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Monatszeitung für Selbstorganisation

 

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Weitere Berichte

Berichte der Arbeitsgruppen

AG Wirtschaftspolitik

Wer immer schon mal wissen wollte, was sich Politiker bei der Wirtschaftsförderung von Kollektivbetrieben denken, konnte sich durch den Einleitungssketch animieren lassen, darüber nachzudenken, was man "denen da oben" unterstellen könnte bezüglich ihrer alternativen Fürsorge. Der Berliner Wirtschaftssenator Pieroth im Gespräch mit einem seiner Abteilungsleiter über Möglichkeiten alternativer Wirtschaftsförderung als Rollenspiel.

Daß die Wirtschaftspolitik allerdings zwei Seiten hat – und nicht nur aus staatlichen Förderungsprogrammen besteht – wurde in der anschließenden Diskussion deutlich.

Was das Umgehen mit solchen Förderprogrammen angeht, so kam nichts neues: "Es kommt immer auf den einzelnen Fall an, inwieweit man sich einläßt". Wichtig ist, daß die Ansprüche nicht über Bord gehen und auch keine Abhängigkeit aufgebaut wird. Als es jedoch um eigene wirtschaftspolitische Strategien ging, herrschte allgemeine Ratlosigkeit. Strukturen müssen her, verstärkte Kooperation, mehr Austausch unter den Kollektiven. Aber wie sehen diese Strukturen aus, wer baut sie auf? Hier standen sich – mal wieder – die Basisfraktion (von unten wachsen lassen) und die Überfliegerfraktion (von oben initiieren) gegenüber.

Aber auch bei der Positionsbestimmung innerhalb der Gesellschaft traten Differenzen auf. Die einen sahen sich (wenn auch zähneknirschend) in Solidarität mit anderen Kleinunternehmen gegen die Großindustrie. Andere sahen in den Fabrikarbeitern ihre Bündnispartner.

Als Resümee dieser AG läßt sich festhalten, daß wir überbetriebliche Strukturen brauchen, über die sich wirtschaftspolitische Strategien entwickeln lassen. Diese Strategien müssen sich qualitativ über Marktgesetze hinwegsetzen, d.h. es darf nicht um neue Kartelle und Zünfte gehen. Von daher sind Auseinandersetzungen mit Konsumenten notwendig, was den Begriff "politisches Marketing" ins Spiel brachte. Bei der Frage der Bündnispartner, empfiehlt es sich, je nach Situation, sowohl mit Kleinunternehmen als auch mit Arbeitern bzw. Gewerkschaftern in eine Auseinandersetzung einzutreten.

Verbund der selbstverwalteten Fahrradläden Deutschland e.V. in Berlin gegründet!

Im Rahmen der Wintertage Berlin traf sich eine Gruppe von selbstverwalteten Fahrradläden, die schon seit langem auch auf überregionalen Treffen Kontakt und Zusammenarbeit pflegen, um ihrem bisherigen lockeren Zusammenschluß eine verbindliche Form zu geben. Hintergrund für dieses Vorhaben waren die Überlegungen mit verschiedenen Inhalten, Zielsetzungen und unserem politischen Selbstverständnis offensiv in die Öffentlichkeit zu gehen. Im Bereich Verkehr/Technik will der Verbund die Grundlagen für eine Umorientierung in Richtung auf DAS ökologisch und gesellschaftlich sinnvolle Verkehrsmittel FAHRRAD erreichen. Die Läden streben eine Einflußnahme auf die Produktion und Produktenpalette an, um qualitativ bessere und langlebige und benutzerfreundliche Fahrradprodukte zu erreichen.

Durch umfassende Beratung soll das Qualitätsbewußtsein und das technische Wissen des Kunden erhöht werden.

Verkehrspolitisch will sich der Verbund an der Entwicklung und Erweiterung der Infrastruktur für den Fahrradverkehr beteiligen.

Auch wollen wir das Organisationsprinzip SELBSTVERWALTUNG als wünschenswerte Alternative propagieren. Intern werden Verbundsstrukturen geschaffen, die darauf abzielen, sich in Notfällen personell und finanziell zu unterstützen.

