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Monatszeitung für Selbstorganisation

 

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Ergebnisse

 

Politische und rechtliche Rahmenbedingungen des Dritten Sektors

Kongreß vom 23.4 - 25.4.99 an der Humboldt- Universität zu Berlin

VeranstalterInnen:

Netzwerk Selbsthilfe e.V.

Initiative Anders Arbeiten

Contraste - Monatszeitung für Selbstorganisation

RefRat Humboldt-Universität Berlin

Mit freundlicher Unterstützung der Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt, des RefRats der Humboldt-Uni, dem Landesvorstand der PDS Berlin, dem Projektefonds Bündnis 90/Die Grünen und dem Landesvorstand der SPD-Berlin.

 

Konferenzablauf

 Freitag, 23.4.99

 19.00 Uhr Begrüßung und Einleitung - Dino Laufer (Vorstand Netzwerk Selbsthilfe)

 19.30 Podiumsdiskussion

Zukunft des 3. Sektors - Utopien für ein anderes Arbeiten

Es diskutieren: Prof. Ingrid Kurz-Scherf (Uni Bielefeld), Prof. Rolf Schwendter (FH Kassel; Arbeitsgemeinschaft sozialpolitischer Arbeitskreise), Norbert Trenkle (Köln), Prof. Annette Zimmer (Uni Münster).
Moderation: Holger Thärichen (Anwalt, Berlin)

Samstag, 24.5.99

10.00 Uhr Auftaktplenum mit Informationen zu den Workshops

Workshops:

Globale Existenzsicherung

Lokale Foren

Genossenschaften

Existenzgeld

Gender

Tauschringe

Zweiter Arbeitsmarkt

Selbstverwaltung - Neue Arbeit

 

13.00 Uhr - 14.30 Uhr Mittagessen

14.30 Uhr Fortsetzung der Workshops

16.30 Uhr Perspektiv- und Strategiediskussion

ab 20.00 Uhr Fest mit Kulturprogramm  

20.00 Uhr „Im Namen der Rose" - Chanson- und Prostestduo

20.45 Uhr Lesung aus dem Kommunebuch

Uhr Trommeln mit den USAMBARAS

22.00 Uhr Disco und Tanz

 Sonntag, 25.4.99

Abschlußveranstaltung

10.30 Uhr Karbarett zu Rot/Grün mit Gerald Wolf

11.00 Uhr Podiumsdiskussion: Wir fordern soziale Rahmenbedingungen !!!

Übergabe des Forderungskataloges Berliner Frühlingspapier" an die Öffentlichkeit

Konfrontation von PolitikerInnen mit Forderungen des Dritten Sektors

Es diskutieren

Wolf Schulgen (Staatssekretär für Arbeit und berufliche Bildung, SPD, Berlin), Dr. Sybill Klotz (B’90/Grüne, MdA, Berlin), Dr. Heidi Knake-Werner (PDS, MdB, Bonn), Petra Meyer (Abteilungsleiterin für Arbeitsmarktpolitik und Gleichstellungspolitik beim DGB Berlin-Brandenburg), Moderation: Leonie Baumann (Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, Berlin)

In Planung: Konferenz-Reader (erscheint im Spätsommer/Frühherbst 1999)

Kontakt: Netzwerk Selbsthilfe e.V.

Kongreßbüro

Gneisenaustr. 2a

10961 Berlin

Tel.: 030/695 98 306

Fax: 030/691 30 05 Email: Netzwerk-Kongress@t-online.de

Kongreß: „Anders Arbeiten - oder gar nicht?!"

23.4. - 25.4.99 Humboldt-Universität zu Berlin

Präambel zum „Berliner Frühlingspapier"

„Nirgendwo ist geschrieben, daß eine Arbeit nur dazu da sein soll, einem Arbeitgeber verkauft zu werden, der sie sich aneignet" (André Gorz)  

1. Kongreß „Dritter Sektor"

Vom 23. bis 25. April 1999 treffen sich AkteurInnen aus dem „Dritten Sektor" zu einem gemeinsamen Kongreß: Selbstverwaltete Projekte, Soziale Betriebe, Bürgerinitiativen, Erwerbslosengruppen, Tauschringe, Vereine, Selbsthilfe- und Interessengruppen. Viele arbeiten in selbstbestimmten bzw. selbstorganisierten Arbeitsformen jenseits von Markt und Staat. Diese Arbeit ist weder an marktwirtschaftlichen Profitinteressen ausgerichtet, noch wird sie unmittelbar von Staatsverwaltungen gesteuert. Andere sind - beispielsweise als Mitglieder von Genossenschaften - täglich mit den Marktzwängen konfrontiert. Unser Kongreß richtet sich darüber hinaus an alle Menschen, die nach Alternativen zur Lohnarbeitsgesellschaft suchen.

In Deutschland verbinden sich drei gesellschaftliche Bewegungen mit dem „Dritten Sektor":

Die genossenschaftlichen Ansätze der ArbeiterInnenbewegung und der Gewerkschaften,

der Selbstverwaltungsansatz aus der Alternativ- und Frauenbewegung und

die Bürgerrechtsbewegungen aus der alten BRD und der untergegangenen DDR.

