GRIECHISCHE INITIATIVEN KÄMPFEN WEITER

Transparentaktion zur »Wir haben es Satt«-Demo 2015. Ein kurzer Moment der Hoffnung auf ein Ende des Spardiktats entstand mit der Wahl von Syriza. Foto: Ulrike Kumpe

Auch im neunten Jahr der Krise befindet sich die griechische Gesellschaft in einem tiefen Schockzustand. Das Spardiktat der internationalen Troika und die politische Kehrtwende Syrizas halten die Menschen in einem dauerhaften Ausnahmezustand, der nach und nach dem Alltag gewichen ist. Doch ein intensiver politischer Klärungsprozess innerhalb der linken Bewegung hat begonnen und lässt einige hoffen.

BJÖRN TVÄTT, BERLIN

Noch 2015 schien ein neues Kapitel europäischer Politik möglich. Der Wahlerfolg der einstmals als linksradikale Partei angetretenen Syriza fand europaweit euphorischen Widerhall. Von Athen über Madrid, Dublin, ja selbst bis nach Berlin schien ein Ende der neoliberalen Spardiktate und der Vorherrschaft deutscher Austeritätspolitik greifbar. Diese Träume fanden mit der Zustimmung der griechischen Regierung zu den kommenden Memoranden ein jähes Ende.

Die Kapitulation der griechischen Regierung war eine Niederlage – nicht allein für die griechische Linke, sondern auch für die antikapitalistischen Kräfte in Deutschland. Unter der Parole »Change Greece – Change Europe – Chance 4 All!« hatten auch wir (von der Linkspartei bis in die radikale Linke) nach der Wahl von Syriza gehofft, der griechischen Bevölkerung möge es gelingen, aus dem Teufelskreis immer neuer Spardiktate auszubrechen.

Diese Hoffnung wurde mit der Unterzeichnung des neuen Memorandums durch die Regierung Tsipras zu Grabe getragen. Die griechische Regierung war innerhalb der Europäischen Union isoliert geblieben und auch die hiesige Linke hatte keine nennenswerte Unterstützung herstellen können. Der Impuls für ein Zurückdrängen der Spar- und Kahlschlagpolitik ist ausgeblieben. Die Kräfteverhältnisse in Europa als auch innerhalb Deutschlands wurden zementiert; die politische Stimmung hat sich weiter nach rechts verschoben.

Seither fehlt es auch der außerparlamentarischen und radikalen Linken an einem gemeinsamen Bezugsrahmen. Die verschiedenen sozialen und gewerkschaftlichen Kämpfe finden meist isoliert statt und können keine gesamtgesellschaftliche Wirkung entfalten. Dies ermöglicht dem (internationalen) Kapital, die Privatisierungen und Ausbeutung der griechischen Gesellschaft immer weiter voranzutreiben. Und zwingt die griechische Bevölkerung, sich im Schock einzurichten und ums Überleben zu kämpfen.

Und dennoch konnte der Widerstand, trotz der widrigen Kräfteverhältnisse, bisher nicht gebrochen werden. Viele kleine basisgewerkschaftliche Initiativen und Stadtteilversammlungen, die wir im Rahmen der sechsten gewerkschaftlichen Solidaritätsreise gegen Spardiktat und Nationalismus im September 2017 besuchten, konnten auch von Erfolgen berichten. Beispielsweise konnten im Herbst beinahe 90 Prozent der gerichtlich angesetzten Zwangsversteigerungen von Privatwohnungen verhindert werden und auch der Kampf gegen die Privatisierung der Wasserwerke von Thessaloniki und Athen lässt auf einen Sieg hoffen.

In verschiedenen Beiträgen berichten wir im Schwerpunkt über den Kampf gegen die fortschreitenden Privatisierungen am Beispiel des Fraport-Deals – dem Verkauf von 14 lukrativen regionalen und internationalen griechischen Flughäfen. Ebenso darstellen wollen wir den aktuellen Stand der international bekannten Proteste gegen den voranschreitenden Goldbergbau im Norden der Halbinsel Chalkidiki. Außerdem widmen wir uns Initiativen gegen den neoliberalen Umbau der Städte. Stadtteilversammlungen in den Athener Bezirken Perama und Nea Philadelfia, die landesweiten Initiativen gegen Zwangsversteigerungen und die Initiative gegen die Luxusbebauung des ehemaligen Flughafens Ellinikó zeichnen ein vielfältiges Bild des Kampfes um ein Recht auf Stadt.

