Zeugen aus aller Welt schaffen Öffentlichkeit gegen Agrarkonzern

Das »Monsanto Tribunal« kommt - Es ist an der Zeit!

Am 15. und 16. Oktober 2016 findet im International Institute of Social Studies (ISS) das »Monsanto Tribunal« statt. Das »Urteil«, das juristische Gutachten des Richterstuhls, wird im Dezember 2016 veröffentlicht. Es soll allen sozialen Bewegungen weltweit als Referenzgrundlage in gerichtlichen Auseinandersetzungen mit Konzernen zur Verfügung stehen.

Holger Lauinger , Berlin

Den Haag, zum Welthungertag im Oktober 2016, unweit des Internationalen Strafgerichtshofs: Zwanzig Zeugen aus den Ländern Sri Lanka, Bangladesch, Indien, Vietnam, Burkina Faso, Argentinien, Brasilien, Paraguay, USA, Kanada, Frankreich und Dänemark werden im Rahmen des »Monsanto Tribunals« vor international renommierten Juristen Aussagen über Konflikte und Schädigungen machen, die in ihren Heimatregionen durch den US-Agrarindustriekonzern Monsanto stattfanden bzw. heute noch stattfinden. Das Tribunal ist die Inszenierung eines Prozesses - doch diese Inszenierung trägt einen emanzipatorischen Anspruch in sich: Internationale ProtagonistInnen der Ernährungssouveränität werden einen der mächtigsten Global Player der Agrarindustrie - beispielhaft für deren Produktionsweise - auf den Prüfstand des internationalen Rechts stellen.

Die Beteiligten

»Die Opfer von Roundup, PCB, Agent Orange und Lasso verbindet das erfahrene Leid und das Schicksal keine Vergütung für die erlittenen Verluste bekommen zu haben. Grund dafür ist eine systemische Straffreiheit. Das Monsanto Tribunal wird diese Unantastbarkeit von global agierenden Unternehmen öffentlich in Frage stellen!«, beschreibt die französische Filmemacherin Marie-Monique Robin (»Monsanto mit Gift und Genen«) und Schirmherrin des zivilgesellschaftlichen Verfahrens das ambitionierte Anliegen. Ebenfalls zum Netzwerk der ProtagonistInnen des Tribunals gehören bekannte Persönlichkeiten wie die indische Saatgutaktivistin Vandana Shiva, die ehemalige französische Umweltministerin Corinne Lepage und der ehemalige UN-Sonderbeauftragte für das Recht auf Ernährung, Olivier De Schutter. Mit weiteren Engagierten aus diversen sozialen Bewegungen bilden sie das initiative »Organisationteam« des Verfahrens.

Von Roundup und Glyphosat

Monsanto ließ seine Absage über das Forbes-Magazin mitteilen und verweigerte die Annahme des offiziellen Einladungsschreibens. Sich der Verantwortung als Unternehmen gegenüber den Schäden an Umwelt und Menschen zu stellen, würde nach dem Sachstand der Anklage auch teuer bis unbezahlbar werden. Aus Vietnam wird beispielsweise über tausende Fälle von Nierenerkrankungen nach der Nutzung von Glyphosat in den Reisfeldern berichtet werden - viele davon mit tödlichem Ausgang. Aus Kolumbien wird dargestellt, wie im Rahmen des staatlich organisierten »Plan Columbia« neben der Zerstörung von großflächigen Koka-Anpflanzungen durch das rücksichtslose Versprühen von Roundup
auch massiv die Ernten der Kleinbauern vernichtet wurden. Das Tribunal fokussiert auf die Rolle des Unternehmens und die Schuldfrage. Dazu wird die Anklage drei Kategorien von Fällen präsentieren: ZeugInnen werden von Fehlgeburten, Geburtsfehlern, Krebs, Allergien, Nierenschäden und Atemwegserkrankungen berichten. Bäuerinnen und Bauern werden die Zunahme von Geburtsschäden bei ihren Tieren darstellen, nachdem diese mit transgenen Sojabohnen und Mais gefüttert worden waren. Wissenschaftler werden Untersuchungsergebnisse präsentieren, beispielsweise über die gesundheitlichen Auswirkungen von Glyphosat auf Böden, Kulturpflanzen und die menschliche Gesundheit. Der ehemalige UN-Sonderbeauftragte für das Recht auf Ernährung
und heute Professor der Université Louvain (Belgien), Olivier de Schutter, hat gemeinsam mit Studentinnen und Studenten das juristische Fundament der Anklage erarbeitet. Innerhalb eines Jahres wurde analysiert, inwiefern dem Unternehmen Monsanto eine strafwürdige Missachtung der »Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte« und dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshof nachgewiesen werden kann. In den Leitprinzipien sind auf internationaler Ebene die Verantwortlichkeiten von Unternehmen im Hinblick auf die Menschenrechte rechtswirksam dargelegt. Unternehmen sind zur Einhaltung der Gesamtheit der Menschenrechte, einschließlich des »Rechts auf Leben«, des »Rechts auf Gesundheit« und »des Rechts auf eine gesunde Umwelt« verpflichtet.

Rennomierte JuristInnen

Zudem haben die Juristinnen Valerie Cabanes und Emelie Gaillard von der europäischen Initiative »End Ecocide on Earth« Expertisen zum Tatbestand des »Ökozids« erarbeitet. Valerie Cabanes: »Die Allmenden des Planeten müssen durch internationales Recht geschützt werden. Wir verlangen, dass das Verbrechen des Ökozides vom Internationalen Strafgerichtshof anerkannt wird.« Im Römischen Statut sollten einst fünf »Verbrechen gegen den Frieden« strafbar sein: Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Verbrechen der Aggression und Ökozid. Letzteres wurde 1996 auf Druck von den USA, England, Frankreich und den Niederlanden nicht als Völkerrechtsverbrechen in die Gesetzbücher aufgenommen und die Verantwortlichen in Unternehmen blieben bis heute bei der Verursachung massiver Umweltschäden persönlich nicht haftbar. Für die Rollen der RichterInnen des Tribunals konnten drei international renommierte JuristInnen gewonnen werden. Francoise Tulkens (Belgien), ehemalige Vizepräsidentin des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte führt den richterlichen Vorsitz gemeinsam mit Dior Fall Sow (Senegal), ehemalige Generalanwältin des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda und Upendra Baxi (Indien), ehemaliger Präsident der Indischen Gesellschaft für Internationales Recht. Die Verhandlungen finden am 15. und 16. Oktober 2016 im International Institute of Social Studies (ISS) statt. Das »Urteil«, das juristische Gutachten des Richterstuhls, wird im Dezember 2016 veröffentlicht. Es wird allen sozialen Bewegungen weltweit als Referenzgrundlage in gerichtlichen Auseinandersetzungen mit Konzernen zur Verfügung stehen.

Das People´s Assembly

Unweit zu den juristischen Verhandlungen des Tribunals wird im Bazaar of Ideas eine sogenannte People´s Assembly (PA) stattfinden. Für alle interessierten Organisationen und Personen besteht die Möglichkeit der aktiven Teilnahme. Das PA soll ein offener diskursiver Ort der Bewegungen für Ernährungssouveränität werden. Hier können alle NGOs ihre Themen darstellen und neue Koalitionen finden. Vorschläge für Programmpunkte für die PA können per eMail an pa(at)monsanto-tribunal(dot)org eingebracht werden.

Holger Lauinger ist mit Mark Wagner für die Kampagne »Monsanto Tribunal« im deutschsprachigen Raum zuständig.

 

 

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