Mit unserem Kongreß wollen wir die verschiedenen Ansätze und Erfahrungen zusammenführen. Für den Ausbau der sozialen Ökonomie und die Zukunft der Arbeit sind wir uns in folgenden Zielen einig:

dem Recht auf Existenz im Sinne einer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ohne Arbeitszwang,

der Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von oben nach unten, und zwischen „Nord und Süd".

der gleichen Verteilung und Bewertung von Arbeit zwischen den Geschlechtern,

der Bereitstellung von Möglichkeiten zur selbstverwalteten und kollektiven Arbeit.

Diese Vorstellung des „Dritten Sektors" wollen wir gesellschaftlich stärken. Wir werden unsere Utopien für ein anderes Arbeiten weiterentwickeln, konkrete Forderungen erarbeiten und Strategien diskutieren. 

2. Soziale Ökonomie als Chance

Wir wollen die Arbeitsgesellschaft verändern: Der „Dritte Sektor" ist für uns ein Raum für Erfindung und Erprobung verschiedener Formen sozialorientierten und nachhaltigen Wirtschaftens. Wir stellen die alten Bewertungen von produktiver und unproduktiver Arbeit infrage. Unsere Arbeit orientiert sich statt dessen an sozialen, ökologischen und entwicklungspolitischen Zielen. 

Von einer sozialen Ökonomie gehen Impulse aus für:

eine Orientierung der Arbeit an Gebrauchswert und Sinnhaftigkeit statt am Profit.

eine demokratische und selbstverwaltete Organisation von gesellschaftlich notwendigen Tätigkeiten.

die Neuaufteilung von Arbeit zwischen Männern und Frauen und für Geschlechterdemokratie.

3. Arbeitsgesellschaft im Umbruch

Das „fordistische Normalarbeitsverhältnis" war in der Bundesrepublik u.a. geprägt durch Vollzeitlohnarbeit (für Männer), monotone Arbeitsinhalte und ökologisch schädliche Produktion und Konsumtion. Die Einführung neuer Technologien und die Umwälzung der Arbeitsorganisation steigerte die Produktivität rapide. Immer weniger Arbeitskräfte werden benötigt, um ständig wachsenden Reichtum zu produzieren. Ein Zurück zum „Fordismus" ist weder realistisch, noch wünschenswert.

Am Ende des Fordismus könnte die Infragestellung der Lohnarbeitsfixierung durchaus inspirierend wirken. Gleichzeitig nennen wir es Gewalt

wenn Jugendlichen der Zugang zur Arbeitsgesellschaft verwehrt wird, wenn versucht wird, Frauen verstärkt auf Ehrenamt und Hausarbeit festzulegen, wenn Erwerbslose stigmatisiert, gegängelt, und nicht selten kriminalisiert werden,

wenn Frauen verstärkt in Niedriglohngruppen gedrängt werden, wenn weltweit die Zahl von Menschen ohne gesichertes Einkommen und die Zahl von prekären, entwürdigenden Arbeitsverhältnissen wächst,

wenn Flexibilisierungsstrategien die Beschäftigten zum jederzeit einsetzbaren Anhängsel der „atmenden Fabrik" degradieren,

wenn 16 Jahre konservative Umverteilungspolitik von unten nach oben den Beitrag von Unternehmen und Reichen am Gesamtsteuereinkommen ständig gesenkt haben.

Die Menschen spüren, was es heißt: Lohnarbeiten zu müssen und nicht Lohnarbeiten zu können!

4. Anders Arbeiten oder gar nicht?!

Die rot-grüne Bundesregierung setzt auf herkömmliche arbeitsmarktpolitische Konzepte („Wettbewerbsfähigkeit", klassische Beschäftigungsprogramme usw.) und verharrt in traditionellen Vorstellungen von Normalarbeitsverhältnis und Sozialstaat. Wie bei den Neoliberalen gibt es auch hier starke Strömungen, die die Gewährung von Sozialleistungen an die Ableistung von Arbeit koppeln wollen („workfare"). Der „Dritte Sektor" als billiges Auffangbecken für die aus dem ersten Arbeitsmarkt „Ausgestoßenen"?

Längst aber haben sich zahlreiche Zusammenhänge in unserer Gesellschaft aufgemacht, ein bedarfsorientiertes und nachhaltiges Wirtschaften zu entwickeln und zu fordern. Diese selbstbestimmte Arbeit wollen wir, genauso wie das Recht auf Müßiggang. Im Bündnis mit anderen gesellschaftlichen Kräften wollen wir die folgenden Forderungen diskutieren und durchsetzen.

Berliner Frühlingspapier  

Forderungskatalog der Arbeitsgruppen der Konferenz „Anders arbeiten - oder gar nicht?!" - Politische und rechtliche Rahmenbedingungen des „Dritten Sektors" Forderungskatalog der Arbeitsgruppen der Konferenz „Anders arbeiten - oder gar nicht?!" - Politische und rechtliche Rahmenbedingungen des „Dritten Sektors" Humboldt-Uni zu Berlin 23.4. - 25.4.99 (Zusammenfassung). 

