EIN KAMPF FÜR VIELFALT UND ACHTSAMKEIT
Der Begriff »queer« kam im deutschsprachigen Raum vor allem aus dem akademischen Umfeld der Gender Studies. Inzwischen nutzen immer mehr Aktivist*innen ihn für ihre politische Arbeit. Unser Schwerpunkt bietet einen Einblick in diese Arbeit, in deren Mittelpunkt ein solidarischer und achtsamer Umgang steht.
REGINE BEYSS, REDAKTION KASSEL
Auf Parties und Veranstaltungen linker, emanzipatorischer Gruppen treffen Gäste immer häufiger auf den Begriff »Awareness«. Übersetzt bedeutet das so viel wie Achtsamkeit, Sensibilität oder Bewusstsein. Meist fühlt sich ein Team von Menschen verantwortlich für dieses Thema, es gibt ein Konzept und bestimmte Ansprechpartner*innen. Doch was steckt genau dahinter?
Die qrew aus Kassel stellt in unserem Schwerpunkt ihr Verständnis von Awareness vor. Die Aktivist*innen haben sich im Dezember 2013 zusammengetan, um gezielt queer-feministische Inhalte mit Antikapitalismus und Antirassismus zu verbinden. Gleichzeitig wollten sie eine Gruppe gründen, die den oft sexistischen Umgang in der linken Szene thematisiert und abbaut. In Kassel wird die qrew inzwischen an vielen Stellen sicht- und hörbar: Sei es bei Demonstrationen wie gegen das »Lebensrecht-Forum« des Treffens Christlicher Lebensrecht-Gruppen, bei Awareness-Workshops oder bei ihrer Radiosendung im Freien Radio.
In Zeiten, in denen sexistisches Verhalten und anti-feministische Äußerungen von Parteien wie der AfD oder Politiker*innen wie Donald Trump wieder öffentlich in Szene gesetzt werden, wird es umso wichtiger, die Rechte von Frauen, Lesben, Schwulen, Inter- und Trans*menschen zu verteidigen und sichere Räume für sie zu öffnen. Im letzten Jahr stieg zum Beispiel die Zahl der Straftaten homophober Hasskriminalität in Deutschland deutlich auf über 200. Wer eine sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität hat, die nicht der Mehrheit entspricht, ist häufig mit Ablehnung, Ausgrenzung und Diskriminierung konfrontiert. Studien sprechen in diesem Zusammenhang auch von »gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit« - ein Begriff der feindselige Einstellungen gegenüber anderen Menschen zum Beispiel in Form von Sexismus, Homophobie, Rassismus oder Antisemitismus erfasst.
Martina Schradi möchte dem etwas entgegensetzen. Ihr Projekt »Ach so ist das?!« versteht sich als Beitrag zur Akzeptanz von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Mit biografischen Comicreportagen lädt sie Interessierte dazu ein, sich in der Erfahrungswelt von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Inter- und Trans*-Menschen (LSBTI*) umzusehen. Die Bilder und Geschichten sollen Vorurteile abbauen und Menschen einander näher bringen. Für unseren Schwerpunkt hat Martina Schradi uns einen ihrer Comics zur Verfügung gestellt.
Um Sichtbarkeit und sichere Räume geht es auch beim lady*fest in Kassel, das in diesem Jahr zum zweiten Mal stattfinden wird. Das vielfältige Programm aus Workshops, Vorträgen und Kulturveranstaltungen bietet genug Raum, sich mit den verschiedensten Problemen auseinanderzusetzen, die aus gesellschaftlichen Normen und Strukturen entstehen. Gleichzeitig geht es den Organisator*innen darum, einen solidarischen und achtsamen Umgang miteinander zu etablieren, gemeinsam aktiv zu werden und Spaß zu haben.
Ganz im Sinne von »Das Private ist politisch« machen die queerfeministische Aktivist*innen, die wir in dieser Ausgabe vorstellen, auf alltägliche Herrschaftsstrukturen aufmerksam, die es zu bekämpfen gilt. Der Kampf für eine herrschaftsfreie Gesellschaft muss diese Perspektive einschließen, wenn er erfolgreich sein soll.
