Aktiv gegen rechtes Gedankengut im ländlichen Raum

Solidarische Landwirtschaft in Aktion: Gemeinsame Heuernte. Foto: Privat

»Völkische Siedler« lassen sich in ländlichen Regionen nieder und kämpfen für eine zukunftsfähige kleinbäuerliche Landwirtschaft. Dabei hat ihre politische Einstellung nichts mit Solidarität zu tun. Ein Erfahrungsbericht.

Barbara, Wismar

»Es geht doch um die Sache, wir wollen doch alle das Gleiche: eine zukunftsfähige kleinbäuerliche Landwirtschaft«, so lautete der Tenor, als ich im Juni letzten Jahres mit zwei Ratsmitgliedern des Netzwerks Solidarische Landwirtschaft bei völkischen Bauern in Mecklenburg saß. Es war ein Besuch mit deutlichen Absichten, nicht ergebnisoffen, wir hatten uns »eingeladen«, um die Solawi-Gruppe aus dem Netzwerk rauszuschmeißen.

Die Entscheidung für diesen Besuch hatte eine relativ lange Vorgeschichte, wurde von vielen Seiten begutachtet, kommentiert, abgewägt und war auch nicht so einfach. Das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft ist ein sehr informeller Zusammenschluss von Höfen, Gärtnereien und Einzelpersonen, die »Ernte teilen« und nach ökologischen und solidarischen Prinzipien gemeinsam mit ihren Mitgliedern wirtschaften. Es gibt also keinen Mitglieder-Verein oder Anbauverband mit entsprechenden Statuten, die einen Ausschluss rechtlich begründen könnten.

Ich selbst bin vor acht Jahren nach Mecklenburg gezogen, wollte da eigentlich nie hin, weil es in meiner Vorstellung nur so von Nazis wimmelte, die Wohnprojekten und linken Leuten das Leben schwer machten. Aber ich fühlte mich sofort wohl hier in einer sehr lebendigen und gut vernetzten alternativen Szene. Durch die Beschäftigung mit alternativen Landwirtschaftskonzepten kam ich zum ersten Mal in Berührung mit dem Thema »Völkische Siedler« und nach einem Vortrag einer Journalistin war ich erschüttert, wie vielzählig diese sich im ländlichen Raum in Norddeutschland schon niedergelassen hatten und wie szeneübergreifend vernetzt die Rechten sind.

2016 gründeten wir mit anderen Solawis aus Mecklenburg-Vorpommern eine Regionalgruppe und da hörte ich zum ersten Mal von der Problematik, dass hier eine solidarische Landwirtschaft von völkischen Bauern betrieben wird, die der benachbarten Gruppe Schwierigkeiten machte und das öffentliche Bild von solidarischer Landwirtschaft in dieser Region bereits nach rechts verzerrte. Das wollten wir so nicht hinnehmen. Aus den Ideen, die wir in der Regionalgruppe entwickelten, entstand auf einem der großen Netzwerktreffen die AG mit dem etwas holprigen Namen »Umgang mit rechten Tendenzen im Solawi-Netzwerk«. Es gab auch in einigen anderen Regionen ähnliche Vorfälle in Solawi-Gruppen. Oft waren das Mitglieder, die aufgrund ihrer extremen Einstellung Probleme machten, von germanischer Medizin über Anastasia bis zur AfD. Im Austausch darüber wurde uns schnell klar, wie »anschlussfähig« das Konzept der solidarischen Landwirtschaft für öko-landwirtschaftliche Gruppen und Einzelpersonen aus dem rechten Spektrum ist.

»Anschlussfähig« für Rechte

In der Arbeit der Regionalgruppe zeigte sich schon, wie raumeinnehmend das Thema mit den rechten Bäuer*innen war. In Kooperation mit der AG ging es vor allem um diese Fragen: Wie werden wir Gruppen, mit denen wir aus politischen Gründen nicht zusammenarbeiten wollen, wieder los? Wie positionieren wir uns als Netzwerk, damit in Zukunft solche Initiativen gar nicht erst mitmachen wollen? Und wie erkennen wir überhaupt, dass eine Gruppe rechtslastig ist? Wie sensibilisieren wir Solawis und Initiativen für dieses Thema?

Als wir die Arbeit auf der Netzwerktagung vorstellten, war ich überrascht über die unterschiedlichen Reaktionen der Teilnehmer*innen. Ich bin von dem Konglomerat an verschiedensten Menschen und der Stimmung auf den Tagungen immer wieder total begeistert, weil Solawi so unglaublich unterschiedliche Persönlichkeiten scheinbar mühelos vereint. Aber dass ich neben der »Anteilnahme« von Menschen aus den westlichen Bundesländern, die das als Ost-Problem verorten, auch noch einzelne Diskussionen führen musste, dass Solawi doch bitteschön unpolitisch ist und bleiben soll, und wenn wir jetzt die Rechten loswerden wollen, wir auch gerechterweise die Linken ausgrenzen sollten, hat mich dann doch ganz schön überrumpelt und angestrengt. Glücklicher weise war der Haupttenor eine breite Unterstützung und Anerkennung, dass wir uns als AG Gedanken machen.