1. Selbstorganisiertes Leben und Arbeiten fördern!

2. Umbau des Öffentlich geförderten Beschäftigungssektors

3. Lokales Wirtschaften für eine nachhaltige Entwicklung fördern!

4. Genossenschaftliches Arbeiten fördern!

5. Tauschringe ausbauen!

6. Geschlechterdemokratie durchsetzen!

7. Arbeitszeit kollektiv verkürzen!

8. Existenzgeld als Grundsicherung für alle!

9. Globale Existenzsicherung und Dritter Sektor

1. Selbstorganisiertes Leben und Arbeiten fördern 

Selbstorganisation und Selbstverwaltung sollen als demokratische Organisationsformen des Lebens und Arbeitens ermöglicht und besonders gefördert werden.

Wir gehen davon aus, daß allen Menschen die Möglichkeit offen stehen soll, die Gestaltung ihres Lebens in die eigenen Hände zu nehmen. Das Leben und Arbeiten soll von den Menschen selbst im Rahmen autonomer Projekte organisiert werden. Autonomie in diesem Zusammenhang bedeutet, daß die Unterstützung selbstverwalteter Projekte nicht mit ihrer Einbindung in staatliche, bürokratische Strukturen verbunden werden darf. Lokale Strukturen sollen von den direkt betroffenen lokalen AkteurInnen selbst organisiert werden.

Seit den 70er Jahren gibt es eine bunte Szene von selbstverwalteten Betrieben, Wohnprojekten, Kulturinitiativen etc. Viele Menschen haben sich darin Arbeitsmöglichkeiten außerhalb traditioneller, hierarchischer Beschäftgungsverhältnisse geschaffen. Selbstverwaltete Betriebe im Besitz der Belegschaft sind zwar mehr oder weniger eng am Markt tätig, aber nicht mit kapitalistischem Profitinteresse, sondern zur Erwirtschaftung des Lebensunterhalts der Beteiligten. NETZWERK SELBSTHILFE ist nun schon im 21. Jahr ein politischer Förderfonds, der solche Gruppen finanziell unterstützt. CONTRASTE - DIE MONATSZEITUNG FÜR SELBSTORGANISATION berichtet seit 15 Jahren über alternative Projekte in Stadt und Land.

Angesichts der Massenerwerbslosigkeit kann die kollektive, autonome Organisation des Lebens und Arbeitens eine Form sein, finanzielle Sicherheit und soziale Einbindung auch für Menschen außerhalb der traditionellen Selbstverwaltungsszene zu realisieren. Um selbstverwaltete und selbstorganisierte Formen des Lebens und Arbeitens dauerhaft zu ermöglichen, müssen sich die materiellen Grundlagen dieser Projekte im gemeinschaftlichen Besitz befinden. Für Menschen, die nicht über die Mittel zum Aufbau tragfähiger Projekte verfügen, soll der Staat entsprechende Möglichkeiten bereitstellen. 

Konkrete Forderungen:

Bereitstellung von Grund und Boden: Für selbstorganisierte Initiativen von Erwerbslosen, BewohnerInnen eines Stadtteils etc. sollen Gelände zur Verfügung gestellt werden, z.B. Industriebrachen, Bauland, landwirtschaftliche Flächen etc.

Überlassen von Gebäuden: Überlassen von Gebäuden: Sanierungsbedürftige Gebäude sollen an Selbsthilfeprojekte übereignet werden. Sie können hergerichtet werden für preiswertes Wohnen und für handwerkliche Arbeiten, für Kultur, Information und Vernetzung. Im Rahmen der baulichen Selbsthilfe können selbstverwaltete Betriebe entstehen.

Unbürokratische Bewilligung von Fördermitteln: Für Projekte in gemeinschaftlichem Eigentum der Beschäftigten, BewohnerInnen etc. sollen die Formalitäten zur Beantragung und Abrechnung öffentlicher Fördermittel vereinfacht und entbürokratisiert werden.

Risikokapital und Ressourcen bereitstellen: Für Sozialbetriebe, Unternehmen des "zweiten Arbeitsmarktes", neue Unternehmensformen (z.B. Genossenschaften von ehemals Arbeitslosen, Belegschaftsbetriebe) etc. soll ein Risikokapitalfonds eingerichtet werden.

Kollektive Existenzgründungen fördern: Kollektive Existenzgründungen sollen - unabhängig von ihrer Rechtsform – ebenso gefördert werden wie individuelle Existenzgründungen. Dabei soll jede beteiligte Person in gleicher Höhe gefördert werden, als würde sie eine individuelle Existenzgründung vornehmen. Eine angestrebte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im eigenen Unternehmen (z.B. in einer Genossenschaft) soll kein Förderhindernis darstellen. Damit soll auch solchen Menschen die Existenzgründung ermöglicht werden, die zu einer individuellen Existenzgründung nicht in der Lage sind. Mit der Förderung von kollektiven Existenzgründungen soll ein Beitrag zur Vermeidung drohender oder bereits bestehender Arbeitslosigkeit geleistet werden.

2. Umbau des öffentlich geförderten Beschäftigungssektors 

Der öffentlich geförderte Beschäftigungssektor soll auf der Basis von Freiwilligkeit und Selbstbestimmung der Beteiligten gesellschaftlich sinnvolle Arbeiten organisieren und durch dauerhafte öffentliche Finanzierung abgesichert sein. 

