HILFE VON MENSCH ZU MENSCH

Foto: Bürgersozialgenossenschaft Biberach

Zwischen Kritik und Utopie

Sozialgenossenschaften gehören heute fast zum Mainstream innovativer Entwicklungen. Seit der ersten deutschsprachigen Buchveröffentlichung 2003 mit dem Titel »Sozialgenossenschaften« erleben sie als solidarische Kooperationsmodelle von BürgerInnen wachsende Beachtung und Umsetzung. In unserem Schwerpunkt geht es um Genossenschaften, die auf Zeitbanksysteme zurückgreifen. Sie könnten als vierte Säule der Altersvorsorge Furore machen, wenn Politik und Finanzämter sie machen lassen, oder – besser noch – ihnen bei ihrer bewundernswerten Aufbauarbeit mehr Unterstützung zukommen lassen.

Burghard Flieger, Redaktion Genossenschaften

Das Leistungsspektrum von Sozialgenossenschaften reicht von der Nahraumversorgung über die Unterstützung Hilfsbedürftiger in der eigenen Wohnung bis zur Organisation sozialer Stadtentwicklung. Mit Hilfe von Dorfläden, als Familiengenossenschaften oder auch als Seniorengenossenschaften helfen sie, die negativen Auswirkungen des demografischen Wandels und der sich verändernden Familienstrukturen zu mildern. Durch ihre besonderen rechtlichen Strukturen – Vorstand, Aufsichtsrat, Mitgliederversammlung und Prüfungsverband – verbunden mit Möglichkeiten der Eigenkapitalbildung bieten sie große Chancen langfristiger Stabilisierung.

Ein noch relativ neues Phänomen sind Senioren- bzw. Nachbarschaftsgenossenschaften, die nach dem Prinzip der gegenseitigen Hilfe handeln. Sie setzen diese vollständig oder ergänzend immer auch über ein geldloses Zeittauschsystem um. Ihre Aufgabe besteht darin, die Leistungen zwischen den Beteiligten zu vermitteln, zu koordinieren und zu verbuchen. Die Angebote wenden sich fast immer an alle Generationen, auch wenn Leistungen zugunsten älterer Menschen überwiegen. Sie reichen von der Betreuung von Menschen mit Demenz bis zur Kinderbetreuung. Viele entwickeln einen Hilfsfonds zur Unterstützung von Menschen in schwierigen Lebenslagen.

Leuchtturmfunktion

Im Schwerpunkt nehmen konkrete Beispiele den größten Raum ein. Lässt sich doch durch sie am besten für die Umsetzung weiterer Projekte lernen. Unter den Beispielen ist die erste Seniorengenossenschaft, die »WIR für UNS eG« in Heroldsbach, gegründet 2011. Sie hat sich vor allem durch Ehrenamt und strenges Kostenmanagement etablieren können. Von der ausgeprägten kommunalen Unterstützung, wie sie die neuste Gründung, die »Nachbarschaftshilfe Hehlenriede« in Isenbüttel erfährt, konnten die Heroldsbacher als Pioniere nur träumen.

Abgerundet wird der Schwerpunkt durch eine Einführung in die Strukturen und Entwicklungen von Zeitbanken in verschiedenen Ländern. Eine Studie aus Südtirol gibt Einblicke in verallgemeinerbare Konsequenzen, wie sich genossenschaftliche Zeitbanken schneller und stabiler entwickeln könnten. Dies wird mit einem Interview am Ende ergänzt, in dem es um konkrete Unterstützungsmöglichkeiten für die Etablierung von Zeitbanken geht. Politische Dimensionen, die bei solchen Gründungen mitschwingen, werden in dem Schwerpunkt vernachlässigt. Dabei sind sie hochbrisant. Organisieren sich hier doch Menschen, weil es besonders für Ältere zukünftig keine ausreichende staatliche Daseinsvorsorge mehr gibt. Sie aktivieren großteils unbezahlte Arbeit und werden dabei von Finanzämtern und wachsenden bürokratischen Auflagen noch behindert – eine unerträgliche Situation.

Zur Übersicht des Schwerpunkts >>

Schwerpunkt im Mai

Seite 9

Klaus Reichenbach, Kassel: Zeitbanken als Standbein der Altersvorsorge

Oscar Kiesswetter, Bozen: Von der Nachbarschaftshilfe zur Familienpolitik - Studie in Südtirol

Seite 10

Thorsten Müller, Isenbüttel: Nachbarschaftshilfe Hehlenried

Burghard Flieger: Seniorengenossenschaften vielseitig betrachtet

Seite 11

Adi Lang, Bocholt: Bocholter Bürgergenossenschaft

Hubertus Droste, Biberach: Die Biberacher Bürgersozialgenossenschaft

Seite 12

Mathias Abbé, Heroldsbach: Generationenübergreifende Freiwilligenarbeit

Interview mit der Allmenda social business eG: Zeitpolster - Zentralität mit dezentralen Strukturen verknüpfen?

Aus dem Inhalt


Seite 3 – Nachrichten

Kampagne »We Don't Shut Up«

Seite 4 – Projekte

Kostas – the other human

Netzwerk News

Seite 5 – Projekte

Open Source Ecology Germany

Seite 6 – Projekte

Frits ter Kuile im Interview (ungekürzt)

Film: »Mission Lifeline«

Seite 7 – Bewegung

Kommunen als Unterstützung in Krisensituationen

Seite 8 – Über den Tellerrand

Extinction Rebellion

Rechtsticker

Seite 9 – Schwerpunkt

Zeitbanken als Altersvorsorge

Studie in Südtirol

Seite 10 – Schwerpunkt

Nachbarschaftshilfe Hehlenriede

Buchbesprechung

Seite 11 – Schwerpunkt

Bocholter Bürgergenossenschaft

Bürgersozialgenossenschaft Biberach

Seite 12 – Schwerpunkt

Wir für uns eG, Heroldsbach

Zeitpolster

Seite 13 – Biotonne

Saatgut ist Allgemeingut

Seite 14 – Kunst & Kultur

50 Jahre Forum3, Stuttgart

Seite 15 – Rezensionen

Sozial-ökologische Transformation

Blocking the chain

Kanaillen-Kapitalismus

Internationale Solidarität

Landauer in Berlin

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