UM GOTTES WILLEN!

Zwischen Tradition und Aufbruch in eine andere Gesellschaft: Männer und Frauen wohnen, arbeiten und spielen gemeinsam im Kloster Pupping. Foto: Magdalena Schauer

2017 feiern Protestanten auf der ganzen Welt 500 Jahre Reformation. Die Feierlichkeiten unter dem Motto »Freiheit und Verantwortung« betonen die befreienden Aspekte der christlichen Tradition. Wir haben diese Anregung aufgegriffen und uns umgesehen, wo sich Menschen aus christlicher Motivation mit typischen contraste-Themen wie alternativen Wirtschafts- und Lebensformen auseinandersetzen.

Brigitte Kratzwald, Redaktion Graz

Über viele Jahrzehnte herrschte die Meinung vor, Religion sei mit Aufklärung und Moderne nicht zu vereinbaren und werde über kurz oder lang von selbst verschwinden. Das ist ein Irrtum. Wenn auch die Kirchen als Institutionen laufend Mitglieder verlieren, Religiosität erlebt einen neuen Aufschwung, gerade in einer Zeit, wo vielen Menschen eine Antwort auf die Sinnfrage abhanden gekommen ist. Und auch im Konzert der vielfältigen Diskurse um zukunftsfähige Wirtschaftsformen und alternativen Praktiken spielen religiös motivierte Konzepte eine wichtige Rolle und sind brandaktuell.

Dass die christliche Kirche sich oft genug mit den Herrschenden gemein machte, ist altbekannt. Religion wurde dann verwendet, um die Menschen klein und abhängig zu halten und sie auf ein besseres Jenseits zu vertrösten. Opium für das Volk, hat Marx das genannt. Das ist richtig, es ist aber nicht alles. Religion war nie nur die Amtskirche, war nie nur herrschaftsförmig, sondern hatte immer auch ein machtkritisches und emanzipatorisches Potenzial und sie war und ist bis heute für viele Menschen Motivation sich politisch zu engagieren und mit Ausgegrenzten zu solidarisieren. Nicht zuletzt die Reformation war eine solche Bewegung die einen großen Modernisierungsschritt einleitete und die Menschen aus der Unterdrückung durch Kirche und Klerus befreite. Religionskritik, die nur die patriarchalen, konservativen Aspekte beachtet und diese für die ganze Religion nimmt, stärkt damit genau jene Kräfte innerhalb der Religionen, meint Antje Schrupp in ihrem Beitrag auf Seite 9.

Um zukunftsfähiges Wirtschaften geht es auf Seite 10 Markus Blümel schreibt über die Katholische Sozi­alakademie Österreich, die schon für ein bedingungsloses Grundeinkommen plädierte, als das noch als »Spinnerei« galt und seit vielen Jahren Lehrgänge zur Wirtschaftskompetenz anbietet. Ebenso hat es sich die 2008 von ChristInnen gegründete »Akademie Solidarische Ökonomie auf Zeit« zum Ziel gesetzt dem »Dogma von der Alternativlosigkeit der neoliberalen kapitalistischen Wirtschaftsweise zu widersprechen und Prinzipien, Strukturen und Modelle einer lebensdienlichen, solidarischen und zukunftsfähigen Ökonomie aufzuzeigen«. In diesem Zusammenhang entstand ein Konzept für eine solidarische Ökonomie innerhalb der Kirche, das Hans-Jürgen Fischbeck vorstellt.

Auf Seite 11 zeigen Ferdinand Kaineder und Franz Nahrada, dass die alte Tradition des Klosterlebens durchaus wichtige Impulse für neue Formen des Zusammenlebens geben kann. Auf Seite 12 schließlich finden sich persönliche Lebenserfahrungen von zwei sehr unterschiedlichen Frauen. Das Leben der Frankiskanerin Sr. Anna Mayrhofer könnte idealtypisch für das Motto »Freiheit und Verantwortung« stehen; die Freiheit zu politischem Handeln, die ihr die Zugehörigkeit zur Ordensgemeinschaft gibt. Ina Praetorius begründet, warum eine aufgeklärte Feministin sich selbstbewusst zu ihrer Religiosität bekennen und gerade daraus die Kraft für ihre Autorinnentätigkeit und ihr politisches Engagement beziehen kann.

Schwerpunktbeiträge Oktober

ANTJE SCHRUPP, FRANKFURT AM MAIN: Feministische Religionskritik - Mit Gott gegen patriarchale Herrschaft

MARKUS BLÜMEL, KATHOLISCHE SOZIALAKADEMIE ÖSTERREICHS: Mit christlicher Ethik zur solidarischen Ökonomie

HANS-JÜRGEN FISCHBECK, AKADEMIE SOLIDARISCHE ÖKONOMIE: Solidarische Ökonomie in der Kirche?