Vollbeschäftigung auf dem Ersten Arbeitsmarkt ist nicht mehr zu erwarten. Der öffentlich geförderte Beschäftigungssektor, bisher als Zweiter Arbeitsmarkt bezeichnet, ist heute eher eine Station zwischen Phasen der Arbeitslosigkeit als ein Sprungbrett in ein existenzsicherndes Beschäftigungsverhältnis. Mit groß angelegten Qualifizierungen wird suggeriert, es läge an den Arbeitslosen und ihrer mangelnden Qualifikation, daß sie keinen Arbeitsplatz finden. Viele Beschäftigungsmaßnahmen im ökologischen oder sozialen Bereich kaschieren unter dem Deckmäntelchen der "zusätzlichen Arbeit" umfangreiche staatliche Sparmaßnahmen. Unbemerkt wird die Finanzierung staatlicher Aufgaben abgebaut, und durch kurzfristige Maßnahmen zu untertariflicher Bezahlung nur unzureichend ersetzt.

Der Zweite Arbeitsmarkt soll daher zu einem öffentlich geförderten Beschäftigungssektor als einem eigenständigen Wirtschafts- und Arbeitsbereich mit Beschäftigungsperspektiven entwickelt werden. Dort sollen Menschen freiwillig und selbstbestimmt gesellschaftlich notwendige Arbeiten in sozialen, ökologischen und kulturellen Bereichen durchführen. 

Konkrete Forderungen: 

Entscheidungen zur Fördermittelvergabe demokratisieren: Die Förderentscheidungen der ZuwendungsgeberInnen sollen gebunden werden an das Votum der betroffenen Projekte und Einrichtungen. Regionale Foren sollen Entscheidungen treffen über die Verwendung von Globalhaushalten, die den Ausbau des Dritten Sektors mitfinanzieren sollen.

Finanzierung des Öffentlich geförderten Beschäftigungssektors: Der öffentlich geförderte Beschäftigungssektor kann nicht allein aus Mitteln der Arbeitsförderung finanziert werden. Es ist eine Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums erforderlich, in dem die Unternehmen und die Reichen an der Finanzierung mitbeteiligt werden (Wiedereinführung der Vermögenssteuer, Unternehmensbesteuerung, Wertschöpfungsabgabe etc.).

Langfristige Finanzierungszusagen: Die Bewilligung von Mitteln der Arbeitsförderung soll so langfristig erfolgen, daß der Förderungszeitraum zur Entwicklung tragfähiger Zukunftsperspektiven ausreicht. Den Maßnahmeträgern soll eine personelle Kontinuität und damit auch eine Qualitätsentwicklung der Produkte und Dienstleistungen ermöglicht werden.

Gesellschaftlich notwendige Arbeiten dauerhaft finanzieren: Gesellschaftlich notwendige Arbeiten - wie z.B. die Versorgung und Betreuung von Kindern, älteren Menschen oder Menschen mit Behinderungen oder der Erhalt öffentlicher Flächen und Räume - sollen über dauerhafte Leistungsverträge mit freien Trägern aus öffentlichen Mitteln finanziert werden.

 

Vergabe öffentlicher Aufträge: Sozialbetriebe, Unternehmen des Zweiten Arbeitsmarktes etc. sollen bei der Vergabe der öffentlichen Aufträge berücksichtigt werden. Damit soll ihrer gesellschaftlichen Bedeutung Rechnung getragen und ihr wirtschaftliches Funktionieren ausgebaut werden.

Tarifliche Arbeitsbedingungen: Die Verpflichtung zu untertariflicher Bezahlung in Beschäftigungsmaßnahmen muß abgeschafft werden. Statt dessen gilt es die Bewilligung von Arbeitsförderungsmitteln von der Einhaltung tariflicher Bedingungen abhängig zu machen. Ein weiteres Förderkriterium soll die Möglichkeit der Mitbestimmung oder Mitbeteiligung der Beschäftigten am Unternehmen sein.

Interessensvertretung der Beschäftigten im öffentlich geförderten Beschäftigungssektor: Die Gewerkschaften werden aufgefordert, sich für die Beschäftigten im zweiten Arbeitsmarkt oder im öffentlich geförderten Beschäftigungssektor einzusetzen und sie bei der Durchsetzung tariflicher Arbeitsbedingungen zu unterstützen.

Die Teilnahme an öffentlich geförderter Beschäftigung soll allen offenstehen: Die Berechtigung zur Teilnahme an einer geförderten Beschäftigung darf nicht an eine vorangegangene Erwerbslosigkeit mit Leistungsbezug geknüpft werden, da sonst SchülerInnen, StudienabgängerInnen, SozialhilfeempfängerInnen, ehemals Selbständige und andere ausgeschlossen sind.

3. Lokales Wirtschaften für eine nachhaltige Entwicklung fördern! 

Lokales wirtschaftliches Handeln als Kooperation von Drittem Sektor, marktwirtschaftlichen Unternehmen und Staat ist als Gegengewicht zur Globalisierung der Wirtschaft in den Vordergrund zu rücken. 

Lokalökonomisches Handeln verstehen wir nicht nur als monetäres Wirtschaften, sondern beinhaltet auch geldlosen Produkt- und Dienstleistungsaustausch (Tauschringe, Batering etc.).

 Lokales Wirtschaften ermöglicht die Entwicklung neuer Arbeitsformen und -inhalte, die mit reduzierten Stoff- und Energieumsätzen umgehen. Ziel ist ein Wirtschaften, das sich am Gebrauchswert orientiert, statt an sogenannter Rentabilität.

