Hier ist jeder Landwirt

Das Konzept der Solidarischen Landwirtschaft möchte Solidarität zwischen Verbrauchern und Landwirten fördern. Viele Betriebe sind als Verbraucher-Erzeuger-Gemeinschaften organisiert. Inzwischen kommt die Betriebsform der gemeinnützigen Genossenschaft in den Fokus. Wie kann das Konzept der gemeinnützigen Genossenschaft für die Solidarische Landwirtschaft angewendet werden? Die SoLawi Vauß-Hof im Paderborner Land lebt das Prinzip vor.

Marlene Rathgeber, Redaktion Genossenschaften

Die Form der gemeinnützigen Genossenschaft bildet den juristischen und organisatorischen Rahmen für die Solidarische Landwirtschaft Vauß-Hof eG. Sie wurde im Januar 2016 gegründet. Der Vauß-Hof hat aktuell 130 Mitglieder. Derzeit sind 85 Ernteanteile vergeben – der durchschnittliche Ernteanteil liegt 2017 bei 68,12 Euro. Für Interessenten gibt es eine Warteliste. Jedes Mitglied zahlt einen nur ihm und den Finanzverantwortlichen bekannten Beitrag, der seinen/ihren finanziellen und persönlichen Möglichkeiten entspricht. So wird das Prinzip der Solidarität auch zwischen den Mitgliedern gelebt.

In der Gründungsphase gab es schon von Anfang an über 100 Interessierte. Aus diesem Kreis heraus wurden Arbeitsgruppen gebildet, die die Gründung in verschiedenen Bereichen wie landwirtschaftliches Konzept, Öffentlichkeitsarbeit, Leitbild, Rechtsform oder Finanzierung vorantrieben und dies teilweise immer noch tun.

Gemeinnützige Ziele

Die Solidarische Landwirtschaft Vauß-Hof eG verfolgt gemeinnützige Ziele und ist damit die erste gemeinnützige Genossenschaft im Paderborner Land. Diese Ziele sind in der Satzung des Vorstands festgeschrieben und werden im selbst formulierten Leitbild der SoLawi verdeutlicht. Die Genossenschaft widmet sich dem Voranbringen einer transparenten und fairen Form der landwirtschaftlichen Produktion in der Region. Sie betreibt ökologischen Landbau und Naturschutz, pflegt alte Gemüse- und Obstsorten und unterstützt die kleinbäuerliche Landwirtschaft.

Eine Gewinnerzielungsabsicht bestand von Anfang an nicht. Für die Mitglieder steht vor allem das selbst angebaute Gemüse im Vordergrund. Gemeinnützige Ziele wie Bildungsarbeit im Bereich ökologischer, regionaler Landwirtschaft, Ernährung sowie aktiver Natur- und Umweltschutz sind ebenso wichtig. Für die SoLawi Vauß-Hof zeichnete sich deshalb bereits in der Gründungsphase ab, dass eine Gemeinnützigkeit angestrebt werden sollte. Erzielte Gewinne können in die gemeinnützigen Ziele investiert werden. Am Ausbau der Bildungsarbeit wird derzeit gearbeitet.

Verbindlichere Organisation

Eine Bio-Zertifizierung ist gegenwärtig nicht geplant. Die SoLawi-Mitglieder sind durch das Prinzip der Genossenschaft selbst verantwortlich – die Regelungen eines Bio-Anbau-Verbandes sind dagegen eine vertrauensbildende Maßnahme für Verbraucher, die keinen oder nur wenig Einblick in einen Betrieb bekommen.

Die Rechtsform der Genossenschaft bietet eine größere Verbindlichkeit als beispielsweise die Mitgliedschaft in einem Verein: Jeder, der einen Ernteanteil zeichnen möchte, wird auch Mitglied in der Genossenschaft. Die Mitglieder werden aus der reinen Verbraucher-Rolle herausgelöst und werden Mit-Unternehmer, Mit-Landwirte. Das Teilen der Verantwortung wird so noch weiter getrieben, als es in einer Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaft möglich ist, denn alle sind wirklich für den Betrieb verantwortlich. Die Verbindlichkeit geht weit über die Zusage hinaus, einen Ernteanteil für ein Jahr abzunehmen.

Innerhalb des Zeitraumes der Mitgliedschaft hat jedes Genossenschaftsmitglied die Möglichkeit, die Belange der SoLawi bedeutend mitzubestimmen und weiterzuentwickeln. Im monatlich stattfindenden Plenum, das von Vorstand und Aufsichtsrat vorbereitet wird, beraten alle interessierten Genossenschaftsmitglieder über aktuell zutreffende Entscheidungen. In einem internen Forum auf der Website kann weiter über diese Themen beraten werden. Im nächsten Plenum findet dann eine Entscheidung über das Vorgehen statt. In der Geschäftsordnung des Vorstandes ist diese basisdemokratische Struktur festgeschrieben.

Basisdemokratische Struktur

Diese Entscheidungsstruktur bedeutet, dass der Prozess der Entscheidungsfindung länger dauert, als wenn eine Person oder eine kleine Gruppe von Personen alleine entscheidet. Die zügige Entwicklung der SoLawi Vauß-Hof von einer Idee im Sommer 2014 bis zu einem erfolgreich agierenden Betrieb mit guten Aussichten zeigt, dass das nicht unbedingt schädlich ist. Der Prozess verlangt von allen Beteiligten Vertrauen und Geduld. Beides sind Grundvoraussetzung für das Gelingen einer Solidarischen Landwirtschaft als gemeinnützige Genossenschaft.

Die Geschäftstätigkeit wird durch den Vorstand ausgeführt und durch den Aufsichtsrat unterstützt und überwacht. In der Praxis arbeiten beide Gremien eng zusammen. Derzeit sind im Vorstand Marius Pötting, Thomas Wassong und Walter Austermeier tätig. Der Aufsichtsrat besteht aus Sven Büsing, Marlene Rathgeber und Michael Kerkhoff. Beide Gremien tagen zweiwöchentlich in genossenschaftsöffentlichen Sitzungen, in denen das aktuelle Tagesgeschäft und längere Planungen beraten werden. In die Gremien kann sich jedes Genossenschaftsmitglied wählen lassen.

Selbstorganisierte Arbeitsgruppen

Unterstützt wird die Gremienarbeit durch selbstorganisierte Arbeitsgruppen, die beispielsweise gemeinsam mit dem Gärtner Reinhard Maienhöfer die Anbauplanung vorantreiben, die Website betreuen, Veranstaltungen planen und durchführen. Die Entscheidung für die Rechtsform der gemeinnützigen Genossenschaft war und ist für die 130 Landwirte der SoLawi Vauß-Hof auf jeden Fall die richtige. Verbraucher werden so aus ihrer passiven Rolle gelöst und werden Mitbesitzer eines Betriebes, über dessen Zukunft sie mitentscheiden. Dem Einzelnen wird die Verantwortung für seine Nahrung wiedergegeben. Bei der SoLawi Vauß-Hof ist jeder Landwirt.

Kontakt: www.solawi-vausshof.de, info@solawi-vausshof.de.

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