Der Vorstand des Verbundes setzt sich aus 5 Fahrradläden Westdeutschlands und Westberlin zusammen. Vereinssitz wird in Bremen sein.

Als erste Aktion unterstützt der Verbund den Aufruf "Fahrräder für Nicaragua", indem die Läden Fahrräder spenden.

Kontaktadressen:

Werkhof, Hohentorsheerstr. 160, 28 Bremen
Radschlag, Auf den Häfen 12-15, Auf den Höfen, 28 Bremen

Konto: 1028141 – BLZ: 29050101 - Sparkasse Bremen

Protokoll „Pfusch am Bau"

Fragen in der Diskussion:

1. Warum gibt es organisatorische und technische Probleme in den Kollektiven?

2. Reicht die Kapazität und der Maschinenpark für eine marktübliche Auftragsabwicklung?

3. Können wir uns der Spezialisierung entziehen?

4. Wie können wir eine Zusammenarbeit zwischen Architekten und Handwerkern sinnvoll ausbauen?

5. Was verhindert die seit Jahren angestrebte Kooperation zwischen den Handwerksbetrieben?

Kurze freundliche Anmache zwischen Handwerkern und Architekten. Man kam auf die Unpünktlichkeit, Unzuverlässigkeit und Pfusch schnell zu sprechen. Die Problematik ist offensichtlich in Berlin am schärfsten.

Das Problem "Ausschreibung" und Angebotpraxis. Unsere Angebote sind oft auf Grund zu geringer Berufserfahrung, Qualifikation und maschineller Ausrüstung reine Lotteriespiele. Hier käme uns und den Architekten eine engere Zusammenarbeit zu Gute. Außerdem wurde die Unsitte einiger Architekten scharf kritisiert, sich auf das billigste Angebot zu stürzen, obwohl ersichtlich ist, daß es sich um eine totale Fehlkalkulation handelt, auch um eigene Fehlkalkulationen auszugleichen.

Kurz angesprochen wurde, daß es keine Kollektive gibt, die z.B. 60-80 Fenster bauen oder 300 qm Estrich legen. – Massenherstellung wurde von den meisten Kollektiven abgelehnt. – Mit den bereits bekannten Argumenten: zu hoher Kapitalaufwand, Abhängigkeit, Flexibilität der Betriebe geht verloren.

Spezialisierung: Fehlendes Fachwissen, fehlende Routine bei der Ausführung von bestimmten Arbeiten (z.B. Dielenboden verlegen) führe zu Preisunterschieden, dies könnte mit der Zeit durch Spezialisierung im Verbund mit der "Zauberformel" Rotation reguliert werden. Ein anderer Vorschlag war, alte erfahrene Handwerker in unsere Betriebe zu integrieren. Viel Erfolg.

Außerdem wurden regelmäßige Treffen zwischen Handwerkern und Architekten geplant und für nützlich empfunden. Na, denn.

Erik

Branchentreffen Selbstverwalteter Umzugsbetriebe in Berlin '85

Während der Wintertage in Berlin fand ein Branchentreffen der Selbstverwalteten Umzugsbetriebe statt. Anwesend waren Alan, Avanti und ASH Mannheim – drei Betriebe, die im Nah- und Fernbereich tätig sind -; sowie mehrere Gruppen, die den Einstieg in die Umzugsbranche suchen bzw. bereits im Rahmen von Kleinumzügen und Transporten arbeiten.

Es war das erste Treffen in dieser Branche. Im Laufe des ersten Vormittags wurden sehr schnell die unterschiedlichen Interessen der einzelnen Gruppen deutlich. Die einen waren überwiegend interessiert an einem Informationsaustausch z.B. über Firmengründung, Rechtsform, Konzession etc. Diese Frage hat man versucht, am Rande dieser Branchentage zu beantworten. Die anderen, schon länger existierenden Betriebe, waren zusammengekommen, um gemeinsame Überlegungen anzustellen über die konkrete Zusammenarbeit; dies hat dann auch den Ablauf der beiden Vormittage bestimmt.