 Ökologische Nachhaltigkeit ist ohne „Anderes Arbeiten" nicht zu haben – neue Arbeitsformen sollen sich andererseits mit den Prinzipien einer Nachhaltigen Entwicklung vereinbaren. Die Reduzierung der gesellschaftlichen Stoff- und Energieumsätze macht eine Stärkung lokalen Wirtschaftens erforderlich, das auf lokale Bedürfnisse und nicht auf den Weltmarkt orientiert ist. Der Entmachtung lokaler Akteure durch die Globalisierung der Wirtschaft müssen neue Formen der lokalen Zusammenarbeit entgegengesetzt werden.

Forderungen:

Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für lokales Wirtschaften: Nötig sind eine Modifizierung der Kriterien von Gemeinnützigkeit und ein Abbau von Hindernissen für lokale Tauschnetzwerke (z.B. im Steuerrecht).

Umverteilung staatlicher Mittel zugunsten lokalen Wirtschaftens und sozialer Unternehmen

Gesetzliche Voraussetzungen für einen geschützten Markt: Vergabe von kommunalen Aufträgen an lokale Unternehmen des „Dritten Sektors" statt Bindung der öffentlichen Auftragsvergabe an europaweite Ausschreibungen.

Nachhaltige Konsummuster: Förderung von Produktionsformen, die nachhaltige Konsummuster ermöglichen z.B. durch eine Produzentenverantwortung für Reparatur und Rücknahme des Produktes, Verlängerung der Produktlebensdauer und die gemeinschaftliche Nutzung von Produkten.

Kiezbezogene Verantwortungsstrukturen: Aktive Förderung von Netzwerken zur Initiierung und Koordinierung von Einrichtungen. Etablieren von Service- bzw. Beschäftigungsagenturen im Stadtteil mit einem breiten Spektrum von Mitwirkungsmöglichkeiten und Kooperation mit der gewerblichen Wirtschaft.

Aufbau von lokalen Partnerschaften: Für die Initiierung und Entwicklung von sozialen Unternehmen ist der Aufbau von lokalen Partnerschaften als Aushandlungsinstrument von hoher Bedeutung. Zu beachten ist, daß staatliche Instrumentalisierung, Bürokratisierung und Harmoniesierungsvorstellungen die Entwicklung einer lokalen Ökonomie blockieren. Deshalb sollen die Instrumente AGENDA-Prozeß und "Quartiersmanagement" auf die Stärkung lokaler Akteure und ihrer Entscheidungsbefugnisse ausgerichtet sein.

4. Genossenschaftliches Arbeiten fördern! 

Ziel ist eine bessere Basis für die Gründung von Kleingenossenschaften, vor allem von Produktiv- und Professionsgenossenschaften. Neue Formen von Genossenschaften wie Sozial- und Stadtteilgenossenschaften müssen besonders gefördert werden.

 

Das Nahziel ist eine flexible kooperative Unternehmensform in der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft. Diese wäre der dringend erforderliche Rahmen für solidarisch-genossenschaftliches Handeln.

Bisher benutzte Unternehmensformen wie die GbR, die GmbH u.ä. können nur unvollkommen an die basisdemokratischen Vorstellungen angepaßt werden, während die Genossenschaft aus ihrem Selbstverständnis heraus (die „drei S": Selbstverwaltung, Selbsthilfe und Selbstverantwortung) dieser Art zu wirtschaften das passende Rechtskleid darstellt.

Um auch für kleine Gruppen, die die kollektive Selbständigkeit anstreben, die Genossenschaft attraktiv zu gestalten, wären Hemmnisse abzubauen. Der Gestaltungsspielraum soll im Sinne von mehr Demokratie und Abbau unnötiger Regulierungen erweitert werden.

Forderungen:

Novellierung des Genossenschaftsgesetzes: Absenkung der Mindestmitgliederzahl bei Genossenschaften auf drei Mitglieder. Die bisherige Mindestgröße von sieben Mitgliedern ist die größten Hürde für diese Art von Betrieben. Diese Beschäftigtenzahl wird oft erst nach mehrjähriger Geschäftstätigkeit erreicht. Da die Betriebe anfangs meist noch kleiner sind, können sich 60 % bis 70 % allein wegen ihrer Größe nicht als eingetragene Genossenschaft gründen.

Recht auf Wahlfreiheit von Aufsichtsräten: Heute muß eine Genossenschaft neben der Generalversammlung und dem Vorstand als drittes Pflichtorgan einen Aufsichtsrat haben. In den existierenden kleinen Produktivgenossenschaften ist der Aufsichtsrat praktisch funktionslos. Deshalb müssen künftig durch die Satzung sämtliche Aufgaben des Aufsichtsrates bei Genossenschaften bis 20 Mitgliedern auf die Generalversammlung übertragbar sein.

Anpassung des Steuerrechtes: Gemeinnützigkeit muß auch für Genossenschaften ermöglicht werden. Dies bedeutet eine Gleichstellung mit anderen Rechtsformen wie den eingetragenen Vereinen oder die gemeinnützigen GmbHs.

