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Monatszeitung für Selbstorganisation

 

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Grundsätzliches

Forderungskatalog

Seite 4

Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in Projekten

Einige grundsätzliche Anschauungen

ABM als ein spitzes und zweischneidiges Unterfangen!

Von Jürgen Sosna, Redaktion Bremen - Projekte und Initiativen haben sich auf ABM eingelassen, weil damit

a) die Arbeit in den Projekten überhaupt geleistet und finanziert werden kann, die sonst gar nicht oder bestenfalls ehrenamtlich erfolgen müßte. Oft wird über die AB-Maßnahme unzureichende Leistung des Staates kompensiert bzw. in Selbsthilfe Arbeit geleistet, die der Sozialstaat nicht mehr bereit ist zu regeln.

b) individuell für einen begrenzten Zeitraum von 1-2 Jahren ein regelmäßiges Einkommen ermöglicht wird und anschließend Ansprüche auf Arbeitslosengeld bzw. -hilfe entstehen.

Die individuelle Situation und das Projektinteresse lassen nur zu leicht vergessen, auf welch tönernen Füßen das Arbeitsbeschaffungsprogramm gebaut ist.

Das arbeitsmarktpolitische Instrument ABM hat sich im Laufe der Jahre anders entwickelt als es gedacht war. Das Gesetz (AFG) stammt aus dem Jahre 1969. Zur Entwicklung einige Zahlen:

Das Ziel von AB-Maßnahmen sollte sein, schnell und flexibel auf wirtschaftliche Schwankungen zu reagieren, indem in Zeiten des konjunkturellen Tiefs - der Arbeits(losen)markt vorübergehend entlastet wird und

- über staatlich finanzierte Beschäftigung Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen intensiviert wird, damit über Kaufkraft (Konsum) die wirtschaftliche Konjunktur wieder angekurbelt wird.

Damit die Unternehmen, einschließlich des Staates, nicht zu billigen Arbeitskräften kommen, die durch die Allgemeinheit finanziert werden, gab und gibt es Kriterien für die Bewilligung von AB-Maßnahmen. Die wichtigsten sind:

- Es muß öffentliches Interesse an der Tätigkeit bestehen. (Was immer das sein mag.)

- Es muß sich um zusätzliche Aufgaben handeln, also um Tätigkeiten, die nicht zu den bekannten Verpflichtungen des Trägers gehören.

- Die Zweckmäßigkeit der Maßnahme wird geprüft, da ABM je nach Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt eingesetzt werden sollen. Zielgruppen wie Jugendliche, Behinderte, Frauen etc., die besonders von Arbeitslosigkeit betroffen sind, sollen schwerpunktmäßig bedacht werden.

- Maßnahmen, die zur Verbesserung der sozialen Infrastruktur beitragen, sollen vorrangig gefördert werden.

- Ziel von AB-Maßnahmen soll es sein, zur dauerhaften und qualifikationsgerechten Wiedereingliederung im Rahmen von Dauerarbeitsplätzen zu führen.

In den 70er Jahren war es in der Tat so, daß AB-Maßnahmen oft zur Festeinstellung führten. Heute dagegen geht man in Bremen zum Beispiel davon aus, daß max. 3% der AB-Maßnahmen zu einem Dauerarbeitsplatz führen. Von dem Instrument, kurzfristig und kontrolliert auf wirtschaftliche Schwankungen zu reagieren, ist nicht mehr viel übrig geblieben. Die AB-Politik folgt in der Zwischenzeit eigenen Gesetzen und ist zum Zankapfel von vor allem staatlichen Interessen geworden. Mit Wissen und Billigung von Politik und Arbeitsverwaltung ist ein sogenannter 2. Arbeitsmarkt entstanden. AB-Maßnahmen sind ein Instrument geworden, auf dem viele spielen - wir übrigens auch!

Längst haben wir uns daran gewöhnt, daß AB-Maßnahmen:

- Dauerarbeitsplätze vernichten,

- dazu dienen, Arbeiten zu finanzieren, die ohnehin ausgeführt worden wären (Mitnahmeeffekt),

- dazu mißbraucht werden, gesellschaftliche Aufgaben nicht durch die zuständigen Institutionen zu finanzieren, sondern auf die Bundesanstalt für Arbeit abzuschieben,

- in der Zwischenzeit bis zu 80% beim Staat angesiedelt sind und sich die freien Träger um den Rest zu streiten haben,

- billige Arbeitskräfte finanzieren und als Durchlauferhitzer funktionieren, indem die Stelle bleibt, lediglich die Personen wechseln,

- nicht zur Weiterqualifizierung eingesetzt werden.

Gewerkschaften, Betriebs- und Personalräte haben sich anfangs geweigert, AB-Maßnahmen zuzustimmen. Heute sind sie sehr viel verhaltener, weil sie offenbar ohnmächtig sind, wirksam gegen die Politik des 2. Arbeitsmarktes aufzutreten und andererseits, im "Interesse" der Betroffenen, JA sagen, damit diese überhaupt eine Chance haben, für eine kurze Zeit erwerbstätig zu sein.

Ähnlich haben auch wir reagiert, ganz nach der Devise: ,,Du hast keine Chance, nutze sie!" Um Projekte aufzubauen, sie am Leben zu halten und, weil staatliche Finanzierung abgelehnt wurde oder unzureichend ist, um etwas Neues auszuprobieren, aber auch, um Leute für eine Weile abzusichern und nicht immer auf unbezahlte Arbeit zurückgreifen zu müssen, haben wir ABM akzeptiert.

Dabei sind wir davon ausgegangen, daß die Stellen/Personen auf zwei Jahre abgesichert sind. Liefen Stellen aus, waren wir einfallsreich und erstritten neue Stellen, oft für dieselben Personen, weil Person und Projektarbeit nicht voneinander zu trennen waren.

Die aktuelle Situation hat uns aufgeschreckt, weil das bisherige, projektindividuelle Verhandlungsgeschick gegenüber dem Arbeitssenator und dem Arbeitsamt offenbar nicht mehr greift. Die fast schon routinemäßige Verlängerung von Stellen durch die Arbeitsverwaltung ist gestoppt worden, weil offenbar in den Verwaltungen neue Prioritäten gesetzt werden sollen.

Selbstkritisch müssen wir eingestehen, daß wir zu wenig gemeinsam über die ,,Droge ABM" nachgedacht haben. Erste Versuche, in Bremen eine gemeinsame Problemsammlung zu organisieren, blieb ohne Erfolg. Wir sollten die aktuelle Situation nutzen und Versäumtes nachholen und projektübergreifend handeln. Unserer Meinung nach schließt das neben einer Bestandsaufnahme von dem was aktuell Stand ist ein, kurzfristig weiter für die Verlängerung bzw. für die Genehmigung von Neuanträgen zu streiten.

Darüber hinaus ist es aber auch notwendig, über den weiteren Umgang mit dem Finanzierungsinstrument ABM nachzudenken. Auf Dauer dürfen wir uns nicht auf ABM verlassen!

Das bedeutet auch, über Alternativen zu diskutieren, die uns unabhängig machen vom Wohlwollen staatlicher Bürokratie. Die Betonung liegt wohlgemerkt auf ,,Wohlwollen", denn der Staat sollte nicht aus Pflichten entlassen werden, die er nur zu gern abgeben würde. Ideen dazu, wir sind uns da ganz sicher, gibt es in unseren Köpfen. Heraus damit!

 

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Copyright © 1999 CONTRASTE Monatszeitung für Selbstorganisation
Stand: 08. Dezember 2009