WEGE DER KOOPERATION

Foto: Hubert Perschke

Kooperation bildet eine Grundlage jedes selbstorganisierten Projekts und jeder selbstorganisierten Bewegung. Damit bietet sich das Thema für Contraste fraglos an. Allerdings ist es dermaßen komplex und vielfältig, dass es schwerfällt, es auf unsere vier Schwerpunkt-Seiten einzudampfen. Wir haben versucht, einige wesentliche Aspekte herauszugreifen.

ARIANE DETTLOFF, REDAKTION KÖLN

Auch in der Welt der Konkurrenz um größtmöglichen Gewinn spielt Kooperation eine Rolle und kann als Wettbewerbsvorteil dienen. Doch in unserem Schwerpunkt steht diese nicht im Vordergrund. Vielmehr geht es hier um Kooperation als gemeinschaftliches Zusammenwirken mit dem Ziel größtmöglicher Zufriedenheit aller Beteiligten. Dabei kommen unterschiedlichste Aspekte ins Spiel: (evolutions-)biologische, psychologische, soziologische und ja, auch ökonomische. Letztere allerdings nicht im Sinn des homo oeconomicus eines Adam Smith, vielmehr neuerer theoretischer Ansätze und Grundlagen des Commoning, des Umgangs mit Gemeingütern. Nora Papathanasiou hat Forschungen der Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom zu diesem Thema zusammengefasst. Lorenz Glatz bringt in seinem Beitrag die Unterschiede der kapitalistischen zur freien Kooperation auf den Punkt. Strukturelle Gemeinschaftlichkeit als Rahmenbedingung von Kooperation erläutert der Informatiker und Keimform-Forscher Stefan Meretz.

Darüber hinaus beleuchtet der Schwerpunkt Praxiserfahrungen aus Kooperativen, die ja bereits im Titel die besondere Umgangsweise miteinander hervorheben. Eva aus der Kooperative Longo mai berichtet aus deren Erfahrungsschatz bei der generationenübergreifenden gemeinschaftlichen Herstellung von ökologisch produzierten Wollsachen in Südfrankreich. Rainer Kippe, Gründungsmitglied der »Sozialistischen Selbsthilfe Mülheim« (SSM) steuert seine Sicht der Kooperation in diesem selbstorganisierten Projekt bei.

Welche Rolle bei all dem unsere Gene spielen, ist umstritten. Spricht etwa der US-amerikanische Evolutionsbiologe Richard Dawkins vom »egoistischen Gen«, das ganz im Sinn von Charles Darwins »Kampf ums Dasein« agiere, betont der deutsche Mediziner und Sachbuchautor Joachim Bauer, Gene seien hochgradig kooperative Systeme.

Der Botenstoff Oxytocin, haben Biologen ermittelt, wird regelmäßig ausgeschüttet, wenn sich Menschen kooperativ und altruistisch verhalten. Dieses »Bindungshormon« befördert nicht nur liebevolle Sexualität, sondern auch soziale Bindungen ganz allgemein. Es schafft Voraussetzungen für Vertrauen und Zusammenarbeit, wirkt stressmindernd und angstlösend. Seine wohltuende Wirkung ist, lässt sich vermuten, mitverantwortlich gewesen für die Beteiligung Zehntausender an der Entwicklung des Open Source Computersystems Linux. An der Internet-Enzyklopädie Wikipedia sind sogar weit über 100.000 Freiwillige aus aller Welt beteiligt, ganz ohne Geldlohn.

»Die Geschichte der Menschheit begann mit einer altruistischen Revolution«, schreibt Wissenschaftsautor Stefan Klein in seinem Buch über den »Sinn des Gebens«: »Unsere Vorfahren fingen an, für ihre Nächsten zu sorgen. Nur gemeinsam hatten sie eine Chance in einer Welt, in der Nahrung knapp wurde, weil das Klima sich wandelte. Heute stehen wir vor einer ähnlichen Schwelle: die Herausforderung ist, Zusammenarbeit in viel größeren Maßstäben zu lernen. Es ist Zeit für eine zweite altruistische Revolution.«

