Energieversorgung demokratisieren, den Wald und das Klima retten

Solidaritätsbekundung mit der Waldbesetzung. Foto: Ende Gelände Ortsgruppe Göttingen

Kristallisationspunkt Hambacher Forst

Der Widerstand gegen den Braunkohletagebau richtet sich nicht nur gegen die weitere Nutzung dieser fossilen Energie, er tritt auch für eine faire und demokratische Strompolitik ein.

Robin Herbst, »Ende Gelände«

Ab dem 14. Oktober will der KohleKonzern RWE die Reste eines 12.000 Jahre alten Waldes roden. Der Braunkohle-Tagebau Hambach soll erweitert und die Braunkohle, die unter dem Wald liegt, verbrannt werden. Braunkohle ist der ineffizienteste, klima- und umweltschädlichste Energieträger. Unter Missachtung aller Klimaziele will RWE dennoch weiterhin Strom daraus gewinnen, obwohl die Überproduktion schon jetzt die Netze verstopft und die Energiewende behindert. »Ende Gelände« kämpft zusammen mit Anwohner*innen aus dem Rheinland, Wald-Bewohner*innen, NGOs und Klimagerechtigkeits-Aktivist*innen aus ganz Europa für den Hambacher Forst und den sofortigen Kohleausstieg.

Im vergangenen Winter wurde die Rodung zunächst vom Oberverwaltungsgericht Münster und dann von der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen gestoppt. Diesen Herbst kann die Rodung endgültig beendet werden. Das ist dann der Anfang vom Ende für den Tagebau Hambach – und damit der erste Schritt für den dringend notwendigen Kohleausstieg.

Dem Bündnis »Ende Gelände« geht es aber um mehr. Es geht um Gerechtigkeit: für die Ärmsten im globalen Süden, deren Lebensgrundlagen zerstört werden, obwohl es vor allem reiche Menschen im globalen Norden sind, die mit ihrem Lebensstil den Planeten erhitzen; für die Menschen in Braunkohle-Revieren wie dem Rheinland, deren Häuser, Schulen und Kirchen abgerissen werden, um darunter nach Kohle zu graben; und Gerechtigkeit bei der Energieversorgung, damit nicht länger die Rüstungs- und Automobil-Industrie Zugang zu günstigem Strom hat, während jährlich mehr als 300.000 Menschen der Strom abgeklemmt wird.

Erneuerbare Energie für alle und bezahlbar

Die Mehrheit der Menschen in Deutschland steht zur Energiewende und will den Kohleausstieg. Als »Prosument*innen« wollen sie ihren eigenen Strom produzieren und konsumieren. Die Bundesregierung handelt jedoch im Sinne der Konzerne: Die Förderung für Bürgerenergie und Mieterstrom ist zusammengestrichen worden; der Strompreis hat sich für private Haushalte seit dem Jahr 2000 mehr als verdoppelt. Großbetriebe verbrauchen 18 Prozent des Stroms, tragen aber nur 0,3 Prozent der Kosten für die Förderung von Erneuerbaren Energien. Bei den Netzentgelten zahlen private Haushalte mit geringem Stromverbrauch sechs Mal so viel wie Industriebetriebe. Die Schere zwischen Arm und Reich geht also auch im Energiesektor immer weiter auseinander.

In Deutschland existiert trotz zahlreicher Ökostrom-Anbieter noch immer ein Oligopol der »großen vier« Energiekonzerne RWE, Eon, Vattenfall und EnBW, die zusammen nicht nur mehr als die Hälfte des Strommarktes dominieren, sondern die auch die Stromnetze unter sich aufteilen. Der Deal zwischen RWE und Eon, die Zerschlagung der RWE-Tochter Innogy, vergrößert die Marktdominanz sogar: RWE will sich um die Stromerzeugung kümmern – auch weiterhin mithilfe dreckiger Braunkohle aus dem Rheinland – und Eon besitzt dann insgesamt 1,5 Millionen Kilometer Strom- und Gasnetze.

Globaler Klassenkampf im Hambacher Forst

Durch den Eon-RWE-Deal werden 5.000 Arbeitsplätze wegfallen. Hier zeigt sich, dass die Energiekonzerne nie am Erhalt von Arbeitsplätzen interessiert sind, sondern immer nur an Profitsteigerung. Immer mehr Gewerkschafter*innen sprechen sich mittlerweile für die Energiewende aus. Zuletzt haben die Gewerkschaft der Polizei und ver.di NRW einen Rodungsstopp für den Hambacher Forst gefordert. Auch mit der Braunkohle-Gewerkschaft IG BCE suchen Menschen aus der Klimagerechtigkeits-Bewegung seit vielen Jahren den Dialog.

Die Angst vor einem plötzlichen Jobverlust ist verständlich und muss ernst genommen werden. Fest steht aber: Echte Klimagerechtigkeit braucht einen Klassenkampf, der die wichtigen Definitionen aus dem 19. Jahrhundert für den heutigen Kontext erweitert und der globale Gerechtigkeit zum Ziel hat. Wir müssen die Stromkonzerne entmachten und den Menschen die Souveränität über die Energieversorgung selbst in die Hand geben – in Solidarität mit allen, die im globalen Süden ihre Lebensgrundlage verlieren und mit allen, die hierzulande ihre Stromrechnungen nicht mehr zahlen können. »Ende Gelände« steht für dezentrale Erzeugung und Einspeisung von erneuerbaren Energien, weniger Stromverbrauch vor allem in der Industrie, Stromnetze, die gemeinschaftlich betrieben und verwaltet werden. Das stellt das kapitalistische System in Frage. Und genau darum geht es: Wer Klimagerechtigkeit will, muss den Kapitalismus überwinden und eine grundlegende Transformation der Gesellschaft einleiten.

Der Hambacher Forst ist diesen Herbst der Kristallisationspunkt für diese Forderungen (siehe Seite 3). Gleichzeitig werden hier die Grundrechte auf Protest gegen eine willkürlich handelnde Polizei NRW und den Rodungs-Innenminister Herbert Reul verteidigt. Um den Wald zu retten, braucht es jetzt unseren Einsatz: Wir müssen uns mit unseren Körpern schützend zwischen die Kettensägen von RWE und die Bäume im Hambacher Forst stellen. Und wir müssen viele sein. Dann können wir es schaffen.

Lest dazu auch das Interview auf Seite 3.

 

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