5. Tauschringe ausbauen! 

Ausbau und Förderung von Tauschringen stärkt die lokale Ökonomie und den sozialen Zusammenhalt 

Ausbau und Förderung von Tauschringen stärkt die lokale Ökonomie und den sozialen Zusammenhalt

Primäre Ziele der Tauschringe sind die Stärkung und der Erhalt lokaler Strukturen im sozialen und gesellschaftlichen Bereich und im Bereich der lokalen Ökonomie. Tauschringe leisten einen wichtigen Beitrag für notwendige Umorientierungen. In Bereichen der Nachbarschaftshilfe, der sozialen und ökonomischen Selbsthilfe, der Gemeinwesensentwicklung und des nachhaltigen Wirtschaftens sind Tauschringe Modellprojekte für den anstehenden Reformbedarf in der Gesamtgesellschaft.

Besonders das neue Verhältnis von Arbeit und Leben, wie es in den Tauschringen gelebt wird, kann in Zeiten steigender Erwerbsarbeitslosigkeit als vielversprechende Zukunftsstrategie gelten. Denn unabhängig von den bestehenden Kriterien des Arbeitsmarktes können hier eigene Fähigkeiten entdeckt und für sich und andere nutzbar gemacht werden. Kopf- und Handarbeit, sogenannte Frauen- und Männerarbeit, angeblich weniger qualifizierte Arbeit und höher qualifizierte Arbeit werden neu eingeordnet. Die übliche Existenzsicherung durch Erwerbseinkommen wird in den Tauschringen ergänzt um eine Existenzsicherung, die sich auf soziale Beziehungen, Vertrauen und Solidarität gründet. Zwischen Erwerbsarbeit auf der einen und rein ehrenamtlicher, unentgeltlicher Arbeit auf der anderen Seite prägen so die Tauschringe ein eigenes, wegweisendes Verhältnis von Arbeit und Leben.

Forderungen:

Tauschringe müssen als gemeinnützige Initiativen ohne gewerbliche Interessen, die Arbeit in den Tauschringen als freiwilliges Bürgerengagement anerkannt werden.

Als Form bürgerschaftlichen Engagements müssen Tauschringe staatliche (kommunale) Förderung erfahren. Zur Unterstützung unserer Arbeit fordern wir die Bereitstellung von Räumen und eine Anschubfinanzierung neu entstehender Tauschringprojekte. Auch für die laufende Organisationsarbeit (Öffentlichkeits-arbeit, Mitgliederbetreuung,...) und für die überregionale Vernetzung der Tauschringe untereinander benötigen wir staatliche (kommunale) Unterstützung. Über die materielle Förderung hinaus wünschen wir uns auch eine ideelle Unterstützung durch die Kommunen (Sozialämter und Bürgerbüros könnten sich etwa an der Werbung für die Tauschringe beteiligen).

Die Verfügbarkeitsregelung nach SGB III darf auf freiwillige, unentgeltliche Arbeit nicht angewandt werden. Diese Regelung wird derzeit von der Bundesanstalt für Arbeit so interpretiert, daß z. B. jemand, der mehr als 15 Stunden wöchentlich ehrenamtliche Arbeit leistet, keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder -hilfe hat. Das Gesetz sollte um eine Durchführungsverordnung ergänzt werden, die klarstellt, daß Tätigkeiten in gemeinwohlorientierten, Non-Profit-Initiativen von dieser Regelung ausgenommen sind.

6. Geschlechterdemokratie durchsetzen! 

Geschlechterdemokratie ist für uns auch beim Ausbau eines selbstbestimmten, gemeinnützigen Sektors jenseits von Staat und Markt zentral. 

Wir verstehen Geschlechterdemokratie als Weg zur Durchsetzung der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern am gesellschaftlichen Leben, von Chancengleichheit, gleichberechtigter Mitbestimmung sowie für die gerechte Verteilung von Arbeit zwischen den Geschlechtern. 

Wir erachten den Ausbau des Dritten Sektors, in welchem Arbeitsplätze der Qualifikation entsprechend entlohnt werden, als einen Weg, Menschen eine gleichberechtigte Alternative zur herkömmlichen Erwerbsarbeit zu bieten. Damit der Dritte Sektor nicht zu einem arbeitsmarktpolitischen Feld niedrig oder gar nicht entlohnter Arbeit instrumentalisiert wird, muß die derzeitige Hierarchisierung des 1., 2. und 3. Sektors abgebaut werden. Verkommt der Dritte Sektor zum Abschiebeterrain für Menschen, die einer Erwerbsarbeit nachgehen wollen, aber nicht können, besteht insbesondere für Frauen die Gefahr, ihre mühsam erarbeitete Stellung auf dem Arbeitsmarkt schwer verteidigen zu können und besonders von Verdrängungsmechanismen betroffen zu sein.

Forderungen:

Ausbau eines öffentlich geförderten Arbeitsmarkts, in dem Arbeitsplätze tariflich entlohnt werden, sozial abgesichert und Mitbestimmungsrechte verankert sind. Institutionell, inhaltlich und organisatorisch soll sich dieser Dritte Sektor weitgehend unabhängig von staatlicher Bestimmung der Inhalte, Reglementierungen und Kontrolle und von marktwirtschaftlichen Kriterien entwickeln können. Daher fordern wir, den Ausbau des Dritten Sektors durch Globalhaushalte zu finanzieren und als politische Vertretung, für die Vernetzung der Projekte und die Entscheidung über Vergabe der Mittel BürgerInnengremien einzusetzen.