Zur Übersicht der Artikel im Schwerpunkt >>

Schwerpunktbeiträge Mai

Stefan Meretz, Bonn: Commons und Kooperation - Leben ohne ökonomische Logik

Lorenz Glatz, Wien: Jenseits von Wirtschaft und Staat - Vorschein einer solidarischen, enkeltauglichen Welt

Ariane Dettloff, Redaktion Köln: Kooperation evolutionär - Wie Pflanzen, Tiere und Menschen zusammenarbeiten

Nora Papathanasiou, Köln: Elinor Ostroms Feldstudien - Reden hilft

Eva, Longo Maï: Spinnen ohne Chef - Kooperation in der Longo Maï-Wollfabrik Chantemerle

Ariane Dettloff, Redaktion Köln: Vom Aufeinanderzugehen - Kooperation bei der Sozialistischen Selbsthilfe Mühlheim

 

 

 

 

Aus dem Inhalt


ÜBERGABE KOORDINATION

Jetzt übernimmt Regine. Sie wird zukünftig für Redakteure, Vorstand, Autor*innen und anderen Aktiven die Koordination und Hauptverantwortliche Redakteurin des Projekts Contraste-Monatszeitung für Selbstorganisation übernehmen. Auch sie wird neue Ideen und Konzepte einbringen. Ich gebe nach rund vier Jahren die Koordination ab und werde zukünftig als Berliner Redakteurin weiterhin zum Projekt beitragen.
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PROJEKTE

Neben den Shetlandponies werden auch Rinder gehalten. Foto: ImWandel

Dort, wo man den Berliner Speckgürtel im Rückspiegel und noch eine halbe Fahrstunde bis zur Oder vor sich hat, wo für den Transitreisenden der vielbesungene Märkische Wald und seine kleinere Stiefschwester, die Märkische Heide, eher in eine wellig-nichtssagende Allerweltslandschaft übergehen, zeigt sich dem aufgeschlossenen Beobachter mit Mut zu Nebenstraßen erstaunliches und bemerkenswertes, fast wie im Märchen, mitten im Wald versteckt: das »Hofkollektiv Bienenwerder«. Ganzen Beitrag lesen

PROJEKTE

KesselhoferInnen gestalten die ehemalige Dampfwaschanstalt zum gemeinschaftlichen Wohnraum um. Foto: Kesselhof

Alles begann Anfang 2017: Fünf Stuttgarterinnen und Stuttgarter, die nicht alleine, sondern gemeinsam mit anderen leben wollen, haben das Heft in die Hand genommen, sich zusammengeschlossen und das selbstverwaltete Wohnprojekt Kesselhof angeschoben. Ein Beispiel für anderes Wirtschaften und anderes Wohnen nach dem Modell des Mietshäuser Syndikats. Ganzen Beitrag lesen

GENOSSENSCHAFTEN

Gemeinsames Singen und gegenseitige Unterstützung gehören zum Alltag. Foto: Seniorenzentrum Frickingen

Am 15. Dezember 2011 gründeten 29 Mitglieder einer Frickinger Bürgeraktion die Genossenschaft Seniorenzentrum Frickingen eG mit dem Ziel, mitten in Frickingen ein barrierefreies, rollstuhlgerechtes, gemeinsames und integriertes Wohnen zu ermöglichen. Gebaut wurde eine dreigeschossige Seniorenwohnanlage einschließlich Kellergeschoss mit insgesamt 17 barrierefreien und rollstuhlgerechten Wohnungen und einem Gemeinschaftsbereich mit Aufenthaltsraum und Küche. Inzwischen haben sich 99 Mitglieder an der Genossenschaft beteiligt. Ganzen Beitrag lesen

BEWEGUNG

Protestierende in Hamburg auf einer der vielen Demonstrationen gegen G20. Foto: Martin Bauern

Proteste in Hamburg 2017: In jedem der bisher abgeschlossenen Prozesse wegen der Proteste gegen den G20-Gipfel kam es zu einer Verurteilung. Aber der Prozess gegen Fabio V. ist jetzt geplatzt. Ganzen Beitrag lesen

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