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Umsonstfahrtag

ZWEITER UMSONSTFAHRTAG IN BREMEN: »DEM KLIMA ZULIEBE – ALLE FAHREN BOG«

»Bequem ohne Geld«

Mit Blick auf den UN-Klimagipfel in Kopenhagen hatte am 21.11.2009 unter dem Motto »Für ein ganz anderes Klima – hier und anderswo!« der »2. Bremer Umsonstfahrtag« stattgefunden.

Aktivist, Klimaplenum Bremen # Mit dem Umsonstfahrtag hat das Bremer Klimaplenum (mindestens) drei Ziele verfolgt:

Erstens sollte auf die klimapolitische Notwendigkeit hingewiesen werden, den individuellen Autoverkehr (als einer der größten CO2-Emittenten) drastisch runterzufahren – bei gleichzeitigem Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs.

Zweitens ist dies mit der aneignungsorientierten Forderung einhergegangen, dass Mobilität genauso wie Bildung, Gesundheit oder Energie ein Grundrecht darstelle und deshalb umsonst zur Verfügung gestellt werden müsste (ob direkt oder vermittelt über ein bedingungsloses Grundeinkommen).

Drittens wollte das Bremer Klimaplenum mit dem Umsonstfahrtag einen konkreten Beitrag zur Mobilisierung nach Kopenhagen leisten – in diesem Zusammenhang ist uns insbesondere die internationalistische Perspektive wichtig gewesen, also der Umstand, dass der Klimawandel bislang vor allem auf Kosten der ohnehin armen bzw. ärmsten Menschen in der Peripherie bzw. im globalen Süden geht.

Diese dreifache Programmatik ist keineswegs zufällig, ihr liegt vielmehr das politische Selbstverständnis des Bremer Klimaplenums zugrunde: Danach sollte sich linke Klimapolitik nicht mit dem zwar richtigen, aber abstrakten Hinweis begnügen, dass der Klimawandel im Kern nur durch die Beseitigung des Kapitalismus zu verhindern bzw. einzudämmen sei. Vielmehr sollte es stets auch darum gehen, unter klimapolitischen Vorzeichen die konkreten Materialisierungen des Kapitalismus auf die Hörner zu nehmen, d.h. sich konkret mit Verkehr, Energieproduktion, industrieller Landwirtschaft, Überproduktion etc. zu beschäftigten – genauso wie mit globalen Macht- und Herrschaftsverhältnissen sowie den unmittelbaren Auswirkungen des Klimawandels in der Gegenwart.

So weit die Theorie, jetzt zur Praxis: Begonnen hatte der Umsonstfahrtag am Hauptbahnhof: Dort sammelten sich mehrere Dutzend UmsonstfahrerInnen, um anschließend in Bussen und Bahnen Flyer zu verteilen und klimapolitische Gespräche mit den Fahrgästen zu führen. Die FahrerInnen der Bremer Straßenbahn AG waren zwar angewiesen, via Lautsprecher darauf hinzuweisen, dass es sich beim Bremer Umsonstfahrtag um Schwarzfahrerei handeln würde, doch praktisch ist es kaum zu Problemen gekommen, zumindest ist weder Polizei noch Wachschutz in Erscheinung getreten.

Nach der Aktion die Demo: Statt einer klassischen Auftaktkundgebung hatte anfangs ein kleines Tribunal stattgefunden – in Form von Interviews mit zwei Flüchtlingsaktivisten: Im ersten Interview berichtete ein Aktivist vom der Elfenbeinküste, inwieweit der Klimawandel dort für die Bauern und Bäuerinnen schon lange Realität ist, insbesondere im Zusammenspiel mit den Abholzungen des tropischen Regenwaldes. Besagter Aktivist ist auch Mitglied der aus dem Blankenburger Flüchtlingsstreik hervorgegangen HipHop- Combo »les refugies« ( http://les-refugies. de/), deshalb rundete er seinen Beitrag mit einem Lied zu Klimawandel und Widerstand ab.

Im zweiten Interview berichtete ein aus Nepal stammender Aktivist der »Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen«, inwieweit der Klimawandel nicht nur in Nepal, sondern in Südasien insgesamt zu ganz unterschiedlichen Effekten führe: Zu Dürre, zu verschobenen Regenzeiten, zu Überschwemmungen, zu Krankheiten sowie zu Wetterextremen, welche die Ernte zerstören würden. Auch stamme ein nicht unerheblicher Teil des in China und Indien ausgestoßenen CO2 von westlichen Industrieunternehmen.

In diesem Sinne forderten beide Flüchtlingsaktivisten, dass in Kopenhagen die reichen Industrieländer den ersten Schritt machen müssten, vor allem gelte es, den Ländern der Peripherie endlich die Chance zu einer eigenständigen bzw. selbstbestimmten Entwicklung zu geben.

Im Anschluss brachen ca. 130 Leute zu einer Demo durch die Bremer Innenstadt auf, mit Redebeiträgen zur »Notwendigkeit einer radikalen Wende in der Energiepolitik«, zu »Klimawandel und Malaria« und zum »Zusammenhang zwischen Überfischung, klimawandelbedingter Übersäuerung der Meere und Flucht«.

Unbefriedigend war die niedrige Teilnahme aus dem linken Spektrum. Wesentliche Ursache dafür dürfte sein, dass der Klimawandel für viele Linke immer noch ein Diskursthema ist und lediglich punktuell Verknüpfung mit realen Protesten bzw. Widerstandspraxen aufweist. Außerdem scheinen noch viele Linke – genauso wie der große Rest der Gesellschaft – vor den realen Konsequenzen zurückzuschrecken, welche die Auseinandersetzung mit dem Klimawandel nach sich zieht: Wer den Klimawandel bekämpfen möchte, muss sich für eine drastische Reduzierung dessen einsetzen, was gemeinhin als »westlicher« Wohlstand bzw. Lebensstandard bezeichnet wird (und was die konkrete Ausbuchstabierung dessen bedeutet, wenn von der Abwrackung des wachstumsbasierten Kapitalismus die Rede ist). Das aber fühlt sich erst mal scheiße an – vor allem stiftet es verdammt viele Widersprüche und Ambivalenzen. Will die Linke ein ernsthafter Akteur hinsichtlich des Klimawandels werden (auch in Kooperation mit sozialen Bewegungen im Süden), dann ist diesbezüglich noch verdammt viel zu tun – die Proteste in Kopenhagen könnten sich insofern auch als inspirierende Chance bzw. als erster Schritt in die notwendige Richtung entpuppen.

Mehr Infos unter: http://klimaplenum-bremen.blogspot.com/ 

www.klimagipfel2009.de

Gekürzter Bericht, Original unter http://de.indymedia.org/2009/11/266706.shtml

 

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Copyright © 1999 CONTRASTE Monatszeitung für Selbstorganisation
Stand: 29. November 2009