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Monatszeitung für Selbstorganisation

 

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Ökostrom Teil 2

ÖKOSTROMQUALITÄT

Im Detail sehr verschieden

Sechs Firmen mit acht festen Angebotstarifen sowie oftmals Flexibilität für Betriebe, GroßverbraucherInnen usw. beteiligen sich an der Kampagne "Ökostrom von unten". Unