Mit (neuem) Bewusstsein in die Medienzukunft

Im Jahr 2013 hat sich der Gründungskreisder "Neue Perspektive Medien" zusammengefunden. Er will dem Trend zur Orientierung an Quantitäten im Bereich der Medien Qualität entgegensetzen. Eine inzwischen eingetragene Genossenschaft verfolgt das Ziel, formal wie inhaltlich mehr Qualität in alle Programmsparten der bestehendenund sich entwickelnden medialenAngebote zu bringen.

FRANK A. FOX, REDAKTION GENOSSENSCHAFTEN

Die Mediengenossenschaft Neue Perspektive Medien eG mit Sitz in Schwalmtal steht aktuell in den Startlöchern, um zu wachsen und dieselbst gestellten Aufgaben zu erfüllen. Bislang haben 18 Personen ein Kapital von 5.800 Euro eingebracht. Nun geht es darum, mit neuen Mitgliedern und durch Partnerschaften den selbst gesteckten Zielen näher zukommen: Bewusstsein zu schaffen dafür, was Medienarbeit bedeutet, welche Wirkungen sie hervorrufenkann. Dadurch soll deutlich gemacht werden, welche Verantwortung mit ihr verbunden ist. Entsprechend ethisch orientierte Projekte sollen unterstützt werden. Mit zwei Projekten wird dies gerade konkret: In einem Seminar geht es darum, das Sprechen vor der Kamera zu lernen. Außerdem wird gerade ein neues Media-TV Projekt bei der Umsetzung begleitet.

Günstiger Gründungszeitpunkt

"Die Zeit ist nicht nur günstig für unser Vorhaben, sie verlangt gerade zu danach", so der Medienmacher Thorsten Schmitt, Vorstandsvorsitzender der Neue Perspektive Medien eG. "Durch die digitale Revolution hat die Entwicklung in der Medienlandschaft neue Impulse bekommen. Das ist gut, denn es erzeugt einerseits einen kreativen Schub, der unserer Medienlandschaft gut tut, andererseits entstehen völlig neue Möglichkeiten für eine veränderte, demokratischere Medienkultur. Es gibt plötzlich Foren für alternative Inhalte, das Informations- und Unterhaltungsangebot nimmt zu. Das ist die positive Seite. Die negative Seite ist eine Verschärfung des bereits seit der Einrichtung privater audio-visueller Medien in den 1980er Jahren zu beobachtende Verfall der Qualität journalistischer und auch unterhaltender Medienangebote."

Auf einem Markt, für den nur Quoten zählen und für den schnell und preiswert produziert werden muss, um Anteile und Profite zusichern, geht die Sorgsamkeit in der Produktion verloren. Vieles wird durch Klischees ersetzt. Ein respektvoller Umgang mit Informationen und Personen kommt zu kurz zugunsten einträglicher Sensationshascherei oder Panikmache. Für den respektlosen Umgang mit Menschen in Unterhaltungsprogrammen gibt es unzählige Beispiele, vor allem aus den Bereichen 'scripted Reality', Casting-Shows und "Infotainment".

Einsatz von Stereotypen

"In meiner täglichen Arbeit erlebe ich, wie Produktionsteams bei Veranstaltungen die immer gleichen Einstellungen abdrehen, um visuellen Stereotypen zu genügen. Auch wird durch Schnitt und Montage manipuliert oder im Bereich der jeweiligen Textarbeit von Redaktionen statt journalistisch-neutraler Berichterstattung Meinungsmache geliefert." Als Beispiel verweist Schmitt auf die Berichterstattung über die Untersuchungen zu Bestechungsvorwürfen in der Anbahnung der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland: "Selbst bei öffentlich-rechtlichen Medien wurde in Nachrichten und Kommentaren nicht von der "Fußball-WM 2006", sondern vom "Sommermärchen"gesprochen. Das ist ein suggestiver, wertender Begriff, eine Metapher, die anlässlich der Veranstaltung von einer Zeitung geprägt wurde. In einer ernsthaften Berichterstattung hat das nichts verloren."

Aufklären über Medienproduktion

Die Neue Perspektive Medien eG, die Schmitt mitbegründet hat, nimmt solche Entwicklungen in der modernen Mediengesellschaft ernst. Sie fragt nach Ursachen und sucht nach Mitteln und Wegen, dem etwas entgegenzusetzen. Ihr Ziel ist es, Bewusstsein zu schaffen, eine Wertediskussion anzustoßen und aktiv dazu beizutragen, die Situation zum Positiven zuverändern. Dazu gehört Publikum und Medienmacher in gleicher Weisezu sensibilisieren. Anders formuliert: Es gilt, Wissen zu vermitteln darüber, was derzeit in den Medien geschieht, was es für die Gesellschaft bedeutet und welche inhaltlichen und formalen Alternativen bestehen. Die Mitglieder der Genossenschaft formulieren dies in der Aufgabe einer Unterstützung von "Ideen, Menschen und Taten". Darunter sind zu verstehen:

• "Neue Techniken, Programme und Formate zu entwickeln und zu erproben, die eine konstruktive Ergänzung oder Verbesserung bereits bestehen der Inhalte darstellen und durch ihre Realisierung zu Informationsfülle und Vielfalt der medialen Angebote einen positiven Beitrag leisten,

• Fort- und Weiterbildungsangebote zu schaffen, sowohl für im Medienbereich journalistisch, künstlerisch/konzeptionell/kreativ oder technischtätige Personen, als auch für Mediennutzer, die sich informieren oder die Resultate ihrer kreativen Arbeit zum Nutzen aller einsetzen wollen.