Erste Ergebnisse sind: gemeinsamer Einkauf von Kartons, Überregionale Werbung in der taz und in den jeweiligen regionalen Zeitungen, gegenseitige Frachtenvermittlung, sowie Unterstützung bei der Suche nach Rückladungen, Austausch von Arbeitskräften und sonstige Hilfe bei der Lösung branchentypischer Probleme.

Der Aufbau eines Verbundes selbstverwalteter Umzugsbetriebe wurde als Zielvorstellung formuliert. Damit ein solcher Verbund sinnvoll ist, erscheint eine Erweiterung des Kreises unumgänglich. In diesem Zusammenhang wurde schnell deutlich, daß dazu noch einige brisante Fragen geklärt werden müssen, so z.B. - welchen Qualitätsanforderungen soll ein Mitgliedsbetrieb gerecht werden?

- läßt sich der Begriff "Selbstverwalteter Betrieb" klar definieren; entlang welcher Kriterien soll eine mögliche Abgrenzung laufen?

- wird die Kooperative von einem bloß pragmatischen , rein zweckorientierten Hintergrund verstanden?

- oder geht es mit der Kooperation vor allem darum, gemeinsam seine politischen Inhalte (?) auf einer breiteren Ebene umzusetzen?

Ein letzter Diskussionspunkt dieses Treffens war der Branchenriese Zapf. Nach einem Rundgang durch die Gerüchteküche wurde festgestellt, daß es an gesicherter Information fehlt. Es besteht jedoch Interesse, Klarheit in dieses Mysterium Zapf zu bringen.

Für diese zahlreichen, zu klärenden Punkte haben wir uns als nächsten Termin ein Wochenende gesetzt. Das Treffen wird am 23./ 24. März bei der ASH Mannheim stattfinden. Weitere interessierte Umzugsbetriebe sind herzlich eingeladen.

Kontaktadressen: ALAN, Albstr. 70, 7410 Reuttingen, Tel.: (07121) 300968
Avanti, Köpenicker Str. 8, 1000 Bertin, Tel.: (030) 6122044
ASH Mannheim, Verbind. Kanal, Li. Ufer 20-24, 6800 Mannheim 1, Tel.: (0621) 27358

Branchentreffen der Elektriker

Viel gibt es nicht zu berichten. Es waren da: 

H+S Kiezbau GmbH, Berlin
Werkschule Berlin
Blitzblume Elektrowerkstatt Augsburg

Das Treffen fand, mit spontihafter Verspätung, am Freitag statt. Zum Thema stand in erster Linie ein Erfahrungsaustausch zwischen den Anwesenden, (alles gelernte Elektriker). Neben den Punkten Konkurrenz, Professionalisierung und Organisation gab das Thema Ausbildung im Kollektiv am meisten her, da jeder der Anwesenden schon Erfahrungen damit gemacht hatte (als Auszubildender, wie als Ausbilder).

Eine Kooperation der Betriebe stand nicht auf der Tagesordnung (Einkaufsgemeinschaft etc.), aber einige haben Lust mal einen „Partnertausch" mitzumachen.

Heinz, Blitzblume

BETRIEBLICHE ALTERSVERSORGUNG

Kaum einer der knapp über 20 Teilnehmer, davon sechs aus dem Versicherungsbereich, dürfte angenommen haben, daß jemand "den Vorschlag" für eine betriebliche Altersversorgung hat. So diskutierte man als erstes die bestehenden Versicherungsmöglichkeiten, nämlich gesetzliche Rentenversicherung oder private Vorsorge.

Einig war man sich in der Kritik der gesetzlichen Rentenversicherung, die heute keinem mehr eine Gewähr für eine ausreichende Versorgung im Alter bietet und in der Vergangenheit zur Sanierung der Staatsfinanzen herangezogen wurde. Diese ursprüngliche Solidargemeinschaft, in der Vermögen zur Altersversorgung angespart wurde, ist ersetzt worden durch den Generationenvertrag. D.h., die Beitragszahler von heute finanzieren bereits die Rentner von heute. In bereits absehbarer Zeit wird dieses aufgrund der steigenden Zahlen von Rentenempfängern und der sinkenden Zahl von Beitragszahlern dazu führen, daß eine akzeptable Rente nicht mehr gezahlt werden kann.

