Zanon verteidigen!

ALIX ARNOLD, KÖLN

Im Oktober gab es nach langer Zeit wieder einmal ein Konzert im Hof der Fabrik. Tausende feierten mit der legendären Band Todos Tus Muertos das 15-jährige Bestehen der Selbstverwaltung, nach dem erprobten Motto »Konzert ohne Polizei in der Fabrik ohne Chefs«. Die Kolleg*innen von Zanon haben in diesen Jahren bislang Unvorstellbares erreicht. Aus den etwas über hundert Kolleg*innen, die 2002 die Produktion aufnahmen, wurden nach und nach 470. Viele der neuen Arbeitsplätze gingen an Mitglieder der Arbeitslosenorganisationen, die die Arbeiter*innen in ihrem Kampf unterstützt hatten – eine politisch sehr bedeutsame neue Allianz zwischen (früher) relativ gut verdienenden Industriearbeiter*innen und verarmten Arbeitslosen.

»Die Fabrik in den Dienst der Bevölkerung stellen« war nicht nur eine Parole. Die Kolleg*innen spendeten immer wieder Teile der Produktion für soziale Zwecke, sie bauten im anliegenden Armenviertel eine Gesundheitsstation, richteten in der Fabrik eine Abendschule ein, öffneten ihre Räume für Kulturveranstaltungen und Treffen. Dank der großen Solidarität konnten sie mehrere Räumungsversuche abwehren und die erste Zeit der Besetzung, in der sie keinerlei Einkommen hatten, durch Spenden überstehen. Diese Solidarität haben sie immer wieder erwidert, indem sie Kolleg*innen aus anderen Betrieben und soziale Bewegungen unterstützt haben.

Bekannt wurde die Fabrik außerdem durch die weit entwickelte Basisdemokratie, eine Versammlungskultur, mit der zuerst die kleine Keramik-Gewerkschaft von den bürokratischen Funktionären übernommen und wieder zu einem Kampfinstrument gemacht, und dann die Produktion organisiert wurde. Die Kolleg*innen nehmen sich viel Zeit für Versammlungen, bei regelmäßigen Diskussionstagen setzen sich alle für die Dauer einer Schicht zusammen und debattieren auch mal, wenn das nicht reicht, am nächsten Tag weiter. Ein Experiment von Selbstverwaltung einer Fabrik, das weithin beachtet und zum Bezugspunkt wurde.

Acht Jahre mussten die Kolleg*innen für ihre Legalisierung kämpfen. In dieser Zeit konnten sie Geld für die Instandhaltung erwirtschaften, aber Kredite und größere Investitionen waren ohne legalen Status unmöglich. Erst 2009 beschloss das Parlament der Provinz Neuquén endlich, die Fabrik zu enteignen und den Arbeiter*innen zu überlassen. Sie wird seitdem als Kooperative FaSinPat (Fábrica sin Patrones – Fabrik ohne Chefs) betrieben. Schon damals war klar, dass die Technologie erneuert werden musste, aber den Antrag, mit der Enteignung auch gleich die nun möglichen Kredite zu beschließen, lehnte das Parlament ab. Seitdem versuchen die Kolleg*innen, allen bürokratischen Hürden und unwilligen Politiker*innen zum Trotz an Kredite zu kommen, aber während Privatbetriebe und auch Multis großzügig mit staatlichen Geldern bedacht wurden, gingen die Zanon-Arbeiter*innen leer aus.

Verschärft wurde die Situation der übernommenen Betriebe in Argentinien durch den Regierungswechsel im Dezember 2015. Die neue Macri-Regierung strich Subventionen, wodurch sich die Gebühren für Gas, Strom und Wasser Anfang des Jahres gigantisch erhöhten. Betriebe mit hohem Energiebedarf wie Zanon waren davon besonders betroffen. Die ökonomische Situation ist inzwischen nicht mehr haltbar. Die Auszahlungen reichen nicht mehr zum Leben, Kolleg*innen sind gegangen und suchen sich andere Jobs. Die 300 verbliebenen versuchen nun, das Ruder herumzureißen.

Mit dem Ende der Kirchner-Regierungen sind auch die falschen Illusionen verschwunden, die sich viele Kolleg*innen von Zanon gemacht haben, die in den letzten Jahren eher auf ein gutes Verhältnis zur Regierung als auf Mobilisierung gesetzt hatten. Seit Mitte des Jahres gab es wieder verschiedene Koordinationen und Mobilisierungen zusammen mit anderen selbstverwalteten Betrieben gegen die Preiserhöhungen, und nun hat die Versammlung von Zanon einstimmig beschlossen, mit aller Kraft eine Kampagne zur Verteidigung ihrer Fabrik anzugehen. Sie gehen wieder auf die Straße, wie am 15. Dezember in der weit entfernten Hauptstadt Buenos Aires, wo sie das Arbeitsministerium belagert haben, um Kredite und Subventionen für sich und die vielen anderen von Arbeiter*innen übernommenen Betriebe in Argentinien zu fordern. Eine neue Webseite erzählt die Geschichte von Zanon und fordert zu Spenden auf – damit sie auch diesen weiteren Kampf um ein großartiges Projekt gewinnen können.

Infos: http://endefensadezanon.com/de/http://endefensadezanon.com/de/

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Was bedeutet eigentlich Selbstverwaltung?
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