Musik auf der Atombomben-Startbahn

Friedenszeugnis auf Airbase von Quäker*innen und Freund*innen. Foto: Quäker-Netzwerk

Die Rollbahn des Luftgeschwaders 33 in Büchel in der Eifel war unser Ziel. Wir, das waren am 23. Juli sieben Menschen aus verschiedenen Ecken der Republik, fest entschlossen, Maschendrahtzaun und Nato-Draht hinter uns zu lassen und den Flugbetrieb der Bundeswehr-»Tornados« zu behindern.

Ariane Dettloff, Redaktion Köln

Alltäglich üben sie in Büchel den Atomkrieg. Deutsche Piloten trainieren das Ausklinken der US-Atombomben B61 gegen den »Feind«. »Nukleare Teilhabe« nennt sich dies. Die Bundesregierung hält daran eisern fest, obwohl es gegen den Atomwaffensperrvertrag (NPT – Nonproliferation Treaty) verstößt ebenso wie gegen Völkerrecht und Grundgesetz. Auch gegen einen Bundestagsbeschluss von 2010 und den Koalitionsvertrag der CDU/FDP-Regierung von 2009.

Wir sieben Friedensfreund*innen hatten uns zu den Aktionstagen der Quäker am Atomwaffenstandort Büchel eingefunden, um im Rahmen der Kampagne »Büchel ist überall – atomwaffenfrei jetzt« gegen den Skandal der fortgesetzten Atomkriegsübung zu protestieren. Zwei Tage lang bereiteten wir uns in einem nahe gelegenen Tagungshaus darauf vor. Mit dabei waren Vertreter*innen des Netzwerks Friedenssteuer und von IPPNW (Internationale Ärzte gegen den Atomkrieg – International Physicians for the Prevention of Nuclear War) sowie Pax Christi. Es waren also gleich drei Organisationen am extra-legalen Go-in beteiligt, die mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden sind: neben der IPPNW auch die Kampagne »Büchel ist überall – atomwaffenfrei jetzt« als Mitglied von ICAN (International Coalition against Nuclear Weapons) und die Quäker – Religiöse Gesellschaft der Freunde.

Als wir am vereinbarten Ort eintrafen, stand die Umzäunung bereits einladend offen. »Tag der Offenen Tür«, konstatierte ein Unterstützer ironisch. Die Seitenschneider-Expert*innen blieben anonym. Wir aber wollten unsere Identität nicht verstecken. Kaum waren wir auf der Start- und Landebahn, warfen wir uns in Festtagskleidung. Wir entrollten unser Banner und die Pace-Fahne, stellten den Notenständer auf den tristen Asphalt, Susanne griff in die Tasten ihres Akkordeons, Miriam blies die Querflöte und wir intonierten den US-amerikanischen Klassiker der Friedens- und Bürgerrechtsbewegung »We shall overcome« und weitere Peace-Songs. Zwischendurch warfen wir »Saatbomben statt Atombomben« ins Gelände. Lebenszeichen statt Todespiste waren angesagt.

Nun ja, nicht allzu lange währte die Freude. Nach rund fünfzehn Minuten erschien ein Fahrzeug der »Luft­sicherheit«. Der Fahrer stieg aus und forderte die Musikant*innen auf, die Rollbahn zu verlassen. Wir musizierten und sangen weiter. Der Sicherheitsbeauftragte stieg wieder ein und zückte sein Handy. Jetzt war uns klar, dass keine Gefahr mehr bestand, dass etwa ein Kampf-Jet starten könnte. Außerdem war wohl wie vereinbart rechtzeitig bei Bundeswehr und Polizei der Warn-Anruf unserer Unterstützer*innen eingegangen: »Vorsicht, es sind Personen auf der Rollbahn – bitte den Flugverkehr sofort stoppen!«

Die herbeitelefonierte Verstärkung erschien nun auf dem Rollfeld. Ein Dutzend Bundeswehr-Soldaten (einer mit Maschinengewehr) umstellte die Protestierenden. Ein freundlicher Feldwebel forderte uns auf mitzukommen. Wir hätten ja nun unser Demonstrationsrecht wahrgenommen. Wir folgten seiner Einladung, in die bereitgestellten Transporter einzusteigen. Sie fuhren uns zum Haupttor, wo die Polizei uns erwartete. Same procedure as every time – so hatte man uns das übliche Vorgehen im Vorhinein geschildert, auch die nun folgende erkennungsdienstliche Behandlung. Der vorgesetzte Polizist plauderte aufgeräumt mit uns »Delinquenten«. Miriam erzählte, dass sie aus der DDR stamme, die ohne Zivilen Ungehorsam wohl heute noch existieren würde. Brigitte betonte gegenüber den jungen Soldaten, sie könne altersmäßig wohl ihre Großmutter sein und erzeugte verlegene Mienen. Alle wiesen wir auf das große Unrecht der Atomkriegsüberei hin, an dem sie sich doch bitte nicht weiterhin beteiligen mögen. Unser Transparent mit der Aufforderung »Atombomben abschaffen JETZT!« rollten wir ein, es wird sicher wieder verwendet werden. Drei Ziele haben wir mit unserer Aktion Zivilen Ungehorsams verfolgt:

  • Den illegalen Atomkriegs-Übungs-­Betrieb behindern
  • Auf das Unrecht der Stationierung von Atombomben in Deutschland aufmerksam machen und eine Prozess-Kampagne bis zum Verfassungsgericht in Gang setzen
  • Eine möglichst breite Medienpräsenz erreichen

Das konnten wir realisieren. Anklagen nicht nur wegen vermuteter »Sachbeschädigung«, angeblichem »Hausfriedensbruch« und diesmal auch vorgeblich »gefährlichem Eingriff in den Luftverkehr« hat die Bundeswehr in Aussicht gestellt. Letztere Anklage hat wohl auch dazu geführt, dass diesmal auch bundesweit in Mainstream-Medien berichtet worden ist. »Der Spiegel«, »Die Zeit«, »Die Welt«, die »Süddeutsche Zeitung«, der »Focus« und das »ZDF« u.a. haben unsere Aktion bekannt gemacht. Die kommenden Gerichtsverhandlungen werden weiterhin Anlass für Diskussionen liefern. Wir werden den »rechtfertigenden Notstand« zu unserer Verteidigung anführen und unsere Überzeugung, dass Ziviler Ungehorsam nötig ist, um grundlegende Veränderungen zu erreichen. Das haben die Frauenrechtlerinnen in England ebenso gezeigt wie Gandhis antikolonialistische Gesetzesübertretungen in Indien, die Bürgerrechtler*innen in den USA mit Martin Luther King wie die Dissident*innen in der DDR vor der »Wende« – auch wenn immer noch nicht alle Ziele dieser Bewegungen umgesetzt sind. Wir müssen noch viel viel mehr werden, die etwas wagen.

Der Kampf geht weiter. Ein Etappenziel: Unterzeichnung des 2017 von 122 Staaten beschlossenen Atomwaffenverbotsvertrags der Vereinten Nationen durch die Bundesregierung.

Spenden für die Prozesskampagne »Wider§pruch« können überwiesen werden auf folgendes Konto: Kurve Wustrow, Stichwort: Wider§pruch, IBAN: DE23 4306 0967 2041 6468 01, BIC: GENODEM1GLS

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