Bier für den Kiez

Die Berliner sind stolz auf den Kiez, in dem sie wohnen – ja vielleicht sogar geboren und aufgewachsen sind. Da ist es schon fast selbstverständlich, dass man sich für seinen einsetzt, keine Frage! Und wenn man ganz einfach bei einem gemütlichen Bier mit Freunden seinen Beitrag leisten kann, umso besser. Quartiermeister macht es mit seinem Bier möglich.

Von Tanja Büttner und Alexander Wenzel

Bier hat an sich schon einen sozialen Charakter. Warum dieses Potenzial nicht noch weiter ausschöpfen und mit dem Vertrieb von Bier soziale Projekte am eigenen Lebensmittelpunkt unterstützen? Genau das macht das Sozialunternehmen Quartiermeister. Von seinem Sitz im schönen Berlin-Kreuzberg verkauft Quartiermeister sein Bier und fördert mit dem Erlös soziale Projekte im Kiez.

Ein Sozialunternehmen deshalb, weil es nicht um Gewinnmaximierung oder übermäßige Expansion geht. Das Gemeinwohl steht im Vordergrund. »Weg von Geld als Kennzahl hin zu Gemeinwohl als Kennzahl« ist die Devise, erklärt David Griedelbach, Mitgründer und Geschäftsführer von Quartiermeister. Deshalb hat sich die Quartiermeister GbR auch von der Gemeinwohl-Ökonomie bilanzieren lassen. Gemessen wird anhand von Parametern wie Solidarität, Menschenwürde, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit sowie demokratische Mitbestimmung und Transparenz in Bezug auf das Unternehmen, die Stakeholder und die Shareholder.

Die Idee zu Quartiermeister kam Sebastian Jakob im Jahr 2010. Das Konzept: Menschen können sich sozial engagieren, ohne dass sie mehr Zeit und Geld investieren müssen. Also ein allgemein konsumiertes Produkt mit einem sozialem Mehrwert zu verbinden. 2012 fand sich Quartiermeister in einer wahrlich meisterhaften Krise wieder. Die Brauerei, welche das Bier lieferte, meldete Insolvenz an und der Gründer stieg aus. Aber das Team gab nicht auf. Mit viel Motivation und einem neuen Bier wurde Stück für Stück das Sozialunternehmen aufgebaut. Aus dem zu Anfang noch ehrenamtlich geführten Studentenprojekt ist ein Sozialunternehmen geworden, welches seine Mitarbeiter bezahlen kann und dazu gemeinnützige Projekte unterstützt. Derzeit arbeiten acht festangestellte Leute im Unternehmen und über 25 im Verein als ehrenamtliche, aktive Mitglieder.

Im Grunde hat Quartiermeister zwei Ziele: Als übergeordnetes Ziel wird die Veränderung von Wirtschaft und dem Wirtschaftsbegriff an sich gesehen. Profitmaximierung soll durch ein nachhaltiges und vor allem langfristiges Engagement der Unternehmen innerhalb des Wirtschaftsbegriffs ersetzt werden. Dazu ist es wichtig, regional zu arbeiten, die eigenen Handlungen stetig selbst zu hinterfragen sowie nachhaltig und transparent zu wirtschaften.

Das untergeordnete und damit sozusagen das Zwischenziel auf dem Weg dorthin ist die Förderung von Projekten in Kiezen, in denen das Quartiermeister-Bier getrunken wird. Von der Gründung bis heute wurden schon mehr als 100 Projekte aus verschiedensten Hintergründen mit insgesamt über 100.000 Euro in Berlin und anderen Städten (Dresden, Leipzig, und München) gefördert. Mit jeweils 1.000 Euro unterstützte Quartiermeister zum Beispiel die Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge, die Kotti Paten und den Deutschkurs im Bethanien Kreuzberg.

Die Fördergelder werden quartalsweise verteilt. Projekte und Initiativen können sich ganz leicht über das Onlineformular auf der Website von Quartiermeister bewerben. Zunächst werden die Bewerbungen vom Verein unter festgelegten Förderrichtlinien gesichtet und acht Projekte für die Onlineabstimmung ausgewählt. In zwei Abstimmungsrunden wählt die Community online ihre Lieblingsprojekte aus. Die beiden Gewinner werden mit jeweils 1.000 Euro aus den Einnahmen des vorangegangenen Quartals gefördert.

Gebraut wird das Quartiermeister-Bier in der Stadtbrauerei Wittichenau. Diese ist familiengeführt, unabhängig und regional-verankert, was in und um Berlin schon eine Seltenheit darstellt. Während das Quartiermeister-Bier ein Originalprodukt der Stadtbrauerei ist, wird das Bio-Bier nach einem quartiermeistereigenen Rezept gebraut. Ein selbst entwickeltes Bier mit dem unternehmenseigenen Charakter, welches das Produkt noch nachhaltiger gestaltet, war die Idee dahinter. Mit einem Braumeister im Team war es außerdem kein Problem, ein hopfig-fruchtiges Bier aus drei Bioaroma-Hopfensorten zu kreieren.

300.000 Liter Bier verkaufte Quartiermeister im Jahr 2016. Das bedeutet, dass 2017 rund 30.000 Euro an Projekte gespendet werden konnte. Mit der Quartiermeister*in will das Unternehmen zudem ein Zeichen gegen Sexismus in der Werbung setzen. Statt einem Mann ist hier eine Frau auf dem Etikett zu sehen. Seit Ende 2017 gibt es zudem ein Bio-Rotbier. Ein alkoholfreies Bier soll bald auf den Markt kommen.

Der Konsum ist da. Das Bier auch. Und Konsum muss nicht schlecht sein. Was fehlt ist ein alternativer Mehrwert für Konsum. Es braucht eine Alternative, bei der die Veränderung nicht weh tut. Sie darf weder teurer sein noch nicht schmecken. Und schon gar nicht doof aussehen. Quartiermeister versucht als soziales Unternehmen, es den Menschen so einfach wie möglich zu machen, am Wandel zu partizipieren. Auf den Wandel!

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