Herausgehoben wurde auch die Verkettung von Staat und Rentenversicherung, welche der RVO und somit dem Gesetzgeber unterliegt. Dieser hatte zuletzt zum 1.1.84 eine Verschärfung der Bedingungen für den Bezug von Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten beschlossen. Alle, die in den letzten 60 Monaten keine Pflichtbeiträge für mindestens 36 Monate entrichtet haben, haben auch keinen Anspruch mehr auf Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrente.

Während ein Vertrauen in die gesetzliche Rentenversicherung zwangsläufig ein Vertrauen in diesen unseren Staat bedingt, bedeutet ein Vertrauen auf die private Versicherungswirtschaft, als Alternative zur gesetzlichen Rentenversicherung, ein Vertrauen in das langfristige Funktionieren unserer Wirtschaft.

Die Vermögensbildung über die private Versicherungswirtschaft, z.B. in Form der insbesondere unter den anwesenden Teilnehmern der Versicherungsbranche umstrittenen Lebensversicherung oder der privaten Rentenversicherung, die nichts anderes als ein Sparvertrag mit einem nicht garantierten Gewinnversprechen ist, wurde als zweite Alternative diskutiert. Die Versicherungswirtschaft legt das Geld der Versicherten in der Wirtschaft an, um von den Gewinnen einen kleinen Teil an die Versicherten weiterzugeben.

Nach der Diskussion über diese beiden Punkte konnte zumindest eines festgestellt werden: Vorsorge für das Alter zu treffen bedeutet, Vermögen zu bilden, um von diesem im Alter zu leben, bzw. von dessen Zinserträgen.

Dieser Gedanke behagte nicht allen Teilnehmern, zumal in den Betrieben eben keine Vermögensbildung betrieben wird, sondern die Arbeitsplatzerhaltung, das Arbeiten nach dem "Kostendeckungsprinzip".

Somit ergab sich die Frage, wenn schon nicht gesetzliche Rentenversicherung und private Versicherungswirtschaft, was dann? Eine alternative Versicherung gibt es nicht.

Diese wird in absehbarer Zeit nicht existieren. Dennoch kann es Ansätze in eine Richtung geben, in kleinen Solidargemeinschaften den Grundstein hierfür zu legen. Solidargemeinschaften, die eine Bedürfnisbefriedigung im Alter gemeinsam organisieren.

Die kleinste Solidargemeinschaft ist das Kollektiv, in dem man arbeitet. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, sich regional mit anderen Kollektiven zusammenzuschließen.

Die Altersvorsorge ist, im Gegensatz zur Berufs- und Erwerbsunfähigkeit, eine einigermaßen finanziell kalkulierbare Sache. So besteht in diesen kleinen Solidargemeinschaften die Möglichkeit, gemeinsam Vermögen zu bilden, um später daraus Renten zu zahlen. Es besteht weiterhin die Möglichkeit, durch Hausbesitz das Bedürfnis des mietfreien Wohnens zu organisieren, usw.

Durch diese Töpfe würden sich auch neue Finanzierungsquellen ergeben, da sie weder in der Verfügung des Staates noch der privaten Versicherungswirtschaft stehen. Das bedeutet, daß diese Gelder als revolvierende Fonds sowohl für den eigenen Betrieb, wie auch andere Projekte zur Verfügung gestellt werden könnten.

Nicht kalkulierbare Risiken, wie die Berufsunfähigkeit, können in nächster Zeit weiterhin nur über private Risikoversicherungen abgesichert werden. Das ist aber in der Regel preiswerter, als in die gesetzliche Rentenversicherung als Pflichtmitglied einzuzahlen.