FRANZ NAHRADA, WIEN: Neue Gemeinschaften und der Geist der Klöster

FERDINAND KAINEDER, PRESSESPRECHER DER ORDENGEMEINSCHAFTEN ÖSTERREICHS: Orden - Alternativen zum Kapitalismus leben

BRIGITTE KRATZWALD, REDAKTION GRAZ: Franziskanerinnen - Eine weltweite gemeinsame Ökonomie

INA PRAETORIUS, WATTWIL (SCHWEIZ): Vom Beten zum Tun - Unterwegs im Durch/ein/Ander


Mit Gott gegen patriarchale Herrschaft

Sommerfest im Innenhof des Essener Beginenhofs. Foto: Manfred Vollmer

Antje Schrupp über feministische Religiongskritk

In großen Teilen der Linken und auch des Feminismus ist es eine selbstverständliche Annahme, dass Religion irgendwie »rechts« sei, konservativ, frauenfeindlich und darum abzulehnen. Das ist auch durchaus nachvollziehbar: Die christlichen Kirchen, bis vor kurzem die einzigen relevanten religiösen Institutionen in Europa, schlugen sich bei den sozialen Umbruchprozessen seit der Neuzeit regelmäßig auf die Seite der Herrschenden: Sie unterstützten den Adel gegen das Bürgertum, die Kapitalisten gegen den Sozialismus, das Patriarchat gegen die Feministinnen.

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Aus dem Inhalt


Projekte

Hochbeete des Allmende Kontors mit Sonnenblumen auf dem Tempelhofer Feld. Foto: ImWandel

Mit seiner merkwürdigen Kistenlandschaft und den lustigen Beeten voller Blumen mit fantasievollen Strukturen hat sich der Allmende Kontor auf dem Tempelhofer Feld zu einem der beliebtesten Anziehungspunkte Berlins entwickelt. Wie es dazu kam, erzählt Elisabeth Meyer-Renschhausen, eine der Gründerinnen des interkulturellen Gartenprojekts. Ganzen Beitrag lesen

Genossenschaften: Schwarmintelligenz

Die Ergebnisse der D2030 Zukunftskonferenz im Juli 2017 wurden anschaulich dokumentiert. Foto: Andreas Schulz

Grundeinkommen, Bürgerbeteiligung, Foodsharing und Ökodörfer sind gängige Begriffe der Wandelbewegung. Sie benötigt ein solidarisches funktionierendes Gegenmodell zum Silicon Valley. Die Wandelbewegung muss lernen, sich zu professionalisieren und sich auf der Metaebene zu organisieren, die nicht innerhalb, sondern außerhalb der bestehenden Systemschranken operiert. Wichtig ist es, sich so zu organisieren, dass keine Grenzen mehr vorhanden sind zwischen Konsument und Produzent, zwischen Politik und Wirtschaft, zwischen Stadt und Land: die Disziplinen verschmelzen miteinander. Ganzen Beitrag lesen

Genossenschaftl. Internetplattformen

Veranstaltung am 20. Oktober in Berlin: Internetplattformen sind eine technologische Revolution, die die ökonomischen und gesellschaftlichen Funktionen von Produzenten und Konsumenten fundamental verändern. Um diese Veränderungen humaner zu gestalten und damit verbundene Enteignungsprozesse zu verhindern, sind genossenschaftliche Ansätze hervorragend geeignet. Mit ihnen lassen sich solche Innovationen zukunftsfähig organisieren. Zukunftsfähig heißt in diesem Zusammenhang sozial, wirtschaftlich und ökologisch. Ganzen Beitrag lesen

Genossenschaften: Plattformökonomie

ttOwnership, Entscheidungsfindungen, Gewinne - alles befindet sich in den Händen der Menschen, die direkt von dem Unternehmen betroffen sind, auf das sie angewiesen sind. Das Besondere von Genossenschaften ist, dass sie, während sie demokratische Prozesse und eine gerechtere Verteilung des Reichtums organisieren, auch in kapitalistischen Gesellschaften unkompliziert handeln können. Deshalb wurde die Firma Resonate gegründet. Sie will Musikstreaming so anbieten, dass dies für Fans bezahlbar bleibt, aber gleichzeitig die Produzierenden der Musik angemessen entlohnt werden. Ganzen Beitrag lesen

Kunst & Kultur

Bunt beleuchteter Theater-Hangar während der at.atension. Foto: Daniel Häfner

Festivals sind Spektakel, sie sind fantasiereich, bunt, vielfältig, laut, aber auch leise – und klar, im Sommer draußen. Doch über sie zu berichten ist schwer: vorher gibt es vielleicht vollmundige Ankündigungen und im Nachhinein zu berichten ist auch etwas unfair den Lesenden gegenüber, denn war das Festival gut, müssen sie mindestens ein Jahr warten, ehe sie selbst teilnehmen könnten. Das zweijährlich stattfindende Theaterfestival at.tension vom 31. August bis 03. September 2017 war aber der Anlass, hinter die Kulissen der Festivalorganisation zu schauen. Und um es vorweg zu nehmen: Festivals können Räume sein, wo die Grenzen zwischen Produzenten und Konsumenten fließend werden und die auch im Umgang miteinander ein Experimentierfeld für eine Gesellschaft von morgen sein können. Ganzen Beitrag lesen & Bilderstrecke ansehen

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