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Selbsthilfegruppen

Ende Oktober '85 in Bonn: Treffen des “Forum Selbsthilfegruppen” mit den Grünen

Statt Zugeständnissen nur “Hausaufgaben”

Begonnen hatte es damit, daß die “Stiftung Mitarbeit” sich als Forum für Selbsthilfegruppen anbot. Ein Forum, auf dem Selbsthilfegruppen und Parteien miteinander in Kontakt treten können und das den Gruppen die Möglichkeit bietet, ihre Forderungen, ihre Wünsche den Politikern direkt vorzutragen.

Das erste Treffen dieser Art fand Februar mit der SPD in Bonn statt. Eingeladen waren dieselben Gruppen wie auf dem Forum im Oktober mit den GRÜNEN, da die „Stiftung Mitarbeit“ der Meinung ist, daß eine Kontinuität gegeben sein müsse.

Teilnehmer dieses Forums waren: Aktion junger Mensch in Not, Bundesvereinigung sozio-kultureller Zentren, BAG der freien Gruppen in der Straffälligenarbeit, IAG sozialer Brennpunkte Hessen e.V., DAG, Interessenverband für Unfallgeschädigte und Sozialleistungsempfänger, Graue Panther und AG SPAK.

Das Treffen mit den GRÜNEN fand am Abend in der Parlamentarischen Gesellschaft statt. Es wurde darüber diskutiert, welche Funktionen, welche Wirkungen Selbsthilfegruppen für die Politik haben sollen und können und welche Forderungen sich daraus ableiten. Einigkeit bestand darin, daß die Gruppen sich nicht als Entlastung für den Staat begreifen wollen, sondern sich als Modell für eine andere, selbstbestimmte Sozialpolitik verstehen. Sie gehen davon aus, daß sie als Selbsthilfegruppen die „Ganzheitlichkeit" des Einzelnen in den Vordergrund rücken und nicht, wie es in den vorherrschenden, institutionalisierten Einrichtungen geschieht, die Bedürfnisse des Einzelnen den Strukturen anpassen. Weiter verstehen sie Selbsthilfe als Kritik an der gegenwärtigen Sozialpolitik, da sie Mängel aufzeigt, auf jene die Politik nicht in ausreichendem Maße reagiert. Daraus leiten sie die Forderung ab, daß der Staat seine eigenen Kritiker finanzieren muß, da nur durch Gegenpole und unterschiedliche Positionen, Entwicklungen möglich sind. Diese Finanzierung sollte so erfolgen, daß der Staat einen festen Etat in Form eines Pools einrichtet, aus dem dann die Gruppen finanziert werden. Dieser Pool soll autonom von den Gruppen verwaltet sein. Ferner forderten die soziokulturellen Zentren die Anerkennung als Kulturträger und eine sich daraus ergebende gleichberechtigte Förderung. IfUS und IAG betonten die Notwendigkeit, das soziokulturelle Existenzminimum politisch durchzusetzen und damit verbunden der Wegfall der Unterhaltsverpflichtung und die Streichung der §§ 18,19 im BSHG (Pflichtarbeit). Dieses Mindesteinkommen soll dem Einzelnen die finanzielle Grundlage bieten, sein Leben selbst zu bestimmen, das heißt für den Behinderten, selbst zu entscheiden wie und wo er leben will und welche Form der Pflege er für sich wählt. Weiter sollen unabhängige Beratungsstellen eingerichtet werden, das meint, weg vom Träger (Sozialamt, Krankenkasse ...), um damit die volle Ausschöpfung der bestehenden Sozialgesetze zu gewährleisten. Damit verbunden sollen Schiedsstellen eingerichtet werden (Beispiel Holland), da gegenwärtig Verfahren jahrelang laufen bis sich daraus ein Rechtsanspruch ergibt. Gemeinsam wurde erarbeitet, daß in der gegenwärtigen Situation darauf gedrängt werden muß, daß die bestehenden Gesetze, gemeint BSHG, konkret durchgesetzt werden, das meint, daß nicht aufgrund von Sparmaßnahmen mangelhaft beraten wird, der Einzelne somit Sozialleistungen nicht in vollem Umfange erhält und dadurch Subsidiarität unterlaufen wird. Ferner sollen Initiativen/Modelle in politischen Entscheidungen mitberücksichtigt und die Selbstbeteiligung von Betroffenen soll in den bestehenden Einrichtungen erweitert werden.

Die GRÜNEN stellten zu Beginn des Treffens ihre Position gegenüber Selbsthilfegruppen vor. Für sie sichern Selbsthilfegruppen emanzipatorische Ansätze, sie bieten dem/der Bürger/in die Möglichkeit, selbstbestimmt, autonom auf dezentraler Ebene zu arbeiten. Das heißt für die GRÜNEN weniger Staat. Die Aufgabe der Politik besteht ihrer Meinung nach darin, daß sie Strukturen schafft, die Selbsthilfe möglich und durchführbar macht. Also Bereitstellung von Geldern, Änderung des BHSG's, Einführung des soziokulturellen Existenzminimums. ... Diese Position bestimmt auch die Reaktion der GRÜNEN auf die vorgetragenen Forderungen. Sie forderten die Gruppen auf, ihre Punkte konkret zu formulieren und sie gemeinsam mit ihnen „parlamentsreif“ auszuarbeiten. Diese Antwort der GRÜNEN war für einige enttäuschend, da keine Zugeständnisse, Versprechungen gemacht, sondern „Hausaufgaben" verteilt wurden.

April '86 will die „Stiftung Mitarbeit“ ein Forum mit der CDU vorbereiten, dem anschließend eines mit der Gewerkschaft folgen soll.

Ich möchte noch anmerken, daß unter den anwesenden Gruppen überwiegend Zusammenschlüsse von sozialpolitischen Initiativen/Gruppen waren, die nach meinem Verständnis keine Selbsthilfegruppen sind. Es wäre zu überlegen, inwieweit dieses Forum „etablierten Verbänden" überlassen wird und ob sich nicht mehr interessierte Selbsthilfegruppen an diesem beteiligen wollen.

Zu fragen ist auch, inwieweit Selbsthilfegruppen eine „Stiftung Mitarbeit“ benötigen und ob sie nicht aufgrund ihres Selbstverständnisses aufgefordert sind, solche Foren selbst einzurichten, da auch die Gefahr besteht, daß Parteien nur die an den Treffen beteiligten Gruppen in ihren „Entscheidungsprozeß" miteinbeziehen.

Weiter ist zu bedenken, inwiefern die „Stiftung Mitarbeit“ sich durch ihr Angebot an die Gruppen das Recht erwirbt, als Sprachrohr aufzutreten und sich dadurch etabliert.

Elisabeth Kraft

 

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Stand: 01. März 2010