Dieses sind nur Ansätze von Ideen. Die Arbeitsgruppe war sich darüber einig, daß es notwendig ist, hier weitere Ideen und Vorschläge zu sammeln.

So soll dieses Thema in absehbarer Zeit als Schwerpunkt in einer Ausgabe des Wande§sblattes behandelt werden. Ebenso gilt es, Bildungsträger, Netzwerke und Kollektive dafür zu gewinnen, in Arbeitsgruppen weiter an diesem Thema zu arbeiten und Ideen zu entwickeln. Ein Arbeitsauftrag ist bereits beschlossene Sache: die Redaktion Bremen wird sich um ein Gutachten bemühen, inwieweit diese Initiativen kollidieren mit dem Kreditwesengesetz und der Aufsicht durch das Bundesamt für das Versicherungswesen.

Wer Vorschläge oder Ideen hat, der wende sich an die Redaktion Bremen, damit die Vorbereitungen für das Schwerpunktthema "Soziale Absicherung" in einem der nächsten Wande§sblätter in Angriff genommen werden können.

Harald Deerberg

Hierarchie und Qualifikation

Einerseits lag das Thema sozusagen in der Luft – die ständigen Querelen über Chefallüren oben und lustloses Phlegma unten sind nicht zu übersehen; andererseits war in einer solchen Diskussion nicht mit "Ergebnissen" zu rechnen.

So wurde auch in den ersten drei Gesprächsstunden am Freitag extra betont, daß es wichtig sei, auch ohne "Ergebnisdruck" reden zu können. Den ungefähr 50 anwesenden Kollektivis war das Thema gut bekannt – alle konnten über entsprechende Erfahrungen berichten. Üblicherweise verbindet sich mit Hierarchie im Betrieb eine unterschwellige Anklage gegen die Chefs – vielleicht lag es daran, daß im wesentlichen diese zu den Anwesenden zählten: jedenfalls war der Vorwurf deutlich zu hören, umgekehrt brächte der „Rest" der Belegschaft nicht genügend Engagement, um die Rollenverteilung zu durchbrechen. Es herrschte Einigkeit, daß es sich um ein beidseitiges Problem handelt, bei dem mit moralischen Angriffen in die eine oder andere Richtung nichts gewonnen ist.

Interessant, weil entgegen meiner Erwartung, war, daß dabei unterschiedliche Berufe und Ausbildungen innerhalb eines Betriebes – also z.B. Produktion und Büro – nicht so eine wichtige Rolle spielen. Als entscheidende Kriterien für die Herausbildung einer Hierarchie wurden vielmehr Berufserfahrung, Dauer der Betriebszugehörigkeit, persönliches Geltungsbedürfnis oder mangelndes Verantwortungsbewußtsein genannt – alles Gründe, die auch bei zunächst gleichqualifizierten Gruppen auftreten können.

Wobei nicht nur das innere Verhältnis, sondern auch der von außen auftretende Druck von Bedeutung ist: Kunden haben einen berechtigten Anspruch auf möglichst qualifizierte Bedienung und wollen dann entsprechend zielsicher immer von den gleichen Leuten bedient werden (ein Eindruck, der manchmal auch nur äußerlich stimmt – je nachdem, wie sicher die einzelnen Leute auftreten).

Die Frage nach gemeinsamen Lösungswegen – etwa nach institutionalisierbaren Formen wie Rotationsprinzip oder ähnliches – wurde vehement abgewehrt. Jeder Betrieb sei unterschiedlich aufgebaut und müsse eigene Lösungswege finden (was mich nicht überzeugt hat. Ich bin immer noch der Meinung, daß es branchenspezifisch bewährte Vermeidungsstrategien gibt, die wir weiterempfehlen könnten). Eine Möglichkeit, (die ich auch von meinem Kollektiv kenne), wurde von einem Anwaltskollektiv geschildert: den Kunden, die immer nur den Berufserfahrendsten wünschen, wird eine Ansprechperson zugeteilt. Bei Schwierigkeiten wird das Problem dann intern und für den Kunden nicht sichtbar gemeinsam gelöst. Also eine Frage der internen Kommunikation und Information – sie spielte auch bei den anderen Gruppen immer wieder die entscheidende Rolle. Wir neigen dazu, die Arbeiten, die wir kennen (meist die eigene) wichtiger zu nehmen als die andere. Eine andere Arbeit akzeptieren zu können braucht die entsprechende Information über ihre Bedingungen. Ebenso verhält es sich mit Arbeitsschwierigkeiten einzelner Leute.

