Das Herz von CONTRASTE schlägt nicht mehr

CONTRASTE hat ihre Wurzeln in der Projektemesse 1984 in Oberursel. Dem Fotografen und Jugendzentrumsaktivisten Dieter Poschen (Diego) gelang es gleich anschließend, mit nur wenigen MitstreiterInnen das ambitionierte Vorhaben einer Zeitung für Selbstverwaltung in die Tat umzusetzen.

Dieter Poschen 2005 beim Plenum in Niederkaufungen, Foto: Heinz Weinhausen

Die Gründung von CONTRASTE war eine der großen Weichenstellungen in Dieters Leben. Er hatte einiges ausprobiert, und es als widerständiger, unkonventioneller Mensch verstanden, nach seinen eigenen Vorstellungen zu leben und sich keiner bürgerlichen Karriere zu unterwerfen. Sein unbedingter Freiheitsdrang und die Ablehnung jeder Art von Autorität führte ihn folgerichtig in die Welt der alternativen selbstverwalteten Projekte. Auch dort legte er großen Wert auf seine persönliche Autonomie und gestaltete sein Leben als Selbstständiger. Kollektive Strukturen unterstützte er mit seiner Arbeit, suchte sie aber nicht für sich selbst.

CONTRASTE war Dieters Lebensaufgabe, er war von Anfang an Herz und Seele dieses alternativen Zeitungsprojekts. Es war sein Job, das Layout und die gesamte formale Abwicklung von Zeitungsproduktion und Versand zu verantworten. Darüber hinaus war er Koordinator und Spinne im Netz unserer dezentralen Redaktion, Endredakteur, Ansprechpartner für Mitmachende und Projekte im Umfeld. Er war es, auf den sich fast alle bezogen, und dessen Meinung besonders zählte, wenn es drauf ankam.

Dieter scheute keine Mühen, wenn es darum ging, spannende Inhalte aufzutun, interessante AutorInnen zu gewinnen und eine große Bandbreite eingereichter Beiträge zu ermöglichen, ohne jedoch in Beliebigkeit abzugleiten. Durch seine lange Zeit in der Szene hatte er ein umfassendes Einschätzungsvermögen, allerdings mit Abstrichen bei der feministischen Sicht, die er respektierte, die aber nicht seine war. Viele redaktionelle Entscheidungen traf er allein, und meist waren wir damit einverstanden. Manchmal intervenierte er als eine Art moralische Instanz, und konnte uns in der Regel überzeugen. Nur selten blockte er kreative Vorschläge mit Sachzwang-Argumenten ab, weil sie aus seiner Sicht die prekäre Existenz von CONTRASTE gefährden würden. Ganz überwiegend gelang es ihm jedoch, andere durch freundliche Ermutigung zu motivieren und unsere dezentrale Redaktion mit den unterschiedlichen Persönlichkeiten und Befindlichkeiten zusammen zu halten.

Dieter gehörte zu den bescheidenen, leisen Menschen. Nur sehr selten schrieb er eigene Beiträge, er stand nicht im Rampenlicht, sondern organisierte zuverlässig, ja fast fürsorglich aus dem Hintergrund die Infrastruktur für die RedakteurInnen, AutorInnen und Projekte. Viele Jahre arbeitete er im Heidelberger Büro, wo anfangs noch vierteljährliche Redaktionsplena stattfanden. Dann zog es ihn in den Süden, und er verwirklichte das für sich, von dem so manche und mancher aus der Redaktion ebenfalls träumte. Auf einem sehr bescheidenen materiellen Niveau, aber mit vielen Aufgaben und großer Verantwortung versehen, lebte Dieter in Portugal im beschaulichen Fuseta, am Meer in der Nähe von Faro. Dort starb er nach kurzer Krankheit am 12. März 2013, wenige Tage vor seinem 67sten Geburtstag. Er arbeitete noch bis wenige Stunden, bevor er ins Krankenhaus kam. Die Seiten 3 bis 5 der vorliegenden CONTRASTE gestaltete er noch, und wir haben sie unverändert übernommen.

CONTRASTE war Dieters Leben, wir waren eine Art Familie für ihn. Er hat viel Wissen über unsere Zeitung und viele lustige Geschichten aus dem Redaktionsalltag mit ins Grab genommen. Es ist tragisch, dass wir keinen schrittweisen Übergabe- und Kollektivierungsprozess mit ihm haben können. Gespräche darüber, wie lange er noch arbeiten möchte, waren mit ihm leider nicht möglich. Glücklicherweise hat Dieter recht gut sortierte Unterlagen hinterlassen, und seine Heidelberger Kollegin Ute kann uns an vielen Punkten weiterhelfen.

Unser toller Zeitungsmacher, der so eine Sehnsucht nach Freiheit hatte, ist nun frei von allem und fliegt - wohin auch immer. Es ist traurig, dass wir Dieter, ohne den es CONTRASTE nicht gäbe, verloren haben. Wir hätten so gerne im Oktober 2014 mit ihm den 30. Geburtstag seines Lebenswerks gefeiert. Und es ist eine große Herausforderung für uns als Redaktion, nun ohne ihn weiter zu machen. Aber schließlich sind wir eine Zeitung für Selbstorganisation, da werden wir das doch wohl schaffen?!

Elisabeth Voß und die Redaktion der CONTRASTE - Monatszeitung für Selbstorganisation

Auf den Seiten 6 und 7 findet ihr persönliche Erinnerungen von CONTRASTE-RedakteurInnen an Dieter Poschen.

 

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