Ablehnung von Rassismus

Die Strukturen waren schon gut angelegt – in den Statuten des Netzwerks steht ein klares Bekenntnis zu Humanismus, Völkerverständigung, Internationalismus und den Menschenrechten und eine klare Ablehnung von rassistischen, menschenverachtenden und diskriminierenden Bestrebungen. Also galt es, das sichtbarer zu machen, den Einstieg ins Netzwerk nicht gar so niederschwellig zu gestalten und die rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen, Menschen und Gruppen auszuschließen, die im Widerspruch zu diesen Grundsätzen handeln. Ein weiterer Ansatz ist, Initiativen und Neugründungen für das Thema der rechten Ökologen zu sensibilisieren, ihnen dazu Material an die Hand zu geben und Beratungsmöglichkeiten anzubieten.

Aber hier sind wir nun wieder bei der allseits bekannten Problematik der Selbstorganisation: die Zeit. In den AG Treffen sitzen tolle, engagierte Leute aus ganz Deutschland, mit einer Menge Hintergrundwissen und guten Ideen. Aber allein einen gemeinsamen Termin oder Ort für weitere Treffen zu finden, ist schon schwierig, genauso wie die Zeit, einzeln an den verteilten Aufgaben weiterzuarbeiten. Die Unterstützung von der Koordination des Netzwerks und von den Ratsmitgliedern ist groß, allerdings sieht es dort ähnlich aus, was die Kapazitäten angeht.

Im Falle der völkischen Bauern haben wir uns als Regionalgruppe von Experten beraten lassen, was ich als sehr kompetent, hilfreich und vor allem notwendig empfunden habe. Die »Völkischen« sind bekannt, sehr strategisch zu agieren, mit einer Menge eigener Netzwerke im Hintergrund.

Zurück ins Wohnzimmer der Bäuer*innen: Das Gespräch vor Ort habe ich als ziemlich absurdes »Bauerntheater« in Erinnerung. Trotz all der Informationen, die wir teils aus erster Hand über die politischen Machenschaften und Einstellungen hatten, wurde bis zuletzt alles abgestritten und die Vorwurfsebene umgedreht. Als dann die Aussage kam, wir als Netzwerk hätten kein Rückgrat und wären nicht besser als die im Dritten Reich, da wurden auch alle aussortiert, die nicht ins Bild gepasst haben, hatte ich das dringende Bedürfnis, laut zu schreien oder zumindest so schnell wie möglich wieder wegzugehen.

Mit Rechten reden?!

Wir Besucher sind bewusst auf der Sachebene geblieben und haben versucht, uns nicht in Diskussionen verstricken zu lassen. Ob sie verstanden haben, warum wir nicht mit ihnen gemeinsame Sache machen wollen, werde ich wohl nie erfahren.

Leider ist nicht viel passiert, das Logo des Netzwerks solidarische Landwirtschaft hat die Gruppe erst Monate später, nach mehrmaliger Aufforderung und Androhung von rechtlichen Schritten von ihrer Internetseite genommen, den Namen wollen sie nicht ändern (hier besteht leider auch keine rechtliche Handhabe) und in der Öffentlichkeit und vermutlich auch ihren Mitgliedern gegenüber stellen sie sich nach wie vor als Opfer einer Presse-Propaganda dar.

Der Spaß geht also weiter. Aktuelle Ereignisse der letzten Wochen zwingen uns wieder zu reagieren, obwohl es mir lieber wäre, mehr Energie in die AG-Arbeit zu stecken und daran mitzuwirken, dass das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft sich sichtbarer positioniert gegen mögliche Infiltrierung von rechts und somit diese Erfahrungen Einzelfälle bleiben.

An dieser Stelle möchte ich noch den Journalist*innen meine große Anerkennung aussprechen, die sich die rechten Machenschaften zu ihrem Schwerpunktthema gemacht haben. Sie beschäftigen sich teilweise seit Jahren mit nichts anderem und unterstützen die Arbeit von gegen rechts engagierten Menschen mit wirklich guter Recherche. Ich ziehe meinen Hut vor ihnen, denn ich habe selbst erfahren, wie raumeinnehmend und undankbar diese Thematik ist und wie wichtig und hilfreich eine gute Beobachtung der Szene.

Link: www.solidarische-landwirtschaft.org

Mailingliste

Einfach hier eintragen:
lists.contraste.org/sympa/info/contraste-liste

Die Umgangsfomen zwischen den NutzerInnen dieser Liste haben wir in einer Netiquette festgelegt.


Schnupperabo

CONTRASTE kann einmalig zum Sonderpreis von 9 € drei Monate lang "beschnuppert" werden. Dieses Schnupperabo endet automatisch und muss nicht gekündigt werden. Hier bestellen ...


Lest Contraste

CONTRASTE kostet im Abo 45 Euro (europ. Ausland 51). Oder Ihr könnt Fördermitglied werden: Mindestbeitrag 70 Euro. Hier abonnieren oder beitreten.


Lexikon der Anarchie

Was bedeutet eigentlich Selbstverwaltung?
Hier könnt ihr es nachlesen.