Durch kontinuierliches Engagement wird Wissen Erhalten

 

15 Jahre Archiv der sozialen Bewegungen Bremen

 

Im Dezember 2014 jährt sich die Gründung des Archivs der sozialen Bewegungen Bremen zum fünfzehnten Mal. Für ein selbstorganisiertes Projekt ist das eine bemerkenswert lange Zeit.

Von Jan Bönkost, Bremen und Bernd Hüttner, Redaktion Bremen Das Archiv wurde im Dezember 1999 gegründet, als sich der Infoladen der »Bremer BürgerInneninitiative gegen Atomanlagen« (BBA) und der autonome Infoladen »Umschlagplatz« zum Infoladen Bremen zusammenschlossen. Ihre seit Mitte der 1970er Jahre (BBA) bzw. seit 1990 (Umschlagplatz) gesammelten Dokumente bildeten den Anfangsbestand.

Seit 2001 kommt Material von anderen Bewegungsarchiven, von Bremer politischen Gruppen und von Einzelpersonen hinzu. Unter dem Motto »Von der Bewegung – für die Bewegung« wird Material aus den vielfältigen Widerstands- und Protestbewegungen der letzten Jahrzehnte zusammengetragen und bewahrt. Mit dem Gründungsanspruch, ein »Gedächtnis für die Linke« zu sein, lebt das Archiv aber vor allem davon, dass es genutzt wird.

In diesem Sinne ist das Archiv für die Beteiligten vor allem ein politisches Projekt. Im juristischen Sinne ist es eine private Initiative. Es verfügt über keinerlei eigene Rechtsform, keinen Förderverein oder ähnliches. Die Archivarbeit wird ehrenamtlich und unbezahlt geleistet. Die Unabhängigkeit von öffentlichen Mitteln bewahrt jedoch ein hohes Maß an inhaltlicher Autonomie, die für die Zielsetzung des Archives in mehrfacher Weise bedeutsam ist. Andererseits sind so alle Anschaffungen, vom Bleistift bis zur Archivschachtel, nur über Spenden möglich. Dennoch ist die Nutzung grundsätzlich kostenlos, insbesondere durch heutige politische Aktivist_innen. Bei anderer, etwa akademischer Nutzung sind Spenden allerdings gerne gesehen. Grundsätzlich gilt als Arbeitsweise das »Prinzip Schnecke«: »Langsam, aber vorwärts«.

Sammlungsgebiete

Das Archiv sammelt von Nationalsozialismus bis zur APO/SDS/StudentInnenbewegung; von der Frauen- und Lesben- über die Umwelt- und Friedens- bis zur Internationalismusbewegung und selbstverständlich das ganze Spektrum linksradikaler, linker und alternativer Gruppen. Schwerpunkte sind dabei bedingt durch den Anfangsbestand die Themen Antifaschismus und Anti-Atom. Geographischer Bezugsraum ist der gesamte deutschsprachige Raum.

Dank zahlreicher Materialspenden, u.a. von (ehemaligen) Aktivist_innen, oder wie zuletzt vom aufgelösten Bremer FrauenlesbenTrans-Infoladen mafalda konnte der Gründungsbestand des Archivs mittlerweile auf über 400 Regalmeter mehr als verdreifacht werden. Der Bestand ist breit angelegt, geht vom vielfältigen Material der unterschiedlichen Bewegungen selbst aus und orientiert sich, da nur sehr begrenzt gezielt erworben wird, an den Themen und Strukturen der Bewegungen. Der Bestand umfasst gegenwärtig:

  • ca. 6.000 Bücher, überwiegend aus den 1970er und 1980er Jahren

  • über 130 Zeitschriftentitel im laufenden Bezug11

  • ca. 1.400 lokale regionale, bundesweite und internationale Zeitungen und Zeitschriften, überwiegend ab den 1970er Jahren – und mindestens dieselbe Anzahl an Titeln mit nur einem oder wenigen Exemplaren

  • Broschüren, Flugblätter, Zeitungsartikel und ähnliches Material von den 1960er Jahren bis heute – grob thematisch sortiert und im Umfang von geschätzt weiteren 30 Regalmetern noch unsortiert

  • ca. 200 VHS-Videos

  • über 700 thematisch grobsortierte Plakate

  • Zwei Sondersammlungen: Einerseits zu (Öko)Landwirtschaft und Provinz und andererseits den Nachlass des ehemaligen Infoladens im Jugendzentrum »JUZ« Verden (Niedersachsen).