Schwerpunktbeiträge Mai 2017
Regine Beyss, Redaktion Kassel: Eine kollektive Kraft - Die Kasseler Gruppe qrew stell sicht vor
Autor*innenkollektiv aus Kassel: You don't need to be a lady*, but you need a lady*fest!
qrew, Kassel: Die Frage nach der Definitionsmacht - Das Awareness-Konzept
Martina Schradi, Stuttgart: Ein Plädoyer für Vielfalt und Akzeptanz gegenüber LSBTI*
Martina Schradi, Stuttgart: »Ach, so ist das!« Biografische Comicreportagen von LGBTI*
Aus dem Inhalt
NACHRICHTEN
Vom 9. bis 11. Juni findet der Kongress UniverSSE2017 zum Thema der Sozialen und Solidarischen Ökonomie (SSE) in Athen statt, denn es gibt Alternativen. Ganzen Beitrag lesen
PROJEKTE
Nach einigen anderen Projekten, die sich schon mit Getränken und sozialem Engagement beschäftigen, ist seit Sommer letzten Jahres ein neues Produkt auf dem Markt. Durch die Etiketten und den Verkauf der Solimate wollten die Gründerinnen und Gründer der Marke Solidrinks Aufmerksamkeit auf Geflüchteteninitiativen lenken und sie per Solispende unterstützen. Ganzen Beitrag lesen
PROJEKTE
Das Kommuja-Netzwerk der politischen Kommunen richtet in diesem Jahr wieder ein »Los Geht's« aus. Auf dem Gelände der Gemeinschaft Lebensbogen treffen sich vom 20. bis 23. Juli bis zu 300 Menschen, die an der Gründung oder einem Einstieg in eine Kommune interessiert sind. Ganzen Beitrag lesen
GENOSSENSCHAFTEN
Energiewende in Bürgerhand - auf dieses Ziel haben Energiegenossenschaften in den letzten Jahrzehnten engagiert und erfolgreich hingearbeitet. Insgesamt installierten Energiegenossenschaften laut dem Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband bislang 1,67 Mrd. Euro in bürgereigene Kraftwerke mit einer Leistung von über 900 Megawatt. So ist es ihr Verdienst, dass sich die großen Energiekonzerne mittlerweile zum Umdenken gezwungen sehen. Aber warum stockt die genossenschaftliche Energiewende und wie kann man ihr wieder zu mehr Elan verhelfen? Ganzen Beitrag lesen
BIOTONNE
»Keine Abschiebung nach Afghanistan!« – »No border, no nation – Stop deportation!«- »Integrieren statt Deportieren!« »1,2,3,4 – alle Menschen bleiben hier!« – so schallte es am 26. März rund um das Abschiebegefängnis im bayerischen Mühldorf. Über 400 Teilnehmer*innen hatten sich dorthin begeben, um eine Menschenkette um die stacheldrahtbewehrte Betonmauer zu bilden und sich so symbolisch vor die Schutzsuchenden zu stellen. Ganzen Beitrag lesen
KUNST & KULTUR
Mit ihrem Film »Parko« haben die vier jungen FilmemacherInnen Lukas Link, Clara Stella Hüneke, Stella Kalafati und Jonas Eichhorn ein Stück griechischer Selbstorganisation dokumentiert. Was vormals ein Parkplatz im Athener Stadtteil Exarchia war, haben AnwohnerInnen in einen liebevollen Ort des Miteinanders verwandelt. Angeeignet hatten sie sich die voll betonierte Fläche bereits 2009 und sie nach dem Motto: »Weg mit dem Beton« umgestaltet. Heute besteht der Park immer noch und wird von einer Initiative immer wieder neu gestaltet. Der Film zeigt Selbstorganisation im Alltag der Krise und eben alltägliche Selbstorganisation. Im Interview berichten Clara und Lukas über ihre Erfahrungen. Ganzen Beitrag lesen
Mailingliste
Einfach hier eintragen:
lists.contraste.org/sympa/info/contraste-liste
Die Umgangsfomen zwischen den NutzerInnen dieser Liste haben wir in einer Netiquette festgelegt.
Schnupperabo
CONTRASTE kann einmalig zum Sonderpreis von 9 € drei Monate lang "beschnuppert" werden. Dieses Schnupperabo endet automatisch und muss nicht gekündigt werden. Hier bestellen ...
Lest Contraste
CONTRASTE kostet im Abo 45 Euro (europ. Ausland 51). Oder Ihr könnt Fördermitglied werden: Mindestbeitrag 70 Euro. Hier abonnieren oder beitreten.
Lexikon der Anarchie
Was bedeutet eigentlich Selbstverwaltung?
Hier könnt ihr es nachlesen.