Der zweite Teil der Diskussion fand dann am Samstag statt – dadurch, daß der Kreis vereinbart hatte, daß jede Gruppe sich erst mal vorstellt und die Motivation schildert, mit der sie in die Diskussion gekommen ist, wurde dieser zweite Teil wohltuend konkret. Mit jeder Vorstellung wurden kleinere Diskussionen möglich, in denen auch die Sichtweisen derer rauskamen, die am Freitag still geblieben waren.

Darüber zu berichten hieße, Einzelfälle zu beschreiben, was an dieser Stelle sicher zu weit führt. Ein offenbar immer wieder auftauchendes Problem jedoch sind die "Neuen" in den Gruppen. Ganz typisch war wohl ein Beispiel aus Bremen, wo sich eine Frau – Letzte der "ersten Gruppe" – mit ihrer Identifikation mit dem Geschäft und ihrem Verantwortungsgefühl allein gelassen fühlte. Alle Neuen bringen, auch ungewollt, ein Stück Arbeitermentalität mit. In den meisten Gruppen scheint es immer die zwei, drei Leute zu geben, die weiterarbeiten, wenn die anderen ihren 5 Uhr-Feierabend in Anspruch nehmen.

Also Gespräche, Gespräche... haben wir dafür genügend Zeit? Es muß halt sein, war die vorherrschende Meinung. Na, dann also auf in die Diskussion "wie werden wir effektiver".

Axel Rudolphi

AG Projektfinanzierung

Im Dezember wurde auf einem Treffen von alternativen Beratern die Arbeitsgemeinschaft "Projektfinanzierung" ins Leben gerufen (ausnahmsweise mal formlos ohne Verein) als Zusammenschluß der regionalen Kreditvermittlungsinitiativen. Neben den Karlsruher IBEK-Gruppen, den STATTwerken und dem hessischen Verband der selbstverwalteten Betriebe, sind noch die aktiveren Netzwerke vertreten, die neben ihren Spendenumverteilungsaktivitäten eben auch die Kreditvermittlung aufbauen.

Auf den Wintertagen war nun das erste Folgetreffen. Und wie so häufig waren die gestellten Hausaufgaben vom Dezembertreffen nicht gemacht. Also ging es darum, nach einem allgemeinen Austausch über den Stand der Dinge in den Regionen, mit der konkreten Arbeit anzufangen. Die ersten Schritte zu einer bundesweit koordinierten Öffentlichkeitsarbeit wurden dann auch gleich unternommen: Der Entwurf eines Werbefalters und die Gliederung für eine umfangreichere Broschüre zum Thema "Finanzierung". Zum Schluß gelang es auch noch einen gemeinsamen Namen für die AG zu finden.

Auf "Finanzwunder" können nunmehr die Kollektive hoffen, wenn es darum geht, Finanzierungsprobleme zu lösen. Doch vor allzu großer Euphorie wird gewarnt. Die einzige überregional funktionierende Kreditvermittlung ist weiterhin lediglich STATTwerke – und hier gibt es zur Zeit einen Aufnahmestop. Auch regional operierende Stellen, wie Bremen und Hamburg, können sich über mangelnde Kreditnachfrage nicht beklagen. Es wird daher auch von den Kollektiven abhängen, bzw. deren Unterstützung bei der Öffentlichkeitsarbeit, ob es gelingt, ein funktionierendes und praktikables Instrument bundesweit aufzubauen.

Michael Mankowski

 

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Copyright © 1999 CONTRASTE Monatszeitung für Selbstorganisation
Stand: 21. November 2009