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Monatszeitung für Selbstorganisation

 

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Ökostrom Teil 3

STROM SELBER MACHEN

Strom ohne Energiekonzerne, Atom- und Umweltverschmutzung?

atom.jpg (43245 Byte)Diese Utopie spukt noch immer durch die Köpfe in der Alternativszene. Nimmt man Broschüren zur Hand, die um die Zeit der Energiekrise entstanden sind, sieht man kräftige Burschen in Latzhosen Landwirtschaft betreiben. Im Hintergrund nudelt das Windrad auf dem selbstgeschweißten Mast. Bauanleitungen kursierten, wie man sich mit einer alten Lichtmaschine und Kugellagern vom Autofriedhof vom Netz unabhängig machen könnte.

Roland Schnell, Redaktion Umweltschutz von unten - Ein Vierteljahrhundert später sind die Windkraftanlagen turmhoch, stehen auf dem freien Feld oder zu "Windparks" gruppiert. Sie könnten zwar locker das Dorf hinter dem Hügel versorgen, aber dem gehören sie nicht. Anonyme Investoren aus der fernen Großstadt haben ihr sauer erspartes Geld einem Fonds anvertraut, der eine Rendite verspricht, die über dem liegt, was man auf sein Sparbuch bekommt. Der Strom geht natürlich ins Stromnetz. Darin mischt er sich mit dem Atomstrom, mit Strom aus Braunkohlekraftwerken und was die Energiekonzerne sonst gerade am Netz haben.

Der Anteil regenerativer Energie ist nur eine statistische Größe. Was als "Grüner Strom" teuer bezahlt aus der Steckdose kommt, ist eine virtuelle Größe. Der Typ mit der Latzhose hat längst seinen Bart geschoren und sein mittlerweile schütteres Haupthaar auf wenige Millimeter gekürzt. In feines Tuch gewandet sitzt er im Aufsichtsrat und entwickelt Projekte. Da auf dem Festland der Wind viel zu schwach und unregelmäßig weht, hat man "offshore" seine Claims abgesteckt. Dort kommen einem auch nicht dauernd irgendwelche Vogelschützer in die Quere. Einfach nur lästig diese bärtigen und langhaarigen Typen. Aber man hat ja beim "Bürgerdialog Kernenergie" abgeschaut, wie man die Öffentlichkeitsbeteiligung zu seinen Gunsten manipuliert und die Platzhirsche in der Lokalpolitik mit gezielten Zuwendungen auf seine Seite bringt. Schließlich opfert man sich auf für die Umwelt.

Erneuerbare Energien sind zu einem Millionengeschäft geworden. Schon lange geht es nicht mehr um eine lokale, dezentrale Energieversorgung durch eine schonende Nutzung der lokal verfügbaren Ressourcen. Es wird alles immer größer, weil der Ingenieur anfassen kann was er will - je größer die Einheit wird, umso niedriger sind die spezifischen Kosten. Windkraftanlagen, deren Flügel bereits ein Fußballfeld überspannen, immer höhere Staudämme. Die Freunde des Solarstroms haben immer noch die Vision nicht abgeschrieben, dass sie eines Tages die Sahara bepflastern können. Die nie versiegende, mit jedem Wachstum des Verbrauchs mithaltende Energiequelle wäre Realität. Und sie schiene, im Gegensatz zur Kernenergie, die genau unter diesen Prämissen vor gut 50 Jahren propagiert wurde, relativ sauber.

Die Solaranlage, die man sich auf das Eigenheim schrauben soll, ist nur das Vorgeplänkel für das ganz große Ziel. Hunderttausend Dächer sollen eine Nachfrage nach Solarzellen schaffen, die dazu führt, dass es sich für die großen Chemie- und Halbleiterfirmen endlich lohnt, massiv in das Solargeschäft einzusteigen. Die bisher eher manufakturartige Herstellung von Solarzellen soll automatisiert werden.

Die Preise würden sinken, riesige Produktionskapazitäten würden aufgebaut, so dass man endlich mit den Sonnenzellen dorthin gehen könnte, wo die Sonne länger und kräftiger scheint. Wasserstoff in riesigen Pipelines wird die Energie nach Europa bringen. Dann fahren die Autos mit Wasserstoff, was Umweltminister Trittin schon jetzt ganz toll findet. Weil der Wasserstoff so schön sauber verbrennt (es entsteht tatsächlich nur Wasser) ist der 300 PS BMW ein Ökoauto. Wer wollte es da noch wagen, den Individualverkehr zurückzudrängen, der ja außer Abgasen auch noch durch Lärm und einen immensen Flächenverbrauch die Umwelt belastet. Natürlich wäre es auch denkbar, die Busse mit Wasserstoff fahren zu lassen. Aber welches kommunale Verkehrsunternehmen, das in den liberalisierten Markt gestoßen wird, wagt sich noch an solche Experimente? Millionen Kraftfahrzeuge auf Wasserstoff umzustellen ist ein Geschäft, gegenüber dem der Einbau von Katalysatoren seinerzeit nur Peanuts waren.

Sinnvolles wird sabotiert!

Dabei ist es durchaus nicht so, dass es nicht technisch ausreichend entwickelte und ökonomisch tragbare Alternativen gäbe. Nur sie werden gezielt sabotiert. Es ist unter Fachleuten kein Thema, dass Verbrennungsmotoren mit gereinigtem Pflanzenöl betrieben werden könnten. Jeder landwirtschafliche Betrieb könnte auf einem Teil seiner Fläche Ölpflanzen anbauen, so wie früher auf einem Teil der Felder Hafer angebaut wurde, der Treibstoff für die Zugpferde. Eine kleine Ölpresse liefert den Sprit für Trecker und Mähdrescher, deren Motoren etwas modifiziert werden müssten.

