Genossenschaften benötigen Finanzierungen durch ihre Mitglieder

Stellungnahme des ZdK zum Regierungsentwurf

Am 12. November 2014 wurde seitens der Bundesregierung ein Regierungsentwurf zum Kleinanlegerschutzgesetz vorgelegt. Ziel ist, den Schutz von Anlegern zu erhöhen. Mit dem Kleinanlegerschutzgesetz sollen Anleger dank neuer Transparenzregeln und verbesserter Informationen künftig die Risiken von Vermögensanlagen besser einschätzen können. Im Gegensatz zum Referentenentwurf aus dem August sieht der Entwurf eine Ausnahmeregelung für Genossenschaften vor. Besonders engagiert in der Genossenschaftslandschaft setzt sich der Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften e.V. (ZdK) für eine Lösung ein, die auch für kleine Genossenschaften praktikabel bleibt. Nachfolgend werden die wichtigsten Argumente des ZdK, meistens vorgetragen von dem Rechtsanwalt und Vorstandssprecher Matthias Fiedler, wiedergegeben.

Burghard Flieger, Redaktion Genossenschaften Der Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften e.V. mit Sitz in Hamburg ist ein Genossenschaftsverband, bei dem meist kleinere Genossenschaften zusammengeschlossen sind. Darunter sind zahlreiche Genossenschaften, die ihre Projekte durch Mitgliederdarlehen oder Nachrangdarlehen finanzieren. Zu diesen gehören Genossenschaften, die Dorfläden betreiben, aber auch genossenschaftliche Wohnprojekte und Schulgenossenschaften, die von der Neuregelung besonders betroffen wären. Der ZdK begrüßt, dass Bundesregierung eine Regelung für Genossenschaften aufgenommen hat. Er vertritt aber die Ansicht, dass die gegenwärtige Regelung für eine Reihe von Genossenschaften so nicht ausreicht und fordert Nachbesserungen.

Ausnahmen für Genossenschaften

Kern des Gesetzes ist die Erweiterung des Anwendungsbereichs des Vermögensanlagegesetzes um weitere »Produkte«, zum Beispiel Nachrangdarlehen und partiarischen Darlehen. Die Anbieter solcher »Produkte« müssen zukünftig:

  • einen Verkaufsprospekt erstellen und durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) billigen lassen,

  • ein Vermögensanlagen-Informationsblatt erstellen,

  • Werbebeschränkungen beachten und

  • einen Jahresabschluss mit Lagebericht jährlich prüfen und testieren lassen.

Genossenschaften sind davon befreit, wenn sie:

  • die »Anlagen« ausschließlich den Mitgliedern der Genossenschaft anbieten,

  • darauf hinweisen, dass eine Prospektpflicht nicht besteht und

  • den Mitgliedern vor Vertragsschluss die wesentlichen Informationen über die Vermögensanlage zur Verfügung stellen.

Die Informationspflicht für Mitglieder einer Genossenschaft ist sinnvoll. Der ZdK betont aber, die Ausnahme greift zu kurz, da nur den Mitgliedern der Genossenschaft Angebote unterbreitet werden können. Genossenschaften, die auf Mitgliederzuwachs angewiesen sind oder einen Mitgliederwechsel haben, und für Genossenschaften in der Gründungsphase hilft dies nicht weiter. Daher fordert er, dass die Ausnahme ausgeweitet wird.

Kritische Anmerkungen

Außerdem vertritt der ZdK die Auffassung,

  • dass Mitgliederdarlehen von Genossenschaften eigentlich nicht in den Anwendungsbereich des Vermögensanlagengesetzes fallen müssen,

  • Nachrangdarlehen keine Umgehungstatbestände sind, die es zu regulieren gilt, weil dies häufig die einzige Möglichkeit von Unternehmen ist, außerhalb des Banksektors überhaupt Fremdkapital zu bekommen,

  • dass das Kleinanlegerschutzgesetz nicht dazu geeignet ist, den Kleinanleger zu schützen, weil der Verkaufsprospekt zu komplex ist.

Die Beschränkung darauf, dass die »Anlagen« »ausschließlich« Mitgliedern »angeboten« werden dürfen, wird in der Praxis zu großen Problemen führen. Schließlich sind Genossenschaften nach § 1 GenG »Gesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl«. Das bedeutet, sie sind auf einen Mitgliederzuwachs bzw. auf einen (regelmäßigen) Mitgliederwechsel ausgerichtet:

  • Dorfläden werben in der Regel regelmäßig dafür, Mitglied der Genossenschaft zu werden, um nicht nur mit Umsätzen, sondern auch mit Eigenkapital das Vorhaben zu unterstützen,

  • genossenschaftliche Wohnprojekte müssen bei einem Auszug regelmäßig dafür sorgen, dass neue Mitglieder dazu kommen,

  • Schulgenossenschaften müssen jedes Jahr den Wechsel eines gesamten Klassenverbandes organisieren.

