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Monatszeitung für Selbstorganisation

 

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ZUR GESCHICHTE DER
ZEITUNG FÜR SELBSTVERWALTUNG

Vom Wandelsblatt zur Contraste

»Zwischen Schreibtisch und Straßenschlacht? Anarchismus und libertäre Presse in Ost- und Westdeutschland« ist der Titel des Buches von Bernd Drücke, daß im August 1998 erscheinen wird. Der Autor stellte uns den nachfolgenden Beitrag als Vorabdruck zur Verfügung.

»Weniger contra als pro: für eine alternative, selbstverwaltete Ökonomie und Gesellschaft, bietet CONTRASTE Einblicke in die ökonomische Experimentalebene des real existierenden Kapitalismus. Ein Fachblatt für kollektives UnternehmerInnentum und Randgruppenökonomie. CONTRASTE zeigt, was hierzulande in der Opposition wirtschaftlich möglich ist und mit welchen Problemen dieses Wirtschaften verbunden ist. Daneben noch Nachrichten, Tips und Termine aus der Szene.« (1)

Im Juli 1984 fand nach 1983 die zweite bundesweite Projektemesse in Folge auf dem Gelände der damals noch selbstverwalteten ASH-Krebsmühle in Oberursel statt. Sie stand unter dem Slogan »Ökologisch leben, friedlich arbeiten in einer selbstbestimmten Gesellschaft«.

»Der Standort für die Messe war nicht zufällig Hessen, die erste rot-grüne Landesregierung befand sich in den Startlöchern. Der 1983 gegründete `Verband der Selbstverwalteten Betriebe Hessens' hatte ein Förderprogramm für die hessische Selbstverwaltungsszene vorbereitet, den `Hessentopf', der neben der Diskussion um eine eigene Bank der Bewegung im Mittelpunkt von Diskussionsveranstaltungen auf der Projektmesse stand.«  (2)

Der TeilnehmerInnenkreis der Projektmesse war breit gestreut: Selbstverwaltete Betriebe, Jugendzentren, Initiativen und Projekte aus dem Kultur- und Sozialbereich. Aus der Erkenntnis heraus, daß längere Pausen zwischen den Messen und Treffen notwendig sind, aber die Kommunikation zwischen den Betrieben und Projekten aufrecht erhalten werden muß, entstand die Idee einer bundesweiten Publikation. Und so produzierte eine Arbeitsgruppe in zwei Sitzungen das vielleicht bedeutendste Ergebnis dieses Treffens: das »Wandelsblatt«.

Die mit einer Auflage von 5.000 Exemplaren produzierte »Zeitung für Selbstverwaltung« (Untertitel) entstand aus der »Einsicht in die Notwendigkeit, eine eigene Publikation für Selbstverwaltung zu schaffen (...).« (3) Die Redaktion verstand das Projekt als Teil der Strukturen, »die wir uns schaffen, um kontinuierlich Kontakt zu halten, um (...) unsere Bewegung gemeinsam weiterzuentwickeln.« (4)

Vorgängerinnen des Wandelsblatt waren die zuvor von der ASH-Krebsmühle in Oberursel herausgegebenen »Wir wollen's anders« (5), »Basis« (6), »Hick-Hack« und »Viererbande«, sowie die in Berlin gegründete und vornehmlich durch die UFA-Fabrik und kulturelle Projekte aus deren Umfeld getragene Berliner »Betriebszeitung« in der »taz«. wandel1.JPG (46358 Byte)

Im Gegensatz zu den Vorgängerinnen wurde das Wandelsblatt »in großer Runde gemeinsam geboren« (7). Es wurde zum Abschluß der Projektemesse aus dem oben genannten TeilnehmerInnenkreis gegründet. Die Gründungsmitglieder kamen aus den Regionen Rhein/Main, Berlin, Hamburg, Bremen, NRW, Heidelberg/Mannheim, Stuttgart, Bodenseekreis und München. Sie beschäftigten sich mit der Frage, wie ein dezentrales und autonomes Kommunikationsorgan der Bewegung angegangen und aufgebaut sein sollte, um den Ansprüchen gerecht zu werden.