Durchlässigkeit zwischen 1., 2., und 3. Sektor gewährleisten: Damit Menschen die Möglichkeit offen steht, zwischen den Sektoren ohne Probleme hin und her zu wechseln, muß sichergestellt sein, daß Qualifikationen, die in der Arbeit im Dritten Sektor erworben werden, in anderen Sektoren anerkannt werden. Zudem muß es im Dritten Sektor ein weitgefächertes Angebot von Qualifizierungs- und Weiterbildungsangeboten geben.

Geschlechterdemokratie im Dritten Sektor fördern: Auch im Dritten Sektor muß es Instrumente der Frauenförderung, wie Frauenförderpläne, Quotierung auf allen Ebenen, den Abbau von Geschlechterhierarchien innerhalb der Projekte geben. Es müssen Anstrengungen unternommen werden, um geschlechtsstereotype Arbeitsfelder zu durchbrechen und zu überwinden. Projekte, die sich mit geschlechtsspezifischen Themen beschäftigen, wie z.B. Mädchen- und Jungenarbeit, sollen besonders gefördert werden. 

Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit, autonomen Tätigkeiten sowie Haus- und Erziehungsarbeit gewährleisten: Die Arbeitszeiten im Dritten Sektor müssen diese Vereinbarkeit zulassen. Außerdem muß der Dritte Sektor so ausgebaut werden, daß für alle die Option besteht, Reproduktionsarbeit an Einrichtungen des Dritten Sektors abzugeben. Wir fordern daher eine massive Ausweitung von qualifizierten Kinderbetreuungseinrichtungen, von Jugendarbeit, Altenpflege, Freizeitbetreuung, etc. sowie verstärkte finanzielle Unterstützung der bereits existierenden Einrichtungen in diesem Gebiet. Gleichzeitig muß die verbleibende Haus- und Erziehungsarbeit gleichmäßig unter den Geschlechtern verteilt werden.

Rückbindung der Arbeit an die Lebensbedürfnisse der Menschen: Das am Modell des männlichen Familienernährers ausgerichtete Arbeitsverhältnis muß zugunsten neuer Arbeitsverteilungen und –formen aufgegeben werden. Arbeitsverhältnisse müssen mit individuellen Lebenslagen und Bedürfnissen vereinbar sein. Das männliche Normalarbeitsverhältnis darf nicht länger einseitig als Norm dienen. Kollektive Arbeitszeitverkürzung und zu mehr Zeitsouveränität auf Seiten der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen führende Arbeitszeitmodelle müssen eingeführt werden, um eine gerechte Verteilung aller gesellschaftlich notwendigen Arbeit zwischen den Geschlechtern zu ermöglichen.

7. Arbeitszeit kollektiv verkürzen! 

Wir wollen kollektive Arbeitszeitverkürzung auf 30 Wochenstunden und die massive Eindämmung von Überstunden durchsetzen. 

Arbeitszeitverkürzung und die Reduzierung von Überstunden üben Druck auf die Unternehmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen aus und bilden gleichzeitig eine wichtige Voraussetzung der Neuverteilung bspw. von Hausarbeit zwischen Männern und Frauen.

Wir treten ein für Arbeitszeitmodelle, die zu mehr Zeitsouveränität auf Seiten der ArbeitnehmerInnen führen und allen Menschen ermöglichen, Erwerbstätigkeit mit anderen Tätigkeiten und der Pflege sozialer Beziehungen zu vereinbaren. Abgesicherte Teilzeitarbeit, flexibel gestaltbare Arbeitszeiten, Erziehungszeiten, Sabbatjahre müssen in der Erwerbssphäre durchgesetzt, und die Anerkennung solcher Modelle politisch vorangetrieben werden.

8. Existenzgeld als Grundsicherung für alle! 

Gegen die Armut und als Voraussetzung für ein „anderes Arbeiten" fordern wir ein Existenzgeld für alle hier lebenden Menschen, unabhängig von Nationalität, Alter, Geschlecht: 1500 DM plus Warmmiete. 

Das Existenzgeld ermöglicht allen eine grundlegende soziale Absicherung unabhängig von Erwerbsarbeit. Es steht jedem Menschen qua Existenz zu und zugleich spiegelt es die Tatsache wieder, daß der überwiegende Teil gesellschaftlich notwendiger Arbeit als unsichtbare und unbezahlte reproduktive Arbeit anfällt und geleistet wird. Die wirklichkeitsfremde Überbewertung von Erwerbsarbeit und die existentielle Abhängigkeit von ihr muß deshalb aufgehoben werden. 

Das Existenzgeld faßt praktisch alle bisherigen Sozialleistungen, Lohnersatzleistungen, Renten und Ausbildungsförderungen zusammen und hebt auch den familien-internen Transfer auf. Zur Finanzierung sollen die Hälfte aller laufenden Einkommen in den Existenzgeld-Fonds fließen („Take half!"). 

Der 3. Sektor als Bereich einer neuen Form von Arbeitsorganisation ist auf ehrenamtliche und selbstbestimmte Arbeit angewiesen. Dafür bietet das Existenzgeld eine Voraussetzung. Der 3. Sektor ist andersherum eine Notwendigkeit für eine sinnvolle Umsetzung des Existenzgeldkonzepts. Nur wenn die Möglichkeit eines neuen Feldes gesellschaftlicher Arbeit entsteht, das unabhängig von den Zwängen der Kapitalverwertung Gesellschaft reproduziert, wird das Existenzgeld emanzipatorische Wirkung haben. 

