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Qualitatives Wachstum

Qualitatives Wachstum - ein Ausweg aus der Krise?

Ende November fand in der DGB-Bundesschule in Hattingen/Ruhr das sogenannte "2. Hattinger Forum" statt.

Manfred, blätterwald, modellfabrik weisskirchen - Dabei suchte der DGB das Gespräch mit verschiedenen Wirtschaftswissenschaftlern sowie Vertretern aller relevanten Parteien, wie wohl aus den verschiedenen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Kreisen, wie bspw. Massenarbeitslosigkeit, ökologische Krise, Enthumanisierung der Arbeit durch technischen Fortschritt usw. ein Ausweg gefunden werden könnte.

Wie im Thema schon zum Ausdruck kommt, sieht der DGB u.a. in einem "Qualitativen Wachstum" einen möglichen Ausweg aus den Krisen. Es würde an dieser Stelle zu weit führen, über einzelne Teilaspekte und Inhalte dieser Theorie sich die Finger wund zu schreiben; es würden nur meist sehr wachsweiche und ungreifbar-abgehobene Thesen herauskommen.

Einen Teilaspekt möchte ich an dieser Stelle jedoch genauer beschreiben. In allen Diskussionen tauchte, egal ob nun von Parteivertretern, Wirtschaftswissenschaftlern oder DGB-Spitzenfunktionären, immer wieder die Beschwörung auf, man sollte dem alternativen Sektor mehr Beachtung schenken, bzw. unterstützen.

Ein Teil der Diskussionsteilnehmer predigte dieses im Zusammenhang mit der Frage, ob die politische Relevanz der Gewerkschaften wohl verstärkt werden kann, indem mehr gewerkschaftlicher Einfluß in dem Alternativsektor, oft auch "Schattenwirtschaft" oder "Schmutzkonkurrenz" genannt, erzielt wird.

In diesem Zusammenhang halte ich das Schielen auf den Selbstverwaltungssektor mehr für eine Legitimation oder eine Art Feigenblattfunktion, da die Gewerkschaften in meinen Augen selbst in einem Zustand der Ratlosigkeit stecken.

Oft wurde dies auch an den Stellen deutlich, wo um Begriffe wie z.B. "humanere Arbeit" oder "sinnvolle Produkte" nicht inhaltlich diskutiert wurde, sondern eher nach dem Motto "besser die Gewerkschaften besetzen neue Begriffe als bankrotte Betriebe" (ironisches, aber sehr treffendes Originalzitat eines Teilnehmers).

Diesen Teilnehmer würde ich zu einer Gruppe Gewerkschaftern zählen die den Kontakt zu den Alternativprojekten in anderem Zusammenhang suchen. Nach deren Auffassung muß der Alternativsektor mehr als Impulsgeber für gesellschaftliche Veränderungen ernstgenommen werden. "Von denen können wir nur etwas lernen", hörte ich immer wieder aus dieser Ecke; ich glaube, daß dies auch ehrlich gemeint war.

Und genau hier liegt in meinen Augen ein wichtiger Ansatzpunkt, in den Dialog mit den Gewerkschaften zu treten, die ähnliche oder gleiche Vorstellungen im Kopf haben, wie beispielsweise eine humanere Arbeitswelt im Sinne von sinnvoller und nicht entfremdeter Arbeit und wie menschlichere Arbeitsplätze erzielt werden können.

Auch bei Überlegungen, wie wohl die Produkte und Produktionsverfahren umwelt- und menschenfreundlicher werden könnten, sind Gemeinsamkeiten festzustellen.

In diesem Dialog mit den "Fortschrittlichen" der Gewerkschaftsbewegung (oder vielleicht Gewerkschafts"un"bewegung?) müßte jedoch eins klar gestellt werden: Bei allen Beiträgen, man müßte den Alternativsektor ernstnehmen und unterstützen, wurde einhellig vertreten, daß vor allem kulturelle und soziale Impulse gesetzt werden aber ökonomisch gesehen keine Relevanz zu erkennen sei. Ich frage mich, warum immer wieder von einer ökonomischen Irrelevanz gesprochen wird. Gerade ökonomisch muß und wird der Selbstverwaltungssektor ein immer größeres Gebiet bekommen.

Je größer nun die ökonomische Gewichtung wird, desto eher werden für uns schon wichtige Werte auch in größeren Zusammenhängen (wie z.B. mit Gewerkschaftern) diskutiert und rücken somit stärker in das gesellschaftliche Bewußtsein.

Für uns wichtige Werte sind u.a. - unsere positiven Erfahrungen bei der Entkoppelung von quantifizierbarer Leistung und Lohn, sowie die Frage nach Art und Höhe der Entlohnung (wenn beispielsweise eine Kindergruppe oder ein Kulturbetrieb von uns als Betrieb aufgebaut und genutzt wird, ist das nicht auch eine Art von Entlohnung?)

keine Hierarchie, die aus den Eigenkapitalverhältnissen abgeleitet wird
Entkoppelung der Eigentumsfrage von der Verfügbarkeit über die Produktionsmittel (Kapitalneutralisierung)

Neben dieser "Wertediskussion" muß versucht werden, das Prinzip der Selbstverwaltung auf größere betriebliche Zusammenhänge auszudehnen, um eigene übertragbare Erfahrungen zu machen, um in den Diskussionen mit Gewerkschaftern, die die klein- bis mittelständigen Ökonomien offensichtlich nicht als gesellschaftsrelevant ansehen, in Zukunft nicht aus dem hohlen Bauch argumentieren zu müssen.

Gerade dann kann eine solche Diskussion für beide Teile fruchtbar sein.

Es muß herausgefunden werden, bis zu welcher Größe einer Betriebseinheit die Selbstverwaltung sinnvoll praktizierbar ist, und wie Kommunikationszusammenhänge zwischen den verschiedenen Betriebseinheiten effektiv und dauerhaft funktionstüchtig aufgebaut werden können.

Für Überlegungen in diese Richtung sind sicherlich auch die Erfahrungen wichtig, die die Gewerkschaften in den letzten Jahren während ihrer Entwicklung zum Zweiklassensystem - hier die Basis und da die Funktionäre - gemacht haben, um solche Entwicklungen nicht wiederholen zu müssen.

Dabei könnten durchaus auch die Gewerkschaften lernen, die Kluft zwischen Basis und Funktionärsapparat zu überwinden.

 

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Stand: 06. Mai 2008