horst Stowasser gestorben ist – bei einigen engen FreundInnen hält die Sprachlosigkeit und Trauer bis heute an. Für die libertäre Szene in Deutschland (aber auch international) ein Verlust, den wir im Moment noch gar nicht übersehen können.

Horst Stowasser begann in den frühen 1970er Jahren bereits mit dem An-Archiv in Wetzlar auf Max Nettlaus Spuren, Material zur anarchistischen Bewegung zu sammeln, es wurde im Laufe der Zeit zum größten unabhängigen Archiv dieser Art. Er beschränkte sich aber nicht nur auf das Sammeln: im besten Sinne des Wortes kann er auch als Propagandist der libertären Idee gelten.

Er lieferte mit der Broschüre »Was ist eigentlich Anarchie« den Grundstock dieser bis heute gültigen – immer mal wieder von diversen Menschen überarbeiteten – Version jener Einführung. Und mit seinen Bücher »Leben ohne Chef und Staat« (Eichborn Verlag Frankfurt/ M. 1986 ff, später K. Kramer Verlag Berlin), »Freiheit pur« (Eichborn Verlag Frankfurt/M. 1995), und dem daraus weiterentwickelten aktuellen Werk »Anarchie – Idee, Geschichte, Perspektiven « (Nautilus Verlag Hamburg 2007) schuf er Standardwerke. Sicherlich war Horst kein »Akademiker« und so manche »Fakten« wurden recht lässig behandelt. Egal. Niemand sonst verstand es bisher so mitreißend und originell dieses umfangreiche Thema darzustellen.

Von Anfang an (also seit Mitte der 1970er Jahre) begleitete er aktiv die Neugründung der anarcho-syndikalistischen FAU (Freie Deutsche ArbeiterInnen Union). Auch in seinen Büchern war erkennbar, dass der Individualismus nicht sein Ding war, aber wie so oft, wenn es banal um Grabenkämpfe geht, kann auch bei Horst gesagt werden, dass er das Individuum und die individuelle Freiheit wesentlich höher einschätzte und achtete, als manch ein selbsternannter Individualanarchist. Sein »Dickschädel« und seine Beharrlichkeit war hier sicher ausschlaggebend, und sein Versuch, so undogmatisch wie nur möglich zu sein, ließ ihn zum Mittler der unterschiedlichen Ideen- Richtungen im Anarchismus werden.

Seine Aktivitäten begrenzten sich natürlich nicht nur auf das Sammeln von Anarchistica. In den 1980er Jahren publizierte er u.a. die von P.M.’s »bolo’bolo « inspirierte Broschüre »Projekt A«, wo seine Vorliebe für die Provinz zum Tragen kam. Sein Plan, mit vielen Menschen zusammen in einer Kleinstadt diverse libertär geprägte Projekte zu initiieren, und dem »Normalmenschen« somit ein anderes Miteinander vorzuleben, währte für ihn persönlich leider nicht sehr lang. Das »Projekt A« selbst existierte viele Jahre mit 12 Betrieben, vielen Hausprojekten, Kultur- und Politinitiativen, eigener Zeitung usw. Und selbst, wenn das »Projekt A« für Horst nicht das ersehnte Ergebnis zeitigte, so schaffte er es bis heute trotzdem, Menschen für die Idee zu gewinnen, und es wurden auch immer wieder Projekte angeschoben und durchgeführt. Bis zum Schluss.

Mit Horst Stowasser ist am 7. September ein Mensch beerdigt worden – unter großer Anteilnahme von FreundInnen und GenossInnen – der eine wichtige Rolle im Nachkriegs-Anarchismus gespielt hat, und von denen es in seinem Jahrgang nicht allzu viele gibt. Seine Idee das An-Archiv mal in »Max-Nettlau- Institut« umzubenennen mag löblich sein, aber es könnte jetzt auch mit Fug und Recht in »Horst-Stowasser-Institut « umbenannt werden.

Seine erfrischende und sehr jung wirkende Art und Weise, die viele Menschen erlebt hatten, die das Glück hatten, einem seiner Vorträge beizuwohnen, ist unvergesslich. Er konnte begeistern und mitreißen. Es gelang ihm nachhaltig, Gedankengänge in die Köpfe der Leute zu setzen. Und dies ist eine Gabe, die uns allen wirklich fehlt, die ihm mal begegnet sind.

Der Trauer über den Verlust, werden die Gedanken an seine Lebenslust, an seinen kämpferischen Enthusiasmus weichen. Die Erinnerung an Horst Stowasser wird auch zur Mahnung, in seinem Sinne weiter zu leben und zu kämpfen.

Jochen Knoblauch

Im Internet wurde vom DadA-Web und dem Lexikon-der-Anarchie.de eine Horst Stowasser-Memorial-Seite eingerichtet, wo Menschen ihre Erinnerungen an Horst sich mitteilen können: 

http://dadaweb.de/wiki/Horst_Stowasser_-_Gedenkseite

NACHRUF

Horst Stowasser

Aus der Sehnsucht nach Frieden, Gerechtigkeit, Gleichheit, Selbstbestimmung und gegenseitiger Achtung entstand »Das Projekt A«. Im Text beschreibt der vielsprachige Norddeutsche Horst Stowasser (7. Januar 1951 bis 30. August 2009) seine Vision vom Zusammenleben.

In einer Zeit des kalten Krieges und der Entstehung von Atomkraftwerken, in der Menschen meiner Umgebung atomsichere Keller in ihre Häuser bauten, hat der junge Horst Stowasser mit seinen Vertrauten die Idee von Netzwerken zur Rettung der Menschen, eben das »Projekt A«, entworfen.

Durch die Veröffentlichung des Buches und der darin entwickelten Gedanken entstanden weit über Deutschland hinaus die beschriebenen Netzwerke mit Menschen, die der Obrigkeit nicht trauten und davon träumten und den Versuch wagten, für Freiheit, Gerechtigkeit und Selbständigkeit in Eigenverantwortung ihr Leben den politischen Verhältnissen zum Trotz zu organisieren.

Wer die Spiritualität spürt, wird im Sinne Horst Stowassers weiter neue Netzwerke initiieren und bestehende mit Zukunft füllen.

Ein solches Netzwerk soll im »Generationenübergreifenden Projekt Eilhardshof« in Neustadt an der Weinstraße entstehen. Dort versuchen 20 Erwachsene im Alter zwischen 22 und 75 Jahren mit 9 Kindern, 4 Wochen bis 12 Jahre alt, in einer denkmalgeschützten Villa mit etlichen An- und Ausbauten zu einer Gemeinschaft zusammen zu finden.

So bleibt von dem Anarchisten und Schriftsteller Horst Stowasser am Ende aus Liebe zur Freiheit die Hoffnung, dass sich seine Vision immer wieder neu erfüllt.

Rosemarie Lang-Barke im Mieterverein Eilhardshof, Neustadt an der Weinstraße

 

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Copyright © 1999 CONTRASTE Monatszeitung für Selbstorganisation
Stand: 01. Oktober 2009