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Haftungsassoziation

In Berlin wird eine neuartige Finanzierungseinrichtung für selbstverwaltete Betriebe gegründet

Fast alle der über 4.000 selbstverwalteten Betriebe, die mittlerweile in der Bundesrepublik und Westberlin existieren, haben Finanzierungsprobleme. Die Betriebe arbeiten häufig am Rande des Ruins, weil ihnen, neben qualifiziertem Personal, häufig das Geld fehlt, um die maschinelle Ausrüstung für eine effiziente Produktions- und Dienstleistungserstellung zu beschaffen.

Diesem alten Problem genossenschaftlich geführter Unternehmen soll nunmehr mit der im November in Berlin vorgesehenen Gründung der Haftungsassoziation eG - Bürgschaftsbank für selbstverwaltete Betriebe - zu Leibe gerückt werden. Nach mehr als einhalbjähriger Vorbereitungszeit wird damit im alternativen Sektor ein Finanzierungsinstrument geschaffen, das die spezifischen Finanzierungshemmnisse von selbstverwalteten Betrieben, wie Eigenkapitalmangel, Risikokapitalbedarf und mangelnde persönliche Kreditwürdigkeit sowie die daraus resultierenden erhöhten Kreditrisiken neutralisieren und die Ausgangsbedingungen der Betriebe beim "Wettbewerb um Kapital" verbessern soll.

Der Haftungsassoziation eG, die im Sinne des Kreditwesengesetzes ein "Spezialkreditinstitut" ist, wurde nun die Aufgabe zugeschrieben, Bürgschaften (keine Kredite!) an private Geldgeber und Banken zu vergeben, wenn diese selbstverwalteten Betrieben Kapital zur Verfügung stellen. Damit ist beabsichtigt, durch die Vergabe von zuverlässigen Kreditsicherheiten die Kreditwürdigkeit der Betriebe heraufzusetzen, die Finanzierungshemmnisse zu beseitigen, und so die Unternehmen für den allgemeinen Geld- und Kapitalmarkt attraktiver zu machen.

Als Träger der Haftungsassoziation sind die selbstverwalteten Betriebe und externe Förderer vorgesehen. Zu den externen Förderern zählt insbesondere die Evangelische Landeskirche Berlin, die durch die Übernahme eines Genossenschaftsanteils in Höhe von 1 Mio. DM die erforderliche - vom Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen vorgeschriebene - Eigenkapitalausstattung für die Haftungsassoziation eG aufbringen wird und so erst ihre Gründung ermöglicht. Gefördert wird die Haftungsassoziation eG daneben von dem Berliner Senat. Er gewährt der Assoziation sog. "Rückbürgschaften" in Höhe von 60% der verbürgten Kreditsumme. Rückbürgschaften sind im Prinzip "Bürgschaften auf Bürgschaften". Sie tragen einmal dazu bei, daß bei Ausfällen ein Teil der Zahlungen vom Senat an den Bürgen erstattet wird und daß zum anderen der Wert der Bürgschaft und die Bonität des Bürgen durch die öffentliche Zusatzsicherung erheblich erhöht wird.

Die Haftungsassoziation eG ist aber auch ein Instrument der "direkten Finanzierung", d.h., es ist geplant, daß sie sehr eng mit der "Kreditvermittlungsgenossenschaft" - angesiedelt bei den Berliner STATTwerken - zusammenarbeitet. Die Kreditvermittlungsgenossenschaft ist eine Einrichtung, die seit ca. zwei Jahren selbstverwaltete Betriebe bei der Finanzierung ihres Kapitalbedarfs mit Hilfe privater Spargelder - ohne Zwischenschaltung von Banken — unterstützt, indem sie private Geldgeber aktiviert, zu ihnen Kontakte herstellt, bei der Kreditprüfung und -abwicklung hilft sowie sich um die Beschaffung von Kreditsicherheiten für diesen Anlegerkrei kümmert.

Die Haftungsassoziation eG soll nun der Kreditvermittlungsgenossenschaft in den Fällen Schützenhilfe gewähren, wenn ein kreditnehmender Betrieb über keine ausreichenden Kreditsicherheiten verfügt - was aufgrund der erwähnten Finanzierungshemmnisse leider oft der Fall ist - und eine Kreditierung aus privaten Spargeldern nur mit Hilfe einer parallel geschalteten Bürgschaftsgewährung in Frage kommt. Hier soll die Haftungsassoziation einspringen und Bürgschaften vergeben. Der kreditpolitische Effekt dieser dualen Strategien liegt auf der Hand: Mit dem Instrument der Haftungsassoziation wird für die privaten Geldgeber die direkte Finanzierung von selbstverwalteten Betrieben an Reiz gewinnen. Bisher haben private Geldgeber rund 2 Mio. DM Finanzierungsmittel an selbstverwaltete Betriebe zur Verfügung gestellt und damit rund 180 Arbeitsplätze im alternativen Sektor geschaffen und erhalten.

Der Haftungsassoziation eG liegt neben ihrer einzelwirtschaftlichen Zielsetzung der Schaffung eines "finanziellen Gleichgewichts" in den Betrieben primär natürlich eine gesamtwirtschaftliche Zielkategorie zugrunde: Sie soll mithelfen, die zahlreichen, in den letzten Jahren im alternativen Sektor geschaffenen, Arbeitsplätze zu erhalten und weiter auszubauen. Im gesamten Bundesgebiet gibt es mittlerweile - wie anfangs kurz erwähnt - rund 4.000 selbstverwaltete Betriebe mit ca. 24.000 Arbeitsplätzen. Allein auf Berlin, dem sog. "Mekka der Alternativen", entfallen ca. 2.000 Arbeitsplätze, die in etwa 300 Unternehmen bestehen. Viele dieser Arbeitsplätze sind durch Finanzierungsprobleme gefährdet, neue Arbeitsplätze können aufgrund dieser Probleme nicht entstehen. Insofern ist das erörterte Finanzierungsmodell Haftungsassoziation eG auch ein Modell zur Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen in selbstverwalteten Betrieben.

Für die ersten beiden Geschäftsjahre wurde ein Bürgschaftsvolumen von 5 Mio. DM für die Haftungsassoziation eG ins Auge gefaßt. Damit sollen rund 400 bis 500 Arbeitsplätze erhalten und geschaffen werden.

Von dem Gründungsvorhaben Haftungsassoziation sind bereits "spill-over-Effekte" ausgegangen. Auch m anderen Bundesländern wird über dieses Modell nachgedacht. So z.B. in Hessen und Nordrhein-Westfalen. Hier gibt es, sowohl auf der Betriebs- wie auf der Staatsebene (Wirtschaftsministerium), Überlegungen zur Gründung einer Bürgschaftseinrichtung für selbstverwaltete Betriebe nach dem Berliner Vorbild.

Marlene Kück

 

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Stand: 22. Juli 2011