Es soll allen Menschen bedingungslos freigestellt sein, wie sie arbeiten möchten. Jede Form des Arbeitszwangs, z.B. zusätzliche, gemeinnützige Tätigkeiten von SozialhilfeempfängerInnen, Zwangsvermittlungen durch das Arbeitsamt muß sofort eingestellt werden. Erwerbslosigkeit ist nicht die individuelle Schuld der von ihr Betroffenen, sondern durch die Abnahme von Erwerbsarbeitsmöglichkeiten bedingt.

9. Globale Existenzsicherung und Dritter Sektor 

Präambel 

Von einem WeltbürgerInnen-Standpunkt aus erscheint der Reichtum der Industriegesellschaften des Nordens als Ergebnis zweier Aneignungsprozesse: 

Erstens eignet sich der "Norden" in großem Stil heute und seit Jahrhunderten Arbeitsprodukte der "fremden", kolonialisierten Bevölkerungen des "Südens" an; zweitens eignen sich die "eigenen" HERRschenden die Produkte der bezahlten und unbezahlten Arbeit der "eigenen" Bevölkerungen an. 

Die Arbeit des Südens besteht wesentlich aus unbezahlter Subsistenzarbeit, auf deren Grundlage zusätzliche, billigstbezahlte Lohnarbeit und landwirtschaftliche Produktion für den Markt (cash crops) geleistet wird.

Der klassische Dritte Sektor des "Südens" besteht aus den Subsistenzökonomien der Frauen und Bauern. Die NGO's sind lediglich die modernen Erweiterungen dieses alten Dritten Sektors.

Der klassische Dritte Sektor des Nordens umfaßt die unbezahlte Hausarbeit von Frauen und die unbezahlte ehrenamtliche Arbeit. Die verschiedenen Non-Profit-Organisationen, in denen bezahlte und unbezahlte Arbeit geleistet wird, sind lediglich moderne Erweiterungen dieses klassischen Bereichs. 

Die nachfolgend geforderten Transferleistungen sind deshalb keine milden Gaben, sondern der Einstieg in die Bezahlung von massenhaft unbezahlter Arbeit, die hauptsächlich Frauen in Großfamilien, Verwandtschaftsverhältnissen, Dorf- und Stammesgemeinschaften, in Beziehungen, Kleinfamilien, Wohngemeinschaften und in ehrenamtlicher Arbeit leisten. Die Nutznießer dieser Arbeit werden zur Kasse gebeten!

Unsere Forderungen:

Unter dem Gesichtspunkt der Verteilungsgerechtigkeit fordern wir zwei Umverteilungen: 

eine innergesellschaftliche (innerdeutsche bzw. innereuropäische) Einkommensumverteilung von "Oben" nach "Unten". 

eine Umverteilung des Reichtums von den Industriegesellschaften der Metropolen (dem "Norden") hin zu den Gesellschaften der Peripherie (dem "Süden").

A) Forderungen an die Landesregierung Berlin: 

1. Wir fordern von der Berliner Landesregierung, die Verwirklichung der uralten Selbstverpflichtung der Bundesregierung, 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts in Projekte der Entwicklungspartnerschaften mit dem Süden zu investieren. Das ergäbe derzeit eine Transfersumme von ca. 1 Milliarde DM.

2. Wir fordern die Landesregierung auf, über Bundesratsinitiativen die Bundesregierung zu verpflichten, 

die 0,7 %- Selbstverpflichtung zu verwirklichen.
eine zweckgebundene Welthandelssteuer und Tobinsteuer auf Devisenspekulationen einzuführen und zu erheben.
die Schulden der Gruppe der ärmsten Länder des Südens zu erlassen.

3. Wir fordern eine Reform der Entwicklungszusammenarbeit dergestalt, daß sie direkt der Erleichterung und Entwicklung der Substistenzökonomie der Länder des Südens dienen soll. 

Die Förderung von Projekten durch Geld und Wissen soll sich an den Bedürfnissen orientieren, die die Menschen aus den PartnerInnenregionen äußern. Sie soll auf dauerhaftes Funktionieren der Projekte abstellen und an Auflagen gebunden sein.

Die Auflagen sollen erreichen helfen, daß die Transferleistungen bei Projekten ankommen, 

die die regionale Subsistenzökonomie fördern wollen,
den Gesichtspunkt der nachhaltigen Entwicklung berücksichtigen,
die Gleichbehandlung der Geschlechter und
demokratische Selbstverwaltungsstrukturen praktizieren.

AdressatInnen der Transfermittel sollen Organisationen und Institutionen sein, die gewährleisten, daß die Mittel dort ankommen, wo sie zum Nutzen der regionalen Bevölkerungen eingesetzt werden können.  

B) Forderung an den Kongreß 

Wir fordern eine Selbstverpflichtung des Kongresses und der Initiativen, die den Kongreß tragen, PartnerInnenschaften mit Projekten und NGO's des "Südens" einzugehen und 10 Prozent der eigenen Mittel an diese Projekte zu transferieren.

 

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Copyright © 1999 CONTRASTE Monatszeitung für Selbstorganisation
Stand: 07. August 2008