• Bereits bestehende Projektezu unterstützen, die der Weiterentwicklung der demokratischen Medienlandschaft in der Bundesrepublikdienen, sofern diese die Würde des Menschen wahren, zur Bereicherung des Publikums beitragen, mit professionellem Anspruch produziert werden und nicht einseitig wirtschaftlichen oder politischen Interessen verpflichtet sind."

Kooperation mit Bildungsträgern

Zu diesem Zweck setzt die Genossenschaft auf die Kooperation mit Profis und mit Fort- und Weiterbildungsinstituten, von Medien-Hochschulen bis zu Stiftungen und Volkshochschulen. Die Arbeit innerhalb von Netzwerken steht damit ganz oben auf der Aufgabenliste der nächsten Jahre. Die Zahlen für die Geschäftsentwicklung der Neue Perspektive Medien eG sehen im ersten Jahr nach Aufnahme der Geschäftstätigkeit Einnahmen in Höhe von 75.000 Euro vor. Im folgenden Jahr soll sich diese Summe verdoppeln und im drittenJahr vervierfachen. Grundlage für diese prognostizierte Entwicklung sind neben den angestrebten Kooperationen mit Stiftungen und unterschiedlichen Bildungsinstituten auch Erlöse aus Projektbeteiligungen.

Die Neue Perspektive Medien eG sieht eine ihrer Aufgaben darin, kreativen Menschen im Medienbereich und außerhalb bei der Realisierung ihrer Ideen zur Seite zu stehen und als Agentin und Vermittlerin einzutreten. Dafür will sie an möglichen Honoraren oder Umsätzen der Geförderten und ihrer Projekte beteiligt werden.

Kreative Arbeit vermarkten

In Deutschland existieren außerhalb der Warenindustrie und ihrer jeweiligen Bedürfnisse keine ausgeprägten Strukturen, um Erzeugnisse kreativer Arbeit sicher und sinnvoll zu vermarkten. Speziell im Medienbereich ist es schwer Erfolge zu erzielen,wenn man nicht zu den "üblichen Verdächtigen" gehört, die bei den Anstalten und Produzenten ein- und ausgehen. Die Furcht, die eigene Idee könnte einfach kopiert werden, wenn man sie als Privatperson anbietet, ist nicht unbegründet.

"Hier will die Genossenschaft eine Lücke schließen mit einem Win-Win-Konzept, von dem alle Beteiligten profitieren", erklärt der Aufsichtsratsvorsitzende Herbert Jost-Hof. Der Medien- und Kulturwissenschaftler ist nicht nur als Autor und Publizist, sondern auch als Entwickler im Medienbereich tätig. Für seine Ausarbeitungen zum Thema "Vermarktungsstrukturen für Kreative" wurde er 2014 bei einem Wettbewerb der Axel Springer Vertriebs GmbH mit einem Preis ausgezeichnet. Ziel der Neue Perspektive Medien eG ist es, kreative Menschen zusammenzubringen, um die Medienlandschaftzu beleben. Um die Sensibilität sowohl des Publikums wie auch der Medienverantwortlichen zu schärfen, plant die neue Genossenschaft die Einrichtung eines ständigen Beobachtergremiums, das auf mediale Missstände in aktuellen Produktionen aufmerksam machen soll. Sie verfolgt damit eine dreiteilige Strategie.

Erstens: Aufklärung über Möglichkeiten und Grenzen der Medien, über ihre Produktions-und Marktbedingungen, um Verständnis herzustellen und Interesse an aktiver Mitgestaltung zuwecken, zweitens: Sensibilisierung für die Qualität des Bestehenden und drittens: Förderung von Alternativen." Solange die Menschen nicht verstehen,  was an dem, das ihnen die Medien vorsetzen, verbesserungswürdig ist und so lange sie nicht erkennen, dass jedes schlechte und negative Format einen Platz für besseres Programm blockiert, werden sie mit dem zufrieden sein, was ihnen geboten wird. Die Menschen sollen die Möglichkeit einer echten Wahl bekommen", so Aufsichtsratsvorsitzender Jost-Hof. "Dazu müssen sie aber eine Idee davon haben, dass es Alternativen gibt und wie sie aussehen. Wir leben in einer Informations- und Mediengesellschaft, in der Jede und Jeder letztlich darüber mitbestimmt, in welche Richtung sie sich entwickelt."

Neue Perspektiven für alle

Mitglied in der Genossenschaft Neue Perspektive Medien eG können natürliche und juristische Personen werden. Voraussetzung ist der Erwerb eines Geschäftsanteils in Höhe von 100 Euro. Mit Zustimmung des Vorstands können zur Unterstützung der Genossenschaft weitere Anteile gezeichnet werden. Die Mitgliedschaft bringt Vergünstigungen bei der Teilnahme an den von der Genossenschaft organisierten und (mit)verantworteten Veranstaltungen. Sie ist jedoch nicht zwingend, um angebotene Dienstleistungen in Anspruch nehmen zu können. Das gilt sowohl für den gesamten Bildungsbereich, wie auch hinsichtlich der angestrebten Vermittlungstätigkeit für Kreative.

Infos unter: www.neue-perspektive-medien.de

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