»Fluchtrecherchen «, 11 Kurzfilme zum Thema Flucht , 2016

Filmstudium trifft Realität

 

 

 

»Fluchtrecherchen «, 11 Kurzfil me zu m The ma Flucht , 2016

Filmstudium trifft Realität

Normalerweise lernen Studierende an Filmschulen und Medienfakultäten das Handwerk des Filmemachens. Die Realität kommt erst später.

Angelika Nguyen, Berlin

Was aber, wenn immer neue Nachrichten über Flüchtende die Ticker stürmen, wie im Sommer 2015? Wenn immer mehr entkräftete Menschen aus anderen Erdteilen, falls nicht unterwegs gestorben, an Stränden landen, wo andere ihre Fischkutter ausfahren oder Urlaub machen? Was, wenn diese Berichte ein paar Film-Studierenden hier nicht aus dem Kopf gehen, denen, die in der gemütlichen Festung Europa sitzen, genug Essen haben und ein Dach überm Kopf und die größten Sorgen das Semesterticket und die Idee für die nächste Filmübung sind? »Die Realität brach in unsere Filmwelt ein.« So formulierte es eine von ihnen. Initiiert und betreut von Filmregisseur und Filmautor Michael Klier, wurde ein besonderes Seminar gestartet: 14 Studierende von der Filmuniversität Potsdam und der Bauhaus Universität Weimar nahmen daran teil. Der Titel des Projekts war Programm: »Fluchtrecherchen«. Dabei sollte der Begriff »Flucht« weit gefasst sein und auch das Wort »Recherche« – eben auf der Suche sein: was fällt dir ein zu dem Thema, was weißt du darüber, was weißt du über Bedingungen von Geflüchteten auf ihrer Reise und bei ihrer Ankunft, welche Bilder erzeugt das Wort Flucht bei dir, was hat das mit dir und deinem eigenen Leben zu tun? Darauf hatte jede und jeder eine ganz eigene Antwort. Resultat: 11 Kurzfilme zeigen 11 Perspektiven auf das Thema Flucht. In dem Film »Wegweiser« zum Beispiel wählt die Regisseurin einen ganz persönlichen Zugang und schafft mittels Montage einen Zusammenhang zwischen der Ankunft von Geflüchteten 2015 in Braunau, Hitlers Geburtsort, dem Schicksalspathos von Wagner-Musik, der Flucht der eigenen jüdischen Familie vor der Naziverfolgung und einer Gestalt am Meeresufer, eingehüllt in jene silbergoldene Rettungsdecke, die wir aus den Nachrichten kennen. Ein anderer Film erzählt die fiktionale Geschichte einer Frau, die allein auf einer Insel landet; eine Kurzstudie über Einsamkeit. Eine Doku zeigt einfach nur Stillleben in einem Wohnheim für Geflüchtete: kochender Wasserkessel, Kinderzeichnungen, verlassene Betten – ohne Menschen, ohne Musik. Stimmungen im LaGeSo werden gleich von zwei Filmen eingefangen, in »Herbstgesänge« singen die Protagonisten für die Kamera Heimatlieder, und für Humor sorgt der Film »Meinungsaustausch«, der sprechende Geflüchtete (im Bild) mit O-Tönen von Pegida- Anhänger_innen (im Ton) falsch synchronisiert.

Der Schlussfilm, sicher nicht zufällig, zeigt die erfundene Diskussion einer Festivaljury: Begriffe wie »Völkermord«, »Kindersoldaten«, »Fluchtrouten« werden akademisch einander zugeworfen, während eine Jurorin auf die Uhr sieht und die Bahn nicht verpassen will. Ein böses Bild unserer selbst, das die Regisseurin im Projekt verteidigen musste. Aber manchmal muss es eben böse sein.

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