Das Periodikum erschien fortan monatlich im Tageszeitungsformat und sollte dem Informationsaustausch und der Kommunikation zwischen den selbstverwalteten Betrieben und den Initiativen aus dem Selbstverwaltungsbereich dienen, um den Zusammenhalt und die Entwicklungsmöglichkeiten der Szene voranzutreiben.(8)

Die vierte Ausgabe erschien als »Zeitung für den längeren Atem« (Untertitel) bei Aufrechterhaltung von Konzept und Erscheinungsbild mit dem Titel »Wandersblatt«. wandel2.JPG (44663 Byte)

»Da stutzt der Laie, und der Fachmann wundert sich. Wenn aber Goliath dem David auf den Kopf hauen will, muß dieser sich etwas einfallen lassen. Allen einstweiligen Verfügungen zum Trotz wird das WANDEL§BLATT (sic!) weiterhin zuverlssig erscheinen, möglicherweise erstmal weiterhin in Titelvariationen. Wo plumpe (Wirtschafts-)Macht uns plattzumachen droht, halten wir unsere Traditionen entgegen: `Legal, illegal,........egal!' aber vor allem auch: `Phantasie an die M8!'« BLATT (sic!) weiterhin zuverlssig erscheinen, möglicherweise erstmal weiterhin in Titelvariationen. Wo plumpe (Wirtschafts-)Macht uns plattzumachen droht, halten wir unsere Traditionen entgegen: `Legal, illegal,........egal!' aber vor allem auch: `Phantasie an die M8!'« (9)

Das Handelsblatt hatte gegen das presserechtlich von Peter Haß verantwortete Alternativprojekt eine einstweilige Verfügung erwirkt,

»wegen Benutzens eines verwechslungsfähigen Titels einer Druckschrift, unlauteren Wettbewerbs und Namensverletzung (§ 16,1,3 UWG, § 12 GBGB), Streitwert: 150.000,-DM (geschätzt), (...).« (10)

Durch die Kampagne der Handelsblatt GmbH erreichte das Wandelsblatt einen Popularitätsschub und die Zahl der AbonenntInnen erhöhte sich auf über 4.000. Das von der Handelsblatt GmbH angedrohte gerichtliche Hauptverfahren wäre »wegen der immensen Kosten« für die Redaktion nicht durchführbar gewesen und die Wandelsblatt-HerausgeberInnen mußten klein beigeben. 18.000 DM Gerichts- und Anwaltskosten waren auch ohne Hauptverfahren aufgelaufen. Diese wurden über Kreditgemeinschaften von LeserInnen und Redaktionen aufgebracht. Die Nr. 5 der Alternativzeitschrift erschien im Februar 1985 bei Aufrechterhaltung von Konzept, Aufmachung, Jahrgangs- und Heftzählung des Vorgängers untertitelt mit »Positionen zum Wandel der Gesellschaft« unter dem fortan beibehaltenen Titel CONTRASTE.

Die mit einer Auflage von durchschnittlich 7.000 Exemplaren herausgebrachte, gut lesbare und professionell wirkende »Monatszeitung für Selbstverwaltung« (Untertitel) erschien seitdem elfmal jährlich mit einem Umfang von jeweils sechzehn Seiten. In der Zeit bis 1986 war ein Mitarbeiter von Caro Druck GmbH (Frankfurt) Herausgeber, die Endredaktion bei Zünd-Satz GbR in Heidelberg und der Verlagssitz befand sich bei der ASH-Krebsmühle in Oberursel. Im April 1986, mit der Gründung des CONTRASTE e.V., Verein zur Förderung von Selbstverwaltung und Ökologie, der Herausgeber wurde, wurde auch der Verlagsort nach Heidelberg verlegt.

