HALTUNG STATT MEINUNGSMACHE

Genau hinschauen und Fakten recherchieren als Grundlage für engagierte Gegenöffentlichkeit. Foto: Kai Böhne

Inhaltlicher Schwerpunkt der diesjährigen Linken Medienakademie (LiMA) ist das Thema Polarisierung, wobei es vor allem um die reale Gefahr der Meinungsmache durch Roboter in sozialen Medien, den so genannten »Social Bots«, geht. Dies nehmen wir zum Anlass, den Anspruch auf Gegenöffentlichkeit, den alternative Medien wie die Contraste einlösen wollen, aktuell zu beleuchten und zu hinterfragen.

ULRIKE KUMPE, REDAKTION BERLIN

Gegenöffentlichkeit herzustellen geht oft damit einher, dass die Schreibenden aus den politischen Bewegungen selbst kommen. Der Vorwurf, dass sie deshalb nicht objektiv berichten könnten, ist schnell bei der Hand. Doch was heißt schon »objektiv« im Zeitalter um sich greifender Con­tentproduktion für unterschiedliche Zielgruppen großer Verlage? Beginnt es nicht bereits bei der Themenwahl oder dabei, welche JournalistInnen bei welchem Medium angestellt werden? Und wie stark wirken sich finanzieller Druck und unterbesetzte Redaktionen auf die Berichterstattung aus? Ist es außerdem nicht oftmals traurige Realität in hektischen »Newsrooms«, dass Artikel am besten gestern fertig sein sollen zu den Ereignissen, die morgen passieren? – Da bleibt eine saubere Faktenüberprüfung oder gar eine eigene Recherche auf der Strecke.

Angesichts des Vertrauensverlusts etablierter Medien wirkt der Vorwurf der Einseitigkeit gegenüber politischen Aktivist*innen, die gleichzeitig zu »ihrem« Thema veröffentlichen, oft unbegründet oder vorgeschoben. Die Redakteur*innen und Autor*innen von Contraste müssen sich dennoch immer wieder mit diesem Thema beschäftigen. Der Beitrag von Peter Streiff auf Seite neun legt stattdessen den Schwerpunkt darauf, die eigene Haltung möglichst nachvollziehbar und transparent zu machen, um glaubwürdig zu bleiben.

Unabhängiger Journalismus, der genau hinschauen will, gerät öfters ins Visier von Polizei und Justiz, wie die Erfahrungen der Reporter der Straße von Cams21 im Kontext der Auseinandersetzungen um Stuttgart21 zeigen. Auf Seite zehn schildern sie, warum sie Hausdurchsuchungen und Strafanzeigen gegen MitstreiterInnen als politische Repression bewerten.

Eine weitere wichtige Facette, mit der sich Publizierende auseinandersetzen müssen, sind technische Entwicklungen. Der Einsatz von »Social Bots« zur Beeinflussung politischer Diskurse, und damit im Zweifel eine allgemeine Abnahme von Glaubwürdigkeit, ist ein zentrales Thema der LiMA in Berlin. Im Zusammenhang mit anstehenden Wahlen setzt sich die Autorin Lea Brunn mit diesem Thema auf Seite elf auseinander.

Im letzten Teil des Schwerpunktes geht es um das Andersmachen. Mit ihrem Beitrag »Konstruktiver Journalismus« beleuchtet Elisabeth Voß auf Seite elf einen möglichen Ansatz, Themen anders zu setzen. Auf Seite zwölf blickt Alex Körner von Radio Corax auf den Kongress des Bundesverbands Freier Radios und das Festival »Radio Revolten« in Halle (Saale) zurück. Welche Potenziale im Radiomachen stecken, zeigt ein inspirierender Auszug aus dem Pre-Manifest der Radiokunst.

Schwerpunktbeiträge April 2017

Peter Streiff, Redaktion Stuttgart: Mitten drin und auch außen vor - Zur Doppelrolle von Journalist*innen in Bewegungen

Lob und Zuckelmann, Stuttgart: Pressearbeit geht nicht vom Sofa aus - Staatliche Repression gegen freie Medien

Lea Brunn, Berlin: Wie viel Politik steckt noch in politischen Debatten? Polarisierung und Manipulation

Elisabeth Voß, Berlin: Konstruktiver Journalismus: Nur noch gute Nachrichten?

