Anstrengend - und doch...

BRITTA HABENICHT, KOMMUNE VOLZENDORF 13

Im Winter 2014/2015 haben wir oft viele lange Stunden in Orga- und Sozialplena zusammengesessen und uns immer wieder gefragt: »Warum läuft es nicht rund?«, »Warum geht es nicht vorwärts?«, »Warum fühlen wir uns jeweils von den anderen mehr ausgebremst als unterstützt?«, »Wie kommen wir an neue Leute?«, »Und welche neuen Leute wollen wir eigentlich?«, »Was wollen wir überhaupt hier, was sein und werden?«. Die einen wollen mehr Struktur, die anderen mehr kreatives Chaos. Wie soll das zusammengehen? Fragen über Fragen, viele anstrengende Runden, einige böse Worte und viel Schwere waren da. Irgendwie ging es uns allen nicht richtig gut miteinander...

Und rückblickend betrachtet hatten wir es tatsächlich nicht so leicht in jenem Winter. Wir haben einen unserer Mitkommunarden in den Tod gehen sehen. Er war Vater von drei Kindern bei uns, Mitbegründer der Kommune hier vor fünf Jahren, Künstler, kreativer, chaotischer, humorvoller Punk-Anarchist. (Ist jetzt meine Beschreibung von ihm, weiß nicht wie er sich beschrieben hätte!) Über ein Jahr lang waren wir eingebunden in das Bangen und Ringen um Leben und Tod von ihm. Krebs, OP und Chemos, immer wieder ins Krankenhaus und nach Hause. Das war für uns alle auf verschiedene Weise kräftezehrend. Anstrengend war auch zu wissen, dass er eigentlich nicht mehr zufrieden gewesen war in unserer Gruppe und sich mehrfach äußerte, dass er gar nicht mehr bei uns wäre, wenn er nur die Kraft hätte wegzugehen. Und dennoch haben wir ihn mitversorgt und mitgepflegt bis zum Ende. Emotional nicht leicht zu verarbeiten. Und dann ist er bei uns gestorben, im Zimmer über unserer Küche. Es dauert lange bis jemand das Leben loslassen kann, vielleicht auch bis die Lebenden den Sterbenden loslassen können. Ich habe das erste Mal einen Toten gesehen.

Dann wurden wir noch weniger in unserer Gruppe. Viele dachten in dieser Phase darüber nach, auszusteigen. Kurze Zeit stand sogar im Raum, ob wir als Kommune überhaupt weiterexistieren können/sollen/ wollen. Aber dann haben uns doch »nur« zwei verlassen. Schwere beim Abschied, aber doch vielleicht auch ein bisschen Erleichterung: Die beiden waren doch auch oft unzufrieden, haben sich still oder laut über Sachen geärgert. Auch das strengt an und blockiert.

Die kulturelle Landpartie

Dann im Mai 2015, ganz kurz nach dem Tod unseres Kommunarden, schafften wir es trotz alledem bei der »Kulturellen Landpartie« mitzumachen, die jedes Jahr im Wendland stattfindet. Zehn Tage öffneten wir Haus und Hof. Die Bilder unseres verstorbenen Künstlers wurden ausgestellt, in einer Finissage wurde er gewürdigt. Dazu hatten wir Konzerte, Feuershow. Wir backten bis zu 150 Pizzen je Abend. Wir bekamen viel positives Feedback zu unserem Thema »Einfach selber machen« mit Workshops und Ausstellung. Plötzlich waren ganz viele Leute bei uns. Und »plötzlich« kam wieder frischer Wind zu uns: Eine Freundin zog mit ihrem Bauwagen als Wochenend-Station (und Gästewagen für uns) zu uns und es kam eine Gruppe, die sich für unser Nachbarhaus interessierte, um dort doch tatsächlich auch noch eine Kommune, die V9, aufzubauen. (siehe CONTRASTE Nr. 386). Eben hatten wir also noch fast ans Aufhören gedacht, schon sollten wir zwei Kommunen in einem Dorf werden?!?

Es gab zwei Perspektiv-Wochenenden für beide Kommunen gemeinsam, mit der Kerngruppe der neuen Kommune, uns »Alten« und einigen neuen Interessierten. Wieder viele Runden darüber, wer was gerne will und wer was denkt. Für mich persönlich ein eher anstrengendes Unterfangen, so viel zu reden; kraftzehrend. Aber auch daraus hat sich wieder Vieles ergeben. Ein Kommunarde der neuen Kommune zog erst einmal bei uns ein, bis die neue Kommune anfangen würde. Dann kam ein Herbst mit Apfelernte und ein Winter, in dem wir immer noch nur mit fünf Kommunard_innen zusammenhockten. Zu wenige, um entspannt das Heizen zu regeln, das viele Holz zu machen, die Kochdienste zu übernehmen. Aber ein Winter mit der Aussicht, im Frühjahr Zuwachs zu bekommen.

Kommen und gehen

Seit Anfang letzten Jahres sind die »Neuen« bei uns. Zu uns zogen drei Menschen, zwei Große und ein Baby, im Haus nebenan waren es richtig viele. Alles wurde plötzlich einfacher, lebendiger. Der Frühling kündigte sich an, es gab genug Menschen für den selbstversorgenden Alltag. Viele Projekte wurden wieder oder neu gedacht, die Solawi (Solidarische Landwirtschaft) der Nachbarkommune startete. Am Weltfrauentag machten wir eine Aktion auf dem Dorfplatz mit Frauen aus den Kommunen und aus dem Dorf. Unser Pizza-Abend läuft beständig, freitags werden 30 Brote gebacken, Dienstags gibt es eine Yoga-Gruppe, eine Politgruppe liest Texte gemeinsam und im April startete der von uns ins Leben gerufene Dorf-Chor, mit einigen Menschen aus dem Dorf und einigen aus den Kommunen. Die »Kommune Volzendorf 13« ist wieder in Bewegung.

Dann seit Herbst bahnt sich wieder ein Auszug an. Wieder gab es viele Plena und Runden, in denen wir gemeinsam versuchen zu verstehen, was passiert ist, warum wir nicht gemeinsam weitermachen wollen oder können. Die Abschiede sind kompliziert, anstrengend und schmerzlich. Verletzungen und Anschuldigungen stehen im Raum. Vielleicht ist das eine typische Sache an Kommunen, das »Sich-auseinandersetzen-müssen« mit den verschiedenen Auffassungen von Wirklichkeit, vom Umgang miteinander, vom So-leben-wollen, immer den Spiegel vorgehalten zu bekommen über das eigene Verhalten. Das ist anstrengend, auf alle Fälle, aber ich habe die Vorstellung, dass wir gegenseitig davon lernen und unsere Ängste, Sorgen, Vorurteile und »Macken« nicht mehr so fest stehen und weniger schwer wiegen.

Und natürlich geht unser Alltag weiter: wir kochen, heizen, machen Holz, arbeiten außerhalb, backen Brot, haben unsere Yoga-Abende, den Chor, Polit-Abende, die Pizza-Abende; haben jede Menge Äpfel gesammelt und gepflückt, Gemüse geerntet, Sauerkraut gemacht, sitzen zusammen in der Küche, lachen und weinen zusammen, kümmern uns um die Kinder… der ganz normale Alltag einer Landkommune eben …

Kontakt zur Kommune Volzendorf 13: info@kommune-volzendorf.de

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