Schwerpunktbeiträge Januar

MANFRED KLINGELE, HAMBURG: Gespräch mit Kostas von Vio.Me Athen: "Isolation ist tödlich"

MARIE LANGE, HAMBURG: Besuch im sozialen Zentrum Perama - Schwierige Zeiten

HANS KOEBRICH, BERLIN UND MANFRED KLINGELE, HAMBURG: Die offene Versammlung Nea Philadelfia - Terror im Stadtteil

HANS KOEBRICH, BERLIN: Laufen für die Umwelt - Der Kampf gegen Goldbergbau geht weiter

BJÖRN TVÄTT, BERLIN: Aktivist*innen kämpfen energisch für das Recht auf Wohnen

ERNA KERN, BERLIN: Kasino statt Wohnraum - Aus dem Athener Flughafen wird ein Küstenresort

MARC BUCH, BERLIN: Privatisierungen - Griechische Flughäfen – ein Schnäppchen für Fraport

Aus dem Inhalt


Nachrichten

Vorbereitungen auf die Leipziger Messe 2018: gegen rechte Verlage sichtbar sein. Foto: #verlagegegenrechts

Linke Verlage starteten am 22. Dezember 2017 die Initiative #verlagegegenrechts. 45 Verlage und 100 Einzelpersonen und Institutionen unterzeichneten einen Aufruf gegen rechte Hetze auf der Leipziger Buchmesse 2018. Darüber hinaus rufen sie zur Beteiligung an ihrer Crowdfunding-Kampagne auf. Ganzen Beitrag lesen

Nachrichten

Die Kooperative »Asociación Cooperativa Unidad de Producción 8 de Marzo« benötigt Ersatzteile für eine Nudelmaschine, um weiter produzieren zu können. Sie sind Teil des Kooperativenverbundes Cecosesola. In einem Brief bittet Marian Madeleine Perez Jimenez für das Kollektiv um finanzielle Unterstützung. Der Brief richtet sich an die Projekte Uhlenkrug ( Longo-maï) und Wukania, die Cecosesola in Venezuela besuchten. Doch auch sie haben nicht die finanziellen Mittel, um die Ersatzteile einfach zu bestellen. Ganzen Beitrag lesen

Projekte

Klein aber fein: der Umsonstladen in Eberswalde. Foto: ImWandel

Ist der Markt erst ruiniert, tauscht es sich ganz ungeniert. Nun ja, ganz so zynisch müssen wir es ja nicht betrachten, dennoch versucht der Tausch-, Leih- und Schenkladen in Eberswalde einen Gegenentwurf zu unreflektiertem Konsum und sozialer Ungleichheit zu liefern. Der Laden ist eine von vielen Initiativen getragener Ort und steckt voll wahnsinnig guter Ideen, die das ganze Stadtentwicklungskonzept in Eberswalde sozial und ökologisch zu beleben. Ganzen Beitrag lesen

Bewegung

Die Frauen vom Jinwar Kollektiv formen Lehm zu Ziegeln und lassen sie in der Sonne trocknen, um Häuser damit zu bauen. Foto: Jinwar Kollektiv

Es ist Ende September und noch immer scheint die Sonne jeden Tag. Die erste Bausaison im Frauendorf Jinwar neigt sich dem Ende zu, es wird Herbst und nach Monaten sonniger Hitze wird sich bald Regen ankündigen. 21 Häuser sind in den letzten Monaten entstanden, einige werden noch von außen verputzt und die letzten Dächer werden aus Holzbalken, Stroh, Draht, dicker Plane und Lehm über den Wänden aus rötlich-braunen Lehmziegeln geschlossen. Es ist früher Abend und schaut man über die flache Ebene hinweg nach Norden, so sieht man in gar nicht allzu weiter Ferne die Lichter der türkischen Grenze flackern, wie eine Linie zeigen sie in regelmäßigen Abständen den Verlauf der Mauer an, die der türkische Staat im letzten Jahr entlang der Grenze errichtet hat. Ganzen Beitrag lesen

Bewegung

Cassia Bechara auf der Konferenz kapitalistische Moderne herausfordern II«
2017. Foto: Privat

Die Ideen der Landlosenbewegung sind kollektives Werk, das sich in 30 Jahren Kampf und Organisierung herausgebildet hat. Die Landlosenbewegung ist eine Bewegung von Bäuer*innen, die 600.000 Bauernfamilien in ganz Brasilien organisiert. Ihre drei Hauptziele sind der Kampf um Land, eine Landreform und ein radikaler Wandel der Gesellschaft. Ganzen Beitrag lesen

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