CONTRASTE entwickelte sich zu einem bundesweiten Diskussions- und Informationsmedium für Menschen, die sich für selbstverwaltete Betriebe interessieren. Während der als Herausgeber fungierende Verein, sowie die Haupt- und Endredaktion ihren Sitz in Heidelberg behielten, entstanden weitere ehrenamtlich arbeitende Redaktionen in Berlin, Bremen, Eutin, Sottrum und Göttingen, sowie Fachredaktionen für die Rubriken Autonome Frauenseite (Ricarda Buch, Berlin), Alternative Energie/Technik (Christian Sauer, Berlin), Grafische Betriebe (Constantin Bartning, Berlin), Genossenschaften (Burghard Flieger, Freiburg), Handwerk (Andreas Küstermann, Heidelberg), Sozialpolitik (AG SPAK, Dieter Koschek), Naturkost (Herrmann Cropp, Osnabrück) und Selbstorganisierte Lebensgemeinschaften (Elisabeth Voß, Neustadt/Weinstr.).

CONTRASTE hatte in seiner Geschichte mehrere Wandlungen erfahren. Über und mit dem Forum CONTRASTE wurden zahlreiche große und kleine Projekte von der Selbstverwaltungsbewegung initiiert und kritisch begleitet. Aus dem CONTRASTE-Redaktionsumfeld entstanden - so der presserechtlich verantwortliche Redakteur Dieter Poschen - z.B. die Ökobank, das Netz für Selbstverwaltung und Selbstorganisation, der Verbund der selbstverwalteten Fairsicherungsläden u.a.

»Diese haben sich im Zuge ihrer `Professionalisierung' aber von der Zeitung CONTRASTE entfernt und geben notwendigerweise entsprechende Marketingblätter heraus (z.B. Ökorrespondenz der Ökobank).« ).« (11)

Bis zur Gründung der Bank im Jahr 1988 hatte der Verein »Freunde und Förderer der Ökobank« die CONTRASTE noch zur Diskussion und Einlagensammlung genutzt. Wie bei einigen erfolgreichen Betrieben und Verbänden, die sich eigene Marketinginstrumente zugelegt hatten, spielte auch bei diesem etablierten Geldinstitut die CONTRASTE mit ihrem kritischen Anspruch bald keine Rolle mehr in der Öffentlichkeitsarbeit.

Trotz erfolgreicher Initiierung vieler Verbände und Großprojekte mußte die Zeitung zahlreiche Rückschläge in ihrer Entwicklung hinnehmen.

CONTRASTE wird bis heute von 40 MacherInnen herausgegeben, geschrieben, zusammengestellt, redigiert, gesetzt und gedruckt.

»(...) wer einen Beitrag in CONTRASTE veröffentlichen will, schickt ihn an die Heidelberger Endredaktion. (...) Alle an einer aktiven Mitarbeit Interessierten können dies im Heidelberger Büro kundtun und erhalten dann regelmäßig die internen Redaktionsrundbriefe und Einladungen zu den viermal jährlich stattfindenden Redaktionstreffen.« (12)

Seit 1985 dokumentiert CONTRASTE ein umfangreiches Adressverzeichnis alternativer, libertärer und selbstverwalteter Projekte in der Bundesrepublik: die Bunten Seiten. Sie erschienen zunächst als jährliche Zeitungsbeilage und werden seit 1995 regelmäßig in Buchform herausgegeben. Ein Unterschied zu anderen Verzeichnissen aus der Alternativ- und Ökologiebewegung sei, daß die Bunten Seiten

»`von unten getragen' sind. Unsere Adressen sind hauptsächlich durch aktive Mitarbeit der BenutzerInnen zusammengekommen. (...) Die Voraussetzung für eine autonome, alternative Regionalentwicklung als selbstbestimmte Form einer Zusammenarbeit von verschiedenen `Werkstätten der Gesellschaft'.« (13)

Die so entstandene Datenbank »von unten« wurde kontinuierlich weiterentwickelt und wird voraussichtlich ab Herbst 1998 auch im Internet einzusehen sein. Die neueste Ausgabe der Bunten Seiten (1997/98) wurde im Herbst 1997 herausgebracht. Sie enthält auf 258 DIN A4 Seiten ca. 12.000 Anschriften alternativer Betriebe und Projekte mit besonderen Ansprüchen im sozialen, kulturellen, Umwelt-, Friedens-, Frauen- oder auch im internationalen Bereich. Neben diesem Überblick über die vielfältige Projektelandschaft in der Bundesrepublik, der Schweiz, Österreich und international, findet sich in den Bunten Seiten auch ein aktueller Reader der Alternativmedien mit zahlreichen Hinweisen zu Erscheinungsweise, Format, Abopreisen und Schwerpunkthemen.

