Fünf Jahre habiTAT in Österreich

Das Hausprojekt Willy*Fred in Linz ist das erste konkrete Projekt des österreichischen Kollektivs habiTAT. Foto: Willy*Fred

Das Mietshäusersyndikat wird international

Eigentlich, so meint Elisabeth, wäre die Gruppe gerne ein Hausprojekt im Mietshäusersyndikat geworden. Dieses wollte sich aber nicht mit den verschiedenen Rechtssystemen anderer Länder auseinandersetzen, bot aber mit seiner AG International Unterstützung und Beratung an.

Brigitte Kratzwald, Redaktion Graz

Ziemlich schnell ist den Österreicher*innen in dieser AG klar geworden, dass ein eigener Dachverband notwendig war. Kurz entschlossen hat sich die Linzer Gruppe an den Gründungsprozess gemacht. Viele Syndikatsprojekte in Deutschland wurden abgeklappert und haben Beratung und Unterstützung angeboten.

Eine GmbH als Rechtsform schien für Österreich nicht ideal, weil hier eine Mindestkörperschaftssteuer unabhängig vom Gewinn abzuführen ist. Also wurden erst einmal verschiedene andere Konzepte durchgespielt, es stellte sich aber heraus, dass keine andere Rechtsform das Ziel, Häuser auf Dauer dem Markt zu entziehen und für selbstorganisiertes Wohnen zur Verfügung zu stellen, in gleicher Weise erfüllen kann. Die Rechtssicherheit und die Erfahrungen mit dem bewährten Modell gaben für die Gründer*innen den Ausschlag, die Kosten in Kauf zu nehmen. Das fiel leichter, weil gerade zu dieser Zeit ein neues Gesetz die Mindest-KÖST von 1.500 auf 500 Euro im Jahr senkte. Das sei aber nicht der einzige Grund, warum diese Rechtsform in Österreich nur für größere Projekte im städtischen Raum funktioniere, meint Florian. Denn dazu kommen noch etwa 2.000 Euro Verwaltungsaufwand für die doppelte Buchhaltung und den Bilanzabschluss durch einen Steuerberater. Aber für ein Projekt wie zum Beispiel das Willy*Fred hier in Linz mit einem Jahresumsatz von etwa 150.000 Euro fällt das nicht so ins Gewicht. Für ein kleines Hofkollektiv in einem strukturschwachen Raum, das dort kaum Miete bezahlt, wäre das nicht zu stemmen.

Wie es das Mietshäusersyndikat über viele Jahre war, ist habiTAT ein Verein, der für jedes Haus mit dem Hausverein eine GmbH bildet. Der Verein wurde am 3. Januar 2014 gegründet, feierte also vor einem Monat seinen fünften Geburtstag. Gleich nach der Gründung wurde ein Projektantrag an die oberösterreichische Kulturplattform KUPF gestellt, der ausreichend Geld brachte, um das Konzept weiterzuentwickeln und den Verein gleichzeitig auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Unter dem Titel »Vivir la Utopia – Eroberung soziolkultureller Wirklichkeiten« wurden ein Jahr lang Workshops zu Themen wie Wohneigentum in Österreich oder gemeinschaftliche Wohnformen organisiert und dafür Menschen aus dem Mietshäusersyndikat und Rechtsexpert*innen eingeladen.

Gerade als dieses Jahr um war, ist die Möglichkeit aufgetaucht, das Haus in Linz zu kaufen, so dass der Anfangsschwung gleich mitgenommen werden konnte. Der Dachverband habiTAT und das Hausprojekt Willy*Fred (siehe Artikel unten) wurden praktisch gleichzeitig gegründet. Über ein kleines Crowdfundig wurde die Rechtsberatung finanziert, um die Verträge wasserdicht zu machen. Das Netzwerk, das durch das Kulturprojekt entstanden war, war dafür sehr hilfreich. Außerdem war schon bekannt, dass im Juli 2015 ein neues Finanzierungsgesetz kommen würde, das die Sache mit den Privatkrediten regelt. Am Tag nachdem dieses Gesetz in Kraft getreten war, wurde die erste Haus-GmbH gegründet.

Unter dem habiTAT-Dach gibt es derzeit vier Projekte, mit denen bereits ein Vertrag abgeschlossen wurde: neben »Willy*Fred« in Linz noch die »Autonome Wohnfabrik« in Salzburg und »Schlor« und »Bikes and Rails« in Wien. Diese Projekte stecken mitten in ihrer Crowdfundingkampagne und freuen sich noch über Direktkredite. Einige weitere Projektgruppen sind noch im Planungsstadium und inzwischen Vereinsmitglieder.

Im Verein habiTAT können Gruppen oder Einzelpersonen Mitglied werden, allerdings, so Elisabeth, würden im Moment nicht wahllos Einzelpersonen aufgenommen. Man sei selbst noch im Entwicklungsprozess und wolle nicht zu schnell wachsen, daher liege der Fokus im Moment auf schon bestehenden Gruppen. Wenn eine neue Gruppe dazu kommen will, gibt es eine Einführung und wenn sich die Gruppe sicher ist, kann sie Vereinsmitglied werden. Erst wenn es ein Haus gibt, wenn der Finanzplan steht und auch von externen Expert*innen geprüft ist, gibt es einen Beteiligungsbeschluss und die Gründung der GmbH.

Aus der beratenden AG International des Mietshäusersyndikats ist inzwischen eine internationale Vernetzung auf Augenhöhe geworden mit dem habiTAT, den entsprechenden Organisationen aus Frankreich und den Niederlanden und interessierten Personen aus weiteren Ländern. Unter dem Titel »Commoning Spaces« gibt es regelmäßige Treffen, im nächsten Jahr zum Beispiel in Wien. Die Idee ist auch, sich gegenseitig finanziell zu unterstützen, was vor allem für Interessent*innen aus Rumänien oder Griechenland interessant ist, weil diese dort kaum an Bankkredite kommen. Damit könnte die Ungleichheit zwischen Nord und Süd zumindest etwas abgefedert werden.

Link zum habiTAT und zu den Projekten:

habitat.servus.at

Direktkredite werden von allen Hausprojekten gerne entgegengenommen!

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