Doch stattdessen wird mit einem Millionenetat der Biodiesel propagiert. Nicht das reine Rapsöl wird in den Tank gefüllt, sondern ein chemisch verändertes Produkt, der Rapsölmethylester, der so vielversprechend "Biodiesel" genannt wird. Den kann nicht jeder herstellen, sondern da sind wieder zentrale Strukturen im Spiel, die das Öl sammeln, verarbeiten und wieder verkaufen. Es sind die Saatgutkonzerne, die den Raps gentechnisch manipulieren, der Landhandel, die Mineralölindustrie. Der Bauer hat sowieso kein Interesse am Biodiesel, denn er bekommt den Diesel aus Erdöl deutlich billiger (Gasölbeihilfe) als der normale Kraftfahrer an der Tankstelle.

Dass das so bleibt, dafür hat der Deutsche Bauernverband seinen ganzen Einfluss in die Waagschale geworfen. So bleibt das alte Abhängigkeitsverhältnis. Die Landwirtschaft liefert den billigen Rohstoff und wie mit Nestl‚ oder Müllermilch ist es auch beim Pflanzenöl wieder die "Veredelungsindustrie", wo die größte Wertschöpfung stattfindet.

In ähnlicher Weise wurden die Landwirte in das getrieben, was die Grünen heute euphorisch als "Biomasse" bezeichnen. Wer den Wald hat, soll billiges Holz heranschaffen. Das Biomassekraftwerk haben ganz andere gebaut, oft kamen sie aus der Windbranche und witterten neue profitträchtige Anlagemöglichkeiten. Damit es aber richtig rund läuft, nimmt man gerne etwas Altholz hinzu. Für Holz aus dem Wald muss man bezahlen, für Altholz, eigentlich Abfall, bekommt man etwas bezahlt.

Altholz kann sauber sein, es kann aber auch Holzschutzmittel, Lacke und anders Giftzeug aus der chemischen Hexenküche enthalten. Immer rein ins Biomasse-Kraftwerk. Und am besten ist es, wenn man dann auch noch die erhöhte Vergütung für Strom aus erneuerbaren Energien einstreichen kann. Mit einer Biomasse-Verordnung wollte die rot-grüne Bundesregierung hier Klarheit schaffen, aber die wirtschaftlichen Interessen haben über die ökologische Vernunft gesiegt. Es ist eine Verordnung zusammengeschustert worden, die nur einer Gruppe nutzt: den Betreibern von Kraftwerken, die Holz, einschließlich Altholz, verbrennen, Dampf erzeugen und über eine Turbine Strom erzeugen. Alles andere, selbst wenn es objektiv ökologische Vorteile bieten würde, wird erschwert oder verhindert. Aber offensichtlich ist in dieser Regierung auch niemand fähig die größeren Zusammenhänge zu erkennen und die Weichen in Richtung einer "sanften Technologie" zu stellen.

Es war klar, dass die Kohl-Regierung jeden zarten Keim in diese Richtung ausgerupft hat, aber es ist schwer zu glauben, dass Grüne das fortsetzen. Bei Leuten, die sich schon länger mit regenerativen Energien beschäftigen, hört man immer wieder, dass gezielt Fördermittel in gewaltigem Umfang in völlig sinnlose Projekte geleitet wurden.

Ein Bereich, der in den letzten Jahren wahrlich fürstlich bedient wurde, war alles was mit dem sogenannten Elefantengras, wissenschaftlich Miscanthus sinensis, zusammenhing. Vor 10 Jahren verbreitete der Fernsehjournalist Franz Alt die Botschaft, mit Miscanthus seien alle Energieprobleme zu lösen. In seinem Buch "Schilfgras statt Atom" breitete er die Wunder aus, die diese einzelne, in Mitteleuropa nicht heimische Pflanze ermöglichen solle. Seltsamerweise stiegen gerade die Atomfans von der CDU massiv auf das ein, was ihnen das Wasser abgraben sollte. Der Forschungsminister und Atomfreund Riesenhuber teilte seinem Parteifreund Alt mit, dass er unverzüglich einige Millionen für die Miscanthus-Forschung bereitstellen werde. Jahrelang wurde geforscht um das herauszufinden, was Fachleute vorher gewusst hatten: Miscanthus wächst bei weitem nicht so üppig, wie versprochen, er braucht Wasser, Sonne, Dünger, neu zu entwickelnde Erntemaschinen, angepasste Kessel zur Verbrennung usw. Inzwischen ist die Euphorie abgeklungen, die letzten Miscanthus-Projekte werden lustlos abgewickelt. Erreicht wurde in der Sache nicht viel. Aber das wichtigste Ziel wurde erreicht. Es gab keine Fördermittel für wirklich vernünftige Projekte, weil alles vom Elefantengras aufgesogen wurde. Dabei gab es sogar schon Pflanzen, die vom Ertrag her mit Miscanthus locker mithalten können, die aber sehr viel genügsamer sind.

Mehr Informationen zu Neuanlagenbau usw. unter http://move.to/oekostrom.

 

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Copyright © 1999 CONTRASTE Monatszeitung für Selbstorganisation
Stand: 07. August 2008