Es ist wieder Donnerstag!

Seit fast einem Jahr ist in Österreich die rechtsextreme FPÖ in der Regierung und hat mit Innen-, Justiz- und Verteidigungsminister Schlüsselministerien in der Hand. Nun endlich löst sich die Schockstarre von Linken und Liberalen – es ist wieder Donnerstag!

Brigitte Kratzwald, Redaktion Graz

Als im Jahr 2000 die ÖVP als zweitstärkste Partei die drittplatzierte FPÖ als Koalitionspartner in die Regierung holte, zogen die bereits legendären Donnerstagsdemos länger als ein Jahr durch Wien, die »Botschaft besorgter BürgerInnen« hielt auf dem Ballhausplatz vor dem Bundeskanzleramt ebenso lange Tag und Nacht die Stellung. Schließlich ohne Erfolg, an den Folgen der damaligen Regierung arbeiten sich Gerichte und SteuerzahlerInnen bis heute ab.

Diesmal war es anders. Das Wahlergebnis war eindeutig, Die FPÖ hatte 26 Prozent der Stimmen erhalten und mit der SPÖ gleichgezogen, eine Koalition mit den Wahlgewinnern, den »Türkisen« um Sebastian Kurz, eine logische Konsequenz. Die bisherige Politik zeigt eine klare konservative Handschrift: Umverteilung nach oben, »Sozialschmarotzer«-Bashing, Wirtschaft vor Umwelt und vor allem EU-Außengrenzen schließen. Das wirklich Bedrohliche an dieser Regierung ist aber nicht ihre Politik, sondern die Umfärbung wichtiger Positionen im Staat, die Besetzung mit Burschenschaftern und Menschen aus dem Umfeld der Neonazi-Szene, die Hetze gegen Flüchtlinge, ständige verbale Angriffe auf Medien, auf Demokratie und Rechtsstaat. Die Zivilgesellschaft schien lange kein Mittel dagegen zu finden.

Der Sommer bot offenbar Zeit zum Durchatmen und Orientieren. Denn im beliebten Wiener »Gänsehäufel«, einem Strandbad an der Alten Donau, begann die Organisierung. Einzelpersonen seien es gewesen, viele aus dem Kunstbereich, viele Frauen, viele MigrantInnen, sagt Michaela Moser, eine der ProponentInnen. Man wollte die »Unorganisierten« zusammenbringen und denjenigen eine Bühne bieten, die am härtesten von der derzeitigen Politik betroffen sind. Und man schloß an die Tradition der Donnerstagsdemos an.

So hieß es endlich am 4. Oktober »Es ist wieder Donnerstag!« und »wir sind wieder do!«. »Wir zeigen gemeinsam, was wir von Schwarz-Blau und seiner Politik halten – nämlich gar nix«. 20.000 Menschen versammelten sich auf dem Ballhausplatz zu einem lauten, aber friedlichen Protest. Musik und Redebeiträge wechselten sich ab. »Samba tanzend, folgen wir nicht der Musik der Gewalt. Üben wir uns in Widerstand, in Widerspruch, in Ungehorsam«, rief Rubia Salgado, Linzerin mit brasilianischen Wurzeln und Mitbegründerin von »maiz«, dem Autonomen Zentrum von & für Migrantinnen, in ihrer großartigen Rede in die Menge.

Eine Woche später zog wieder ein Demonstrationszug durch Wien, wenn auch etwas weniger zahlreich. Am 18. Oktober wurde der Protestevent von #KlappeAuf organisiert, einer Initiative von über 100 österreichische FilmemacherInnen. Sie starteten mit einem Filmscreening am Stephansplatz unter dem Motto »gegen Verhetzung und Entsolidarisierung« und konnten wieder mehr als 10.000 Menschen mobilisieren. Und es geht weiter.

Die Aktivistin @matahari_etc beschreibt es auf Twitter so:

- do! zu sein bedeutet für mich dem Eskapismus zu widerstehen, selbst wenn es verführerisch ist, mit den eigenen Privilegien im Gepäck, die Welt da draußen vorbeiziehen zu lassen.

- do! zu sein, bedeutet den Kampf um Demokratie aufzunehmen und errungene Freiheiten zu verteidigen und Missstände aufzuzeigen.

- do! ist sicherlich Protest, vielleicht aber bald auch als ein bewegter Ort der demokratischen Schule zu begreifen. Ein Ort, der sich selbst in seiner Vielfalt mehr und mehr zusammensetzt, um die Auseinandersetzung zu ermöglichen, die meist fehlt.

- Solidarität mit den Uneigenen entsteht an diesen Orten. Da bin ich mir sicher. Und dann sind wir vielleicht wirklich #fixzam,

was auf gut Wienerisch soviel bedeutet wie: dann können wir wirklich dauerhafte Bündnisse schmieden – vielleicht.

Link: wiederdonnerstag.at

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