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Monatszeitung für Selbstorganisation

 

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Wolf im Schafspelz

Der Wolf im Schafspelz

Die SPD und die Selbstverwaltung

Matthias Neuling, Red. Bremen - Die SPD entdeckt seit Anfang 1984 ein neues Thema: Den Altemativsektor. Das könnte mir relativ egal sein, wenn klar wäre, daß wir nicht, wie die Friedens-, Anti-AKW-, Studenten- oder welche Bewegung auch immer, mal wieder von der SPD vereinnahmt und funktionalisiert werden sollen. Pflichtbewußt schreiben Hans Ulrich Klose und Michael Müller von der AG Genossenschaftswesen, sie seien "viel zu sehr im Prozeß des Lernens, daß uns eventuell unterstellte Motive, die Selbstverwaltungsbewegung vereinnahmen zu wollen, fernliegen" (In: Selbstbestimmt arbeiten, Materialiensammlung von der SPD). Was das miteinander zu tun hat, verstehe ich zwar nicht, aber es drückt immerhin ein Problembewußtsein aus.

Burghard Flieger findet die Zusammenarbeit mit der SPD zwar nicht unproblematisch, hält sie aber für notwendig für eine Verbreiterung alternativer Wirtschafts- und Lebensformen (CONTRASTE Juni 85, Seite 5). Burghard setzt dabei eine Identität innerhalb der Selbstverwaltungsszene voraus. Wenn diese Identität bestehe, könne uns selbst die SPD nichts anhaben. Das ist wohl richtig.

Aber: Worin besteht diese Identität? Ist sie tatsächlich vorhanden? Drückt sie sich in der solidarischen Diskussion um die Konzeption der Öko-Bank aus? Findet sie sich in den Strukturen der selbstverwalteten Betriebe wieder? Sind die Betriebe kapitalneutralisiert, produzieren sie umweltfreundliche Produkte auf umweltfreundliche Weise? usw.

Ich will damit nicht sagen, wie schlecht alles ist. Aber ich glaube, die angebliche Identität besteht einfach nicht. Es ist alles viel zu vielschichtig, jeder hat letztlich seine eigenen Vorstellungen. Am ehesten schlägt sich diese Identität noch in einem gewissen Gemeinsamkeitsgefühl nieder. Auch gibt es teilweise eine überbetriebliche Zusammenarbeit, wie sie nur im Selbstverwaltungssektor möglich ist. Aber, das alles ist noch keine Identität. Vor allem keine strukturelle Identität, mit der man sich klar gegen bevorstehende Vereinnahmungsversuche seitens der SPD, abgrenzen kann.

Das wäre aber alles nicht so problematisch, wenn die SPD "nur lernen will", und ansonsten nichts vorhat. Doch warum will die SPD lernen? Sicher nicht als Selbstzweck. Wohin der Zug läuft, merkt man schon daran, daß Veranstaltungen der SPD zu diesem Thema unter dem Titel ,,Beschäftigungs- und Ausbildungsinitiativen" laufen. Und das paßt in die allgemeine Funktonalisierung, die auch die Verwaltungen praktizieren, wo die EG die "lokalen  Beschäftigungsinitiativen" stärken will und selbst das Jahresgutachten des Sachverständigenbeirates die selbständige Existenzgründung im sog. Alternativsektor positiv vermerkt (Bundestagsdrucksache 10/2541, Ziffer 387). Man kann den Selbstverwaltungssektor also gut gebrauchen, auch wenn die SPD es noch nicht so recht packt, ihre Worte auch in Taten umzusetzen, wie man am "Vorwärts" merkt.

Für mich gibt es deshalb nur zwei Möglichkeiten, sich zur SPD zu verhalten: Entweder, wir verweigern uns konsequent der Vereinnahmung und deshalb auch jeden größeren Kontaktes durch die SPD. Damit nehmen wir uns zwar auch Möglichkeiten des schnelleren Wachstums usw., aber es besteht dann die Chance, nicht den bekannten Weg der Genossenschaftsbewegung noch einmal zu gehen und sich schleichend den kapitalistischen Strukturen anzupassen. Denn deren Scheitern ist zum Teil genau durch das Fehlen einer eigenständigen Identität begründet gewesen. Nur so konnte das Interesse, möglichst viel Geld zu machen, wichtiger werden als die gemeinschaftliche Arbeitsform.

Oder wir schaffen es, so etwas wie eine Identität wirklich zu finden. Das bedeutet auf keinen Fall, nun einen großen, zentralen Dachverband der Selbstverwaltung mit Sitz in Bonn oder Frankfurt zu gründen, sondern hat mehr etwas zu tun mit dem Bewußtsein der Projekte und insbesondere der Betriebe. Also eine stärkere Zusammenarbeit der Branchen, z.B. so etwas, wie die BIS in Bremen oder die Tischlertreffen. Dies ist nicht das schnelle Hau-ruck-Verfahren, wo hinterher dann doch kein Leben drinsteckt, sondern eher das mühevolle kleine Stückwerk. Wenn wir so etwas packen, habe ich auch keine Vorbehalte mehr, daß dieser SPD-Apparat uns schluckt.

 

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Stand: 06. April 2010