Konferenz in Hamburg vom 3. - 5. April

Die kapitalistische Moderne herausfordern

Es wird eine große Konferenz im Audimax der Hamburger Universität . Mehr als tausend Teilnehmer*innen aus aller Welt werden erwartet, informiert Reimar Heider, Sprecher der Initiative »Freiheit für Abdullah Öcalan«. Zusammen mit anderen kurdischen Organisationen plant er zum zweiten Mal die Konferenz »Die kapitalistische Moderne herausfordern«.

Von Heinz Weinhausen, Redaktion Köln Hintergrund ist die Revolution in Rojava, wo trotz der IS-Armeen und trotz des syrischen Bürgerkrieges versucht wird, eine neue Gesellschaft in direkter Demokratie aufzubauen. Der Nationalstaat wird dabei als kapitalistische Erfindung abgelehnt. Damit macht sich nach Chiapas in Mexiko eine zweite Region auf den langwierigen Weg, Kapitalismus zu überwinden, ohne dessen Staat zu erobern. Ein zentraler Pfeiler ist dabei die Frauenbewegung, die nichts weniger als die Befreiung aller Frauen aus Bevormundung und traditioneller Unterdrückung anstrebt.

Diese neue Strategie, »demokratischer Konföderalismus« genannt, die Öcalan für die kurdischen Regionen konkretisiert hat, wirft viele Fragen auf. Ist eine solch radikale Umsetzung tragfähig und überhaupt eine Möglichkeit für die Demokratien Europas? Dazu braucht es Analysen, »Sezieren der Moderne«, wie die Organisatoren schreiben. So werden die Thesen von Öcalan in Bezug gesetzt zu anderen Theoretikern wie Gramsci, Foucault, Marx, Braudel, Wallerstein. Dort zarte Praxis von demokratischem Konföderalismus, hier eine zerfallende Moderne, die nicht weiter weiß. In diesem Spannungsfeld will die Konferenz eine Brücke sein, konstruktiv zueinander und weiter zu kommen. Referent*innen mit internationaler Besetzung werden Input's zum Diskutieren geben. Auch der von vielen geschätzte John Holloway ist dabei. Eines seiner Werke heißt »Die Welt verändern, ohne die Macht zur ergreifen.« Aus Chiapas werden Erfahrungen aus erster Hand einfließen. Hinweis: Es wird Simultan-Übersetzung in mehrere Sprachen angeboten.

Weitere Informationen und Anmeldung: http://networkaq.net

 

 

Prinzipien des Demokratischen Konföderalismus



von Abdullah Öcalan

1. Das Selbstbestimmungsrecht der Völker beinhaltet das Recht auf einen eigenen Staat. Jedoch vergrößert die Gründung eines Staates nicht das Maß der Freiheit eines Volkes. Das auf Nationalstaaten basierende System der Vereinten Nationen ist ineffizient geblieben. Mittlerweile sind Nationalstaaten zu ernsthaften Hindernissen für jegliche gesellschaftliche Entwicklung geworden. Der Demokratische Konföderalismus ist das Gegenparadigma des unterdrückten Volkes.


2. Der Demokratische Konföderalismus ist ein nichtstaatliches gesellschaftliches Paradigma. Er wird nicht staatlich kontrolliert. Zugleich ist er der kulturell-organisatorische Entwurf einer demokratischen Nation.


3. Demokratischer Konföderalismus basiert auf der Mitwirkung der Basis. Seine Entscheidungsfindungsprozesse liegen bei den Gemeinschaften. Höhere Ebenen dienen nur der Koordination und Umsetzung des Willens der Gemeinschaften, die ihre Delegierten zu den Vollversammlungen schicken. Für einen begrenzten Zeitraum sind sie sowohl Sprachrohr als auch ausführendes Organ. Jedoch liegt die grundlegende Entscheidungsgewalt bei den lokalen Basisorganisationen.


4. Dem Mittleren Osten kann Demokratie nicht durch das kapitalistische System und seine imperialen Mächte aufgezwungen werden, die ihr nur Schaden zufügen. Die Verbreitung der Basisdemokratie ist von fundamentaler Bedeutung. Dies ist die einzige Methode, die angesichts verschiedener ethnischen Gruppen, Religionen und Klassenunterschiede bestehen kann. Sie passt auch gut zur traditionellen konföderalen Gesellschaftsstruktur.


5. Der Demokratische Konföderalismus in Kurdistan ist gleichzeitig eine anti-nationalistische Bewegung. Sie beabsichtigt die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts der Völker durch die Ausweitung der Demokratie in allen Teilen Kurdistans, ohne die bestehenden politischen Grenzen infrage zu stellen. Ihr Ziel ist nicht die Gründung eines kurdischen Nationalstaates. Die Bewegung beabsichtigt die Etablierung föderaler, allen Kurden offenstehender Strukturen im Iran, in der Türkei, in Syrien und im Irak und gleichzeitig die Bildung einer übergreifenden Konföderation für alle vier Teile Kurdistans.


Bücher und Broschüren von Abdullah Öcalan: ocalan-books.com

 

 

Kommentar: Welche Bedeutung hat Abdullah Öcalan?

Der PKK-Mitbegründer und langjährige Vorsitzende Abdullah Öcalan, der nun schon seit 15 Jahren auf einer türkischen Gefängnisinsel inhaftiert ist, gilt auch in Rojava als Führungspersönlichkeit. Eine der Frauen, mit der wir darüber gesprochen haben, sagte: Öcalan ist ein wichtiger politischer Denker, er kann gut schreiben und unterstützt die Frauenbefreiung. Die Texte, die Öcalan schreibt, werden gelesen, diskutiert und auch kritisiert. In der Bevölkerung herrscht oft die Meinung vor, wenn es von Öcalan komme, sei es gut, ohne weiter darüber nachzudenken. Ich denke, er hat die Funktion, die kurdische Bewegung mit ihren verschiedenen politischen Strömungen zusammenzuhalten, weil er von allen respektiert wird. Für uns in Westeuropa ist das Führerprinzip mit dem NS-Faschismus und autoritären Strukturen verbunden. Kurdische Freundinnen sagen dagegen, Führung sei für sie etwas anderes, als einer Person zu gehorchen. Öcalan verhandelt vom Gefängnis aus mit der türkischen Regierung über einen Friedensplan. Die Forderung nach seiner Freilassung ist wichtig. Die politische Perspektive an eine Person zu binden, finde ich selbst aber hinterfragenswürdig.

(Weiteres Kapitel aus dem Reisebericht "Die demokratische Revolution von Rojava" von Seite 4)




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