CONTRASTE ist so buntgemischt wie die Bewegungen selbst und ein Spiegel dieser Vielfalt. Die Auswahl der Berichte, Dokumentationen und Diskussionen erfolgt undogmatisch und unabhängig. Schwerpunktthemen waren in den letzten Monaten z.B. »Kommerz und Alternativer Welthandel« (März 1997), »Tauschwirtschaft« (April 1997), »Kommunen« (Mai 1997), »Euro« (Juni 1997), »Love & Hate Parade - Eine neue Qualität der Konsumkultur?« (Sommer 1997), »Alternativen in der Internet-Revolution« (Sept. 1997), »Naturnahe Waldbewirtschaftung« (Okt. 1997), »Freie Radios« (Nov. 1997), »Der Klimagipfel in Kioto« (Dez. 1997), »Antifaschismus« (Jan. 1998), »Jugendumweltbewegung« (Feb. 1998) und »Fairer Handel« (Nr. 163, M„rz 1998).

CONTRASTE etikettierte sich nie als explizit anarchistisch, vertrat aber - im Gegensatz zur taz - meist libertäre Positionen und dient bis heute auch anarchistischen Kommunen, Wohnprojekten, Infoläden, Wagenburgen u.a. libertären Projekten als Sprachrohr und zur Weiterentwicklung ihrer gesellschaftlichen Utopien.

Ein Vorabdruck aus dem Buch: Bernd Drücke: Zwischen Schreibtisch und Straßenschlacht? Anarchismus und libertäre Presse in Ost- und Westdeutschland, ca. 700 S., ca. 49.80 DM, Verlag Klemm und Oelschläger, Ulm, ISBN 3-932577-05-1, erscheint im August 1998.

Anmerkungen:

(1) Ralf G. Landmesser, Wegweiser durch den anarchistischen Blätterwald, a.a.O.

(2) Dieter Poschen: Kleine Chronologie, in: CONTRASTE, tazVerlagsbeilage in Kooperation mit CONTRASTE e.V., Heidelberg/Berlin, 4. Mai 1998, S. 1.

(3) CONTRASTE - Selbstdarstellung, in: VERZEICHNIS DER alternativMedien Ausgabe 1991/92, Edition ID Archiv Amsterdam/Berlin, April 1991, S. 185.

(4) Am Rande, in: Wandelsblatt Nr. 1, Bremen, Okt. 1984 S. 1.

(5) Das von der Frankfurter Arbeitslosen-Selbsthilfe (ASH) unregelmäßig von 1977 bis 1979 im Format DIN A4 herausgegebene und libertär ausgerichtete Wir wollen's anders widmete sich primär den Themenschwerpunkten Selbstverwaltung und Kollektivbetriebe. Vgl. Jenrich, a.a.O., S. 247.

(6) Basis (Betriebe ab sofort in Selbstverwaltung) erschien 1980 unregelmäßig mit Auflagen bis zu 3.000 als Nachfolgeblatt von Wir wollen's anders in Oberusel, wiederum herausgebracht von der ASH. Vgl. Jenrich, a.a.O., S. 228.

(7) Am Rande, in: Wandelsblatt Nr. 1, a.a.O.

(8) Vgl. CONTRASTE - Selbstdarstellung, in: VERZEICHNIS DER alternativMedien Ausgabe 1991/92, a.a.O.

(9) Liebe Wanderratten, in: Wandersblatt Nr. 4, Oberursel, Januar 1985, S. 1.

(10) Einstweilige Verfügung, in: Wandersblatt Nr. 4, ebd., S. 13.

(11) CONTRASTE-Redaktion/Dieter Poschen, Brief an den Verfasser dieser Arbeit, Heidelberg, 09.04.1997, S. 2.

(12) Impressum, in: CONTRASTE Nr. 111, Heidelberg, Dez. 1993, S. 15.

(13) Bunte Seiten; Die Adressen der selbstverwalteten Projekte und Betriebe. Eine Extraausgabe von CONTRASTE, Heidelberg, Juli 1993, S. 1.    

 

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Stand: 28. September 2011