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Monatszeitung für Selbstorganisation

 

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Gewerkschaftsverbot

TARIFKONFLIKT ESKALIERT 
– FÜR FREIE GEWERKSCHAFTLICHE BETÄTIGUNG

Basisgewerkschaft: Verboten! 

Das Solidaritätskomitee »Gegen De facto Verbot der FAU Berlin – Für freie gewerkschaftliche Betätigung« hat einen Appell an Gewerkschaftsmitglieder verfasst, der sich gegen die massiven Eingriffe Berliner Gerichte in den Tarifkonflikt im Berliner Filmtheater »Babylon« und gegen das Verbot gewerkschaftlicher Betätigung der FAU Berlin wendet und zur Solidarität aufruft (siehe auch Seite 12).

»In den letzten Jahren haben deutsche Arbeitsgerichte immer wieder versucht, das eh schon beschränkte Koalitionsrecht in Deutschland weiter einzuengen. 2007 traf es die Gewerkschaft der Lokomotivführer (GdL), der wegen der »enormen Schadenshöhen« Streiks im Fern- und Güterverkehr der Bahn verboten wurden. Und wer hat noch den Überblick über all die Fälle, bei denen Unternehmer mit gerichtlichem Segen versucht haben, durch sog. Verdachtskündigungen die gewerkschaftliche Arbeit im Betrieb zu ersticken?

Diese unternehmergefällige Arbeitsrechtssprechung hat jetzt einen neuen Höhepunkt erreicht: Gerichte in Berlin haben massiv in einen Tarifkonflikt im Berliner Filmtheater »Babylon« eingegriffen. Zuerst untersagte das Landesarbeitsgericht der anarcho-syndikalistischen Gewerkschaft Freie Arbeiterinnen und Arbeiter Union Berlin (FAU) den Aufruf zu einem Boykott ihres Unternehmers, den Kinobetreiber Neue Babylon GmbH. Hierzu hatten sich die Belegschaftsvertreter im Kampf gegen ihre Hungerlöhne entschlossen, nachdem der Geschäftsführer des Kinos jegliche Verhandlungen ablehnte.

In einer Einstweiligen Verfügung erklärten die Richter, dieses gewerkschaftliche Kampfmittel stehe der FAU Berlin nicht zur Verfügung, da sie keine Tarifmächtigkeit besitze. Die Einstweilige Verfügung des LAG wurde dann in einer neuen Einstweiligen Verfügung auf Antrag des Kinos noch weiter verschärft. Darin verbot das Landgericht der FAU Berlin sich weiterhin Gewerkschaft oder Basisgewerkschaft zu nennen und sprach damit faktisch ein Verbot gewerkschaftlicher Betätigung gegen sie aus. Für den Fall, dass die FAU Berlin nicht in allen ihren Publikationen den Eindruck beseitige, sie mache gewerkschaftliche Arbeit, drohen ihren Sekretären ein Ordnungsgeld von 250.000 Euro oder sechs Monate Haft. Die Berliner Arbeitsrechtsentscheide betreffen nicht nur die FAU. Sie gehen alle an.

Nach ILO-Leitlinien und gemäß der Sozialcharta der EU ist eine Organisation eine Gewerkschaft, wenn sie von abhängig Beschäftigten freiwillig gebildet wurde, Gegnerfrei und sozialmächtig ist. All dies trifft für die FAU im Konflikt um den Haustarifvertrag im Kino Babylon zu. Eben deshalb hat das Unternehmen auch die Gerichte bemüht.

Wegen fehlender Sozialmächtigkeit auf überbetrieblicher Ebene stellt das Gericht jedoch die Gewerkschaftseigenschaft der FAU Berlin in diesem Haustarifkonflikt nun in Frage. Würde eine solche Argumentation zu europäischem Recht, wären wichtige Teile der real existierenden Gewerkschaften in Italien und Großbritannien illegal. Auch alle in Branchen organisierten Gewerkschaften, die nur in bestimmten Betrieben tatsächlich handlungsmächtig sind, werden nun bedroht, weil sie auf Branchenebene faktisch nicht durchsetzungsfähig sind.

Und die Bildung neuer Gewerkschaften in gewerkschaftlich nicht organisierten neuen Branchen im Kampf von Betrieb zu Betrieb wird damit völlig verhindert. Ebenso die Bildung allgemeiner Gewerkschaften, deren Tariffähigkeit vielleicht nur in anderen, als den umkämpften Branchen besteht.

In einer Zeit, in der Arbeitsverhältnisse immer prekärer werden, der gewerkschaftliche Schutz und die Tarifbindung in vielen Branchen oder Regionen schwindet, brauchen die abhängig Beschäftigten jedoch mehr denn je verlässliche Rechte, um sich dieser Entwicklung kollektiv zu widersetzen. Das Recht, sich in Gewerkschaften eigener Wahl zusammenzuschließen ist dafür von fundamentaler Bedeutung.

Die aktuelle Arbeitsrechtsprechung erweist sich immer mehr als Versuch, dieses grundlegende Recht einzuschränken, seine Ausübung zu erschweren und letztlich zu vereiteln. In Deutschland besteht das Gros der arbeitsrechtlichen Normen aus Richterrecht statt aus gesetzlich fixierten Normen, d. h. das Arbeitsrecht entwickelt sich ständig und ist beeinflussbar.

Deshalb appellieren wir an die Mitglieder und Funktionäre, an die gewerkschaftlichen Gliederungen und Vorstände der Gewerkschaften und besonders der DGB-Gewerkschaften: Verhindert, dass aus dieser Einstweiligen Verfügung endgültiges Recht wird. Übt Solidarität, auch wenn ihr mit der gewerkschaftspolitischen Orientierung der FAU nicht einverstanden seid. Es geht um gemeinsame Grundrechte, die nur gemeinsam verteidigt werden können.«

Weitere Information: www.fau.org/verbot

FAU BERLIN AB SOFORT VON STRAFBESCHLUSS BEDROHT

Jens Bitters, indymedia # Seit dem 2. Februar 2010 kann das Landgericht Berlin jederzeit ein Ordnungsgeld oder ersatzweise Ordnungshaft für die Sekretäre der FAU Berlin festsetzen. Hintergrund ist, dass die Arbeitnehmervereinigung, in der sich u.a. Beschäftigte des Babylon Mitte organisiert haben, sich nach Auffassung der Bosse des Kinos Babylon Mitte entgegen einer bestehenden Unterlassung »Gewerkschaft« genannt haben soll.

Dem Gericht liegen nun der Strafantrag der Babylon- Geschäftsführung und die schriftliche Erwiderung der FAU Berlin vor. Für eine Entscheidung des Gerichtes bedarf es abermals keiner mündlichen Verhandlung, weshalb die FAU Berlin nun keine Möglichkeit mehr hat, auf das Ergebnis des Antrages juristisch Einfluss zu nehmen.

Auch der Zeitpunkt, wann das Ergebnis verkündet wird, ist völlig ungewiss, es kann morgen passieren oder erst in ein paar Wochen. Ebenso ist nur schwer einzuschätzen, wie das Verfahren ausgeht. Die FAU Berlin hält – wie auch große Teile der Öffentlichkeit – den Antrag selbstverständlich für absurd. Allerdings hat die Berliner Justiz schon mehrfach in grotesker Weise gegen die FAU Berlin geurteilt, so z.B., dass sie sich nicht »Gewerkschaft« nennen dürfe. Jeder Irrsinn scheint zurzeit möglich.

Im Falle eines negativen Ergebnisses ist ebenso unklar, wie die Strafe genau ausfallen wird. Das Ordnungsgeld kann bis zu 250.000 Euro betragen. Ist das Ordnungsgeld für die FAU Berlin nicht zahlbar, ist ersatzweise Haft zu leisten, im schlimmsten Falle bis zu sechs Monaten.

Menschen sind also akut von Haft bedroht, nur weil sie es angeblich gewagt haben sollen, das Wort »Gewerkschaft « in den Mund zu nehmen. Es zeigt, wie irrsinnig bereits das letzte Urteil war, dass solch einen Strafantrag jederzeit möglich macht. Dahinter steckt offensichtlich der Versuch, die FAU Berlin mundtot und handlungsunfähig zu machen.

Weitere Informationen: www.fau.org/verbot

 

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Copyright © 1999 CONTRASTE Monatszeitung für Selbstorganisation
Stand: 24. Februar 2010