»Grundsätzlich und für immer«

Ende Gelände im Tagebau Hambach im November 2017. Foto: Christian Bock

Als am 6. September der erste Baum im Hambacher Forst am Rand der rheinischen Braunkohlegrube gefällt wurde, riefen das Aktionsbündnis »Ende Gelände«, die »Aktion Unterholz«, die Bürger*inneninitiative »Buirer für Buir« und die Aktivistas der Waldbesetzung den »Tag X« aus. Contraste-Redakteurin Ariane Dettloff hat an diesem Tag mit der Pressesprecherin von »Ende Gelände«, Karolina Drzewo, über deren Einschätzung und die Planungen des Bündnisses gesprochen.

Wie war die Situation am »Tag X« im besetzten Hambacher Forst?

Karolina Drzweo: Die Polizei ist mit RWE-Mitarbeiter*innen wiederholt in den Wald eingedrungen, um deren Räumungsarbeiten fortzusetzen. Heute zerstörten sie auch zum ersten Mal Teile eines Baumhauses. Dafür ist ein Baum bereits gefällt worden und die schweren Maschinen haben weitere Schäden am Wald verursacht. Damit haben wir entschieden, dass nun »Tag X« ist, das heißt, wir werden uns der Räumung nun entgegenstellen.

Wer ist denn »Wir«?

»Ende Gelände« ist ein bundesweites Bündnis, das mit Aktionen Zivilen Ungehorsams den sofortigen Kohleausstieg fordert. Und das Aktionsbündnis »Unterholz« hat sich hier in NRW gegründet, um handlungsfähig zu sein, wenn RWE mit Hilfe der Polizei die Waldbesetzung angreifen und mit Räumungsarbeiten den Wald zerstören sollte.

Gibt es noch weitere Unterstützer*innen?

Ja, insgesamt ist der Widerstand gegen das Abbaggern der Braunkohle hier sehr breit. Wir haben heute eine Pressekonferenz abgehalten zusammen mit der Bürgerinitiative »Buirer für Buir«, der »Aktion Unterholz« und einem Aktivisten aus der Waldbesetzung. Außer Natur- und Klimaschützer*innen ist auch das globalisierungskritische Netzwerk »attac« dabei. Selbst die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock hat gesagt, man solle »reden statt roden«. Der Katholikenrat der Region Düren will eine Prozession durch den Wald »für den Fortbestand unserer Erde« organisieren. Es soll ein »Familientag« im Forst stattfinden. Unsere Protestformen sind vielfältig – einige organisieren Waldspaziergänge. Unsere Vielfältigkeit ist ein Ausdruck unserer Stärke.

Was motiviert euch für euren massiven Widerstand?

Wir sagen als Aktionsbündnis, dass die Klimakrise ein so dringendes Problem ist (gerade hat die Dürre dieses Sommers dies wieder deutlich gemacht), dass wir den notwendigen Druck für den Erhalt des Waldes aufbauen müssen.

Was habt ihr denn nach dem »Tag X« konkret geplant?

»Ende Gelände« wird die direkten Aktionen von »Aktion Unterholz« unterstützen. Sollte RWE unseren Forderungen nachkommen und mit der Räumung aufhören, wird »Aktion Unterholz« die zerstörten Strukturen wieder aufbauen. Wir werden als Zivilgesellschaft, als soziale Bewegung in den Wald zurückkehren und ihn wieder aufbauen.

Zunächst ist der Beginn der Rodung laut RWE auf den 14. Oktober verschoben worden?

Ja, RWE hat heute verkünden lassen, dass sie die Rodungsarbeiten erstmal aufschieben. Gleichzeitig haben sie gestern und heute einen massiven Polizeieinsatz mit verantwortet, der dazu geführt hat, dass heute der erste Baum gefällt wurde. Für uns ist völlig klar, dass wir weiter kämpfen, bis RWE und eigentlich die Landes- und Bundesregierung garantieren, dass der Hambacher Forst grundsätzlich und für immer stehen bleibt und dass auch keine weiteren »Räumungsarbeiten« stattfinden.

Was bedeutet es, dass der Hambacher Wald zum »Gefahrengebiet« erklärt worden ist?

Das ist ein Puzzle-Stück der Eskalationsstrategie von RWE, die wir in den letzten Wochen erfahren haben. Es wurde ein »gefährliches Gebiet« ausgerufen. Es ist allerdings nicht klar und wird nicht erläutert, für welche Zonen das tatsächlich gilt. Es bleibt völlig unklar, was die Begründung dafür ist, auf welches Gebiet sich das erstreckt und mit welcher Rechtfertigung die Polizei sogar mit gezogener Waffe hier Menschen anhält und durchsucht. Was hier die Gefahr sein soll, sind bunte gemeinsam aufgebaute Holzhäuser, die dann beschlagnahmt werden oder zum Beispiel auch Malutensilien...und sogar Wasser, Lebensmittel und Küchengerätschaften – lebensnotwendige Dinge für die Menschen, die hier im Wald leben

Ich habe gelesen, es seien auch »Geschosse« gefunden worden – was ist damit gemeint?

Zu der Strategie, um unseren Protest für Klimagerechtigkeit zu kriminalisieren, gehört auch, dass die Polizei immer wieder verlautet, was für gefährliche Gegenstände sie hier findet. Da ist es wichtig, einen genaueren Blick drauf zu werfen. Es hat sich kürzlich erst gezeigt, dass die Polizei oder das Innenministerium unter anderen Bilder von vor zwei Jahren veröffentlicht hat.

Die Aktivist*innen verstehen den Widerstand gegen den Braunkohletagebau auch als politisches Projekt: »Freiräume weltweit schaffen, Alternativen zum Kapitalismus aufzeigen«. Unterstützt »Ende Gelände« das auch?

Ja, wir von »Ende Gelände« fordern den sofortigen Kohleausstieg als Maßnahme für Klimagerechtigkeit. Klimagerechtigkeit bedeutet für uns, dass wir in einer anderen Welt leben wollen, wo unser kapitalistisches Wirtschaftssystem nicht mehr so fortgeführt wird, weil es immer auf Kosten von Menschen und Natur geht. Und eine klimagerechte Welt muss auch antirassistisch und feministisch sein. Unser Einsatz für Klimagerechtigkeit ist auf jeden Fall ein Einsatz für eine weltweit gerechtere Gesellschaft.

Es können ja nicht alle nach Hambach kommen – was kann mensch noch tun?

Es ist immer möglich, dass Menschen an dem Ort, an dem sie leben, sich solidarisch zeigen mit dem Protest hier am Tagebau Hambach und zum Beispiel Mahnwachen organisieren, Solidaritätsfotos machen – dem kreativen und vielfältigen Protest an vielen verschiedenen Orten sind keine Grenzen gesetzt.

Wie geht der Protest in Hambach jetzt weiter?

»Ende Gelände« blockiert vom 25. bis 29. Oktober hier am Tagebau die Kohleinfrastruktur. Zusätzlich haben wir aufgrund der Verschärfung der Situation durch RWEs Handeln entschieden, uns auch Anfang Oktober mit Aktionen Zivilen Ungehorsams für den Erhalt des Hambacher Forstes einzusetzen und den sofortigen Kohleausstieg zu fordern.

Für den 6. Oktober sind nicht nur Aktionen von »Ende Gelände« geplant, sondern auch eine Demo unter dem Motto »Wald retten! Kohle stoppen« (12 Uhr, Bahnhof Buir).

Link: www.ende-gelaende.org

Lest dazu auch Seite 8.

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