Widersprüchlichkeit zur Gründungsprüfung

Vor diesem Hintergrund betont Fiedler: »Wenn diese Genossenschaften nicht schon bei der Mitgliedwerbung auf die »Anlagen« hinweisen können, dann würde das dazu führen, dass bei der Mitgliederwerbung nicht die vollständigen Informationen gegeben werden können, die die Mitgliedschaftsbedingungen betreffen. In einem ersten Schritt müsste der (reine) Mitgliedserwerb stehen und erst in einem zweiten Schritt dürfte dann das »Anlageangebot« unterbreitet werden. Eine solche Vorgehensweise könnte von den neuen Mitgliedern als überraschend oder sogar unehrlich angesehen werden, weil nicht alle Rahmenbedingungen schon bei der Werbung für die Mitgliedschaft bekannt waren.«

Die neuen Anforderungen würden genossenschaftlichen Neugründungen erhebliche Probleme bereiten. Sie könnten zu einem weitgehenden Stopp bei erst seit wenigen Jahren angelaufenen kleinen Gründungswelle führen. Hintergrund hierfür ist die Besonderheit der Genossenschaft. Dies führt, so der ZdK, dazu dass die Initiatoren entsprechende Angebote an potentielle Mitstreiter erst weiterleiten könnten, wenn diese Mitglied einer eingetragenen Genossenschaft sind. Das ist aber erst dann der Fall, nachdem das Registergericht die Eintragung vorgenommen hat. Vor der Eintragung muss jedoch ein genossenschaftlicher Prüfungsverband das Vorhaben auf Wirtschaftlichkeit prüfen. Grundlage dieser Prüfung ist insbesondere der Finanzplan der zu gründenden Genossenschaft. Dieser Finanzplan muss durch geeignete Unterlagen plausibel gemacht werden.

Finanzierung muss stehen

Plant die Genossenschaft mit Mitgliederdarlehen, dann könnten diese nicht belegt werden, weil diese in dieser Phase noch nicht bzw. nur bis zu einem Betrag in Höhe von 100.000,00 Euro eingeworben werden könnten. Gründungen mit Mitgliederdarlehen würden so nahezu verhindert. Die Finanzierung von Vorhaben von Genossenschaften durch die Mitglieder entspricht dem Grundsatz der Selbsthilfe von Genossenschaften. Um diese Probleme zu beseitigen, sollte der Fokus der Ausnahmeregelung, so die Forderung des ZdK, nicht auf dem Angebot an die Mitglieder liegen, sondern auf die Annahme des Angebotes.

Das bedeutet, sobald der Emittent eine Genossenschaft im Sinne des § 1 des Genossenschaftsgesetzes ist und seine Angebote ausschließlich mit den Mitgliedern der Genossenschaft abgeschlossen werden, sollen die Regelungen so nicht gelten. Unter diesen Bedingungen muss es einer Genossenschaft möglich sein, auf ihre »Anlagen« hinweisen zu dürfen, bzw. in der Gründungsphase entsprechende Angebote einholen können. Bei solchen Angeboten sind aber auch »wesentlichen Informationen« (§ 2 Absatz 2 VermAnlG-E) zu geben, so dass die Gefährdung der Interessen der Mitglieder nicht zu befürchten ist. Ein Abschluss erfolgt dann nur im Rahmen einer Mitgliedschaft, so dass die regelmäßigen Informationen über die weitere Entwicklung der eG sichergestellt sind.

Mitgliederdarlehen als Alternative

Grundsätzlich vertritt der ZdK die nachvollziehbare Auffassung, dass Mitgliederdarlehen von Genossenschaften, aber auch von eingetragenen Vereinen keine »öffentlichen Angebote« an ein »Publikum« sind. Die Auslegung, dass die Mitglieder einen breiten »Anlegerkreis« darstellen, die den Schutz des VermAnlG oder des Kreditwesengesetzes (KWG) benötigen, teilt er deshalb nicht. Auch unter der Berücksichtigung von europarechtlichen Vorgaben ist dies nicht zwingend. Auf Anfrage wurde dem ZdK dies von der EU-Kommission bereits 2008 mitgeteilt. Entsprechend lässt sich das Problem nach Einschätzung des ZdK auch dadurch lösen, dass die Mitglieder- bzw. Gesellschafterdarlehen nicht unter den Begriff des Einlagengeschäfts fallen. Dann müssten diese auch nicht mit den für die Kreditgeber eher nachteiligen Rangrücktrittsklauseln versehen werden.

Abschließend betont der ZdK in seiner Stellungnahme, dass CDU/CSU und SPD Koalitionsvertrag (Deutschlands Zukunft gestalten) sich darauf verständigt haben, die Möglichkeiten der Mitgliederdarlehen bei Genossenschaften wieder einzuführen. Unter dem Kapitel »Wachstum, Innovation und Wohlstand« ist zum Thema »Existenzgründer und Wachstumsfinanzierung« vereinbart worden: »Wir werden Genossenschaften die Möglichkeit der Finanzierung von Investitionen durch Mitgliederdarlehen wieder eröffnen.« Insofern lautet die Schlussfolgerung des ZdK: »Die Ausnahme für Genossenschaften bei partiarischen Darlehen, Nachrangdarlehen und sonstige Anlagen kann da nur ein erster Schritt sein, die Ermöglichung von Mitgliederdarlehen (ohne Nachrangklausel) wäre der konsequente zweite Schritt.«

Mailingliste

Einfach hier eintragen:
lists.contraste.org/sympa/info/contraste-liste

Die Umgangsfomen zwischen den NutzerInnen dieser Liste haben wir in einer Netiquette festgelegt.


Schnupperabo

CONTRASTE kann einmalig zum Sonderpreis von 9 € drei Monate lang "beschnuppert" werden. Dieses Schnupperabo endet automatisch und muss nicht gekündigt werden. Hier bestellen ...


Lest Contraste

CONTRASTE kostet im Abo 45 Euro (europ. Ausland 51). Oder Ihr könnt Fördermitglied werden: Mindestbeitrag 70 Euro. Hier abonnieren oder beitreten.


Lexikon der Anarchie

Was bedeutet eigentlich Selbstverwaltung?
Hier könnt ihr es nachlesen.