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Rebel Clowns vor Gericht

KÖLNER PROZESS UM "HAUSFRIEDENSBRUCH" BEIM MILITARISIERTEN ARBEITSAMT

Rebel Clowns vor Gericht

Drei des "Hausfriedensbruchs" in der Kölner Arbeitsagentur Angeklagte betraten am 5. März den Amtsgerichtssaal in Mafia-outfit: schwarze Anzüge und schwarze Sonnenbrillen. Rund fünfzig ZuhörerInnen mussten sich durch Sicherheitsschleusen, Durchsuchungen und Barrieren quälen, bevor sie hinter Trennscheiben wie bei einem Terroristenprozess Platz nehmen durften.

von Ariane Dettloff, Redaktion Köln - Und dann verwandelten sich zehn von ihnen in pappnasige "rebel clowns", die eifrig die Scheiben wienerten, Angeklagten, Richter und Staatsanwalt zuwinkten und angesichts der Abtrennung riefen: "Nicht füttern!" Es wurde ein sehr kurzweiliges Verfahren.

Vorausgegangen war eine antimilitaristische Aktion am Kölner Arbeitsamt, zu der im Juni 2007 auch die "clandestine insurgent rebel clowns army" aufmarschiert war. Diese satirische linkspolitische "Armee" ist hierzulande durch ihre Auftritte in Rostock und Heiligendamm bekannt geworden. Und die Angeklagten, drei Männer Anfang zwanzig, bekannten sich zu ihr.

Ihr Einsatzort Arbeitsamt war ausgewählt worden, weil hier Rekrutierungsoffiziere der Bundeswehr in eigens dafür zur Verfügung gestellten Räumen arbeitslose Jugendliche mit Ausbildungsangeboten und stattlicher Bezahlung locken dürfen, sich für Auslandseinsätze des deutschen Militärs zu verpflichten. Angeblich hatten die Clownsarmisten sich widerrechtlich Zutritt verschafft und wollten auch auf Geheiß der Polizei nicht fix wieder verschwinden.

"Das Verhältnis zwischen Clownsarmee und Polizei", bekannten die Angeklagten in ihrer Einlassung vor Gericht, "ist seit jeher angespannt. Ursache hierfür dürfte der latente Neid der Polizisten auf die gut ausgebildeten, gut genährten und vor allem gut aussehenden Einheiten der Clownsarmee sein. Auch bei der Polizei selbst wird dieses Problem gesehen. Kriminaloberkommissarin Schulze-Hobeling, eine ausgewiesene Expertin im Bereich clownesker Aufruhrbekämpfung, gesteht in der Prozessakte auf Blatt 34 ein: 'Die Aktivisten sind stets sehr gut vorbereitet, aufeinander abgestimmt (Strategie!) und im Handeln als Gruppe sehr "effektiv". Die einzelnen Aktionsformen sind wandelbar, die Möglichkeiten unbegrenzt.' Deutlich ist aus diesen Zeilen heraus zu lesen, dass die Polizei in der Clownsarmee einen übermächtigen Konkurrenten in Sachen Repression sieht. Wir können deshalb nachvollziehen, dass die schlecht ausgebildeten Einheiten der Kölner Polizei mitunter unangemessen auf Clownseinsätze reagieren. Aber auch wenn wir ein solches Verhalten nicht gutheißen können, wollen wir Nachsicht zeigen und von rechtlichen Schritten gegen die Kölner Polizei absehen. Im Übrigen ist der Vorwurf des Hausfriedensbruchs absurd. Immerhin werden hier einige Soldaten der Clownsarmee angeklagt und es ist wohl eine Selbstverständlichkeit, dass eine Armee im Einsatz den Frieden bricht. Denn dazu ist sie schließlich da."

Es folgte die Zeugenbefragung des Verwaltungschefs der Kölner Arbeitsagentur Bicker. Dieser schilderte das Eindringen der Soldaten der Clownsarmee als Delikt: Sein Hausrecht wurde gestört. Die Frage des Richters, ob die Angeklagten noch Fragen an den Zeugen hätten, wurde von diesen bejaht. "Wie geht es Ihnen heute? " wollten sie wissen, erhielten aber keine Antwort.

Nach dem Plädoyer des Staatsanwalts (er verlangte je 60 Tagessätze) verteidigten sich die Delinquenten wie folgt: "Die von der Staatsanwaltschaft angeführten Beweise sind so überzeugend, dass auch wir selbst nun an unsere Schuld glauben. Denn die Geschichte hat gezeigt, dass staatliche Behörden immer recht haben.... In unserem gescheiterten Versuch die herrschende Ordnung gegen Kritik und Veränderung zu verteidigen haben wir uns selbst gegen diese Ordnung gestellt und so die freiheitlich demokratische Grundordnung unseres geliebten Vaterlandes in ihren Grundfesten erschüttert. ... Insofern gilt unsere tiefe Dankbarkeit den Männern und Frauen, die sich in einem solchen Moment größter Gefahr aufgeopfert haben um der Bedrohung Einhalt zu gebieten. Es ist an der Zeit, danke zu sagen: Danke, liebe Polizei! Danke, dass Du die westliche Welt vor dem sicheren Untergang bewahrt hast!"

Trotz ihrer reumütigen Einsicht verurteilte Richter Wiegelmann die angeklagten rebel clowns zu jeweils 15 Tagessätzen.

 

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Stand: 07. August 2008