Alex Körner, Halle und Peter Streiff, Redaktion Stuttgart: Vom Potenzial der unsichtbaren Wellen - Kongress und Radiokunstfestival "Radio Revolten"


Aus dem Inhalt


NACHRICHTEN

Schlange vor der Feria del Centro. Foto: Phillip Bauer

Die Wirtschaftskrise belastet die Kooperative Cecosesola weiter schwer. Die Arbeitsbedingungen haben sich durch notwendige Einlasskontrollen bei den Wochenmärkten enorm verlängert. Die Knappheit lebensnotwendiger Produkte schuf eine Verzweiflung bei den Menschen, die das solidarische Konzept von Cecosesola herausfordert. Ganzen Beitrag lesen

PROJEKTE

Vorbereitungen zu Dreharbeiten bei ImWandel. Foto: ImWandel.net

Was ist Wandel? Wie sollten wir unsere Denkweise, unsere Gesellschaft, unseren Lebenstil, die Art und Weise, wie wir mit Ressourcen umgehen, ändern, um den Planeten, den wir bewohnen, nicht zu zerstören und allen Menschen ein gutes Leben zu ermöglichen? Solche fundamentalen Fragen benötigen so schnell wie möglich Antworten, da die negativen Folgen unseres Handelns immer stärker offensichtlich werden. Dies geschieht nicht nur aus ökologischer, sondern auch aus sozialer Perspektive. Ganzen Beitrag lesen

KONFERENZ / PROTESTE

Eines der Podien auf der internationalen Konferenz in Thessaloniki bei vio.me. Spannende Vorträge und rege Debatten wird es auch auf der Selber Machen - Konferenz in Berlin geben. Foto: Giovanni Lo Curto

Es scheint sich ein neuer linker Aufschwung abzuzeichnen, trotz der Krisen, rassistischen Mobilisierungen und militärischen Eskalationen. Die internationalen rätedemokratischen Projekte und veränderten Praxen hiesiger Aktivist*innen brauchen aber eine gut organisierte Basis. Der »Selber machen« Kongress möchte einen Beitrag dazu leisten. Ganzen Beitrag lesen

GENOSSENSCHAFTEN

Das Bettengebäude auf dem Hulsberggelände in Bremen wollen die Gründerinnen und Gründer der neuen StadtteilGenossenschaft Hulsberg eG für ein gemeinschaftliches Wohnprojekt übernehmen. Foto: Foto: StadtteilGenossenschaft Hulsberg eG

Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf zur Erleichterung unternehmerischer Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement und zum Bürokratieabbau bei Genossenschaften vorgelegt. Mit diesem sollen die Voraussetzungen konkretisiert und vereinheitlicht werden, unter denen unternehmerische Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement als wirtschaftlicher Verein tätig werden können. Zudem sollen bürokratische Entlastungen auch die Rechtsform der Genossenschaft für das bürgerschaftliche Engagement attraktiver machen. Ganzen Beitrag lesen

KUNST & KULTUR

Szene aus dem Film »Endstation Freistatt«: Wolfgang (Louis Hoffmann) mit Bruder Wilde (Stephan Grossmann) beim Torfstechen, der
alltäglichen Zwangsarbeit, der eingesperrten Jungen. Foto: Edition Salzgeber

Kinder und Jugendliche erwartet in geschlossenen Heimen ein System von Zwangsarbeit, willkürlichen, erniedrigenden Strafen und in kirchlichen Einrichtungen wie der »Anstalt Freistatt« auch Beten. Dort wurde bis Ende der 1970er Jahre mit schwarzer Pädagogik ihr Wille und ihre Persönlichkeit gebrochen, wie der Spielfilm »Freistatt« zeigt, der in einem früheren Gebäude der »Anstalt Freistatt« und dem umliegenden Wietingsmoor bei Diepholz gedreht wurde und jetzt auf DVD erhältlich ist. Ganzen Beitrag lesen

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