Austausch und Vernetzung

Existenziell ist die enge Zusammenarbeit mit dem Infoladen Bremen, der insbesondere die knapp 100 Quadratmeter umfassenden Räumlichkeiten seines Kellers kostenlos für die Archivarbeit zur Verfügung stellt. In Bremen beteiligte sich das Archiv zudem einige Jahre an den Aktivitäten des »Kreis Bremer Archive« (www.bremer-archive.de). Überregional gehört es dem »Förderkreis Archive und Bibliotheken zur Geschichte der Arbeiterbewegung e.V.« an. Darüber hinaus arbeitet(e) das Archiv mit vergleichbaren Archiven und Bibliotheken u.a. in Oldenburg, Hamburg, Berlin, Köln, Bochum, Kassel, Wien, Zürich und mit der Bibliothek für Sozial- und Humanwissenschaften der »Stiftung für Sozialgeschichte« an der Universität Bremen zusammen. Seit der Gründung des Archivs wurden so geschätzt über eine Tonne doppeltes Material an andere Archive abgegeben. Verbunden ist dieser Austausch mit einem hohen Energieaufwand für die kleinteilige Arbeit der Vernetzung der freien und Bewegungsarchive und für die Propagierung ihrer Existenz und ihrer Anliegen in die Bewegungs- und archivfachliche Öffentlichkeit.

Herausforderungen der Bewegungsarchivarbeit und -nutzung

Problematisch sind in erster Linie der Erschließungsgrad und die Konservierung des Archivgutes. Die Zeitschriften sind nach Titeln sortiert in alphabetischer Reihenfolge aufgestellt. Die »grauen Materialien« sind zwar größtenteils thematisch sortiert in Archivboxen abgelegt, aber ebenso wie die Periodika in keinerlei Form über papierne oder elektronische Findmittel erschlossen. Das Archiv verwendet zwar – im Gegensatz zu etlichen anderen Bewegungsarchiven - professionelle Archivboxen, seine Räume sind jedoch unter klassischen konservatorischen Aspekten aus baulichen Gründen ungeeignet. Die seinerzeit aufgesetzte Internetpräsenz war damals zwar innovativ, ist mittlerweile jedoch technisch überholt und dient u.a. deswegen seit einigen Jahren bewusst nur noch als elektronisches Text-Archiv.

Dennoch ist durch kontinuierliches Engagement von nahezu einem Dutzend Menschen seit 1999 in Bremen eines der größeren themenübergreifenden Bewegungsarchive im deutschsprachigen Raum entstanden. Die Zukunft des Archivs wird als ehrenamtliches Projekt nie genau vorhersagbar sein. Aber es wird in dem Tempo und Ausmaß weiter ausgebaut und entwickelt werden, das der Lebensrealität seiner BetreiberInnen angemessen ist.

Jan Bönkost ist Medien-, Bernd Hüttner Politikwissenschaftler. Beide arbeiten im Archiv der sozialen Bewegungen mit.

Publikationen

Aus der Arbeit des Archivs entstanden bislang folgende Publikationen:

Bernd Hüttner: Archive sozialer Bewegungen. Eine Einführung mit Adressenverzeichnis, Bremen (AStA Universität), 2002

Bernd Hüttner: Archive von unten. Archive der neuen sozialen Bewegungen und ihre Bestände, Neu-Ulm 2003

Bernd Hüttner, Gottfried Oy, Norbert Schepers (Hg.): Vorwärts und viel vergessen. Beiträge zur Geschichte und Geschichtsschreibung neuer sozialer Bewegungen, Neu-Ulm 2005

Bernd Hüttner, Gottfried Oy, Christiane Leidinger (Hg.): Handbuch der Alternativmedien 2011/2012, Neu-Ulm 2011.

 

Datenbanken

Einen Überblick über aktuell erscheinende alternative und linke Zeitungen und Zeitschriften gibt das vom Archiv mitbetreute »Online-Verzeichnis Alternativmedien« (http://www.alternativmedien.org). Eine umfangreichere Suche in einem Teil der Bestände verschiedener Infoläden und Bewegungsarchive ermöglicht die Online-Datenbank »dataspace« (http://ildb.nadir.org).

Eine Liste mit Bewegungsarchiven findet sich unter http://afas-archiv.de/vda.html

 

Adresse

Archiv der sozialen Bewegungen Bremen, St. Pauli Str. 10/12, 28203 Bremen

Mail: info@archivbremen.de

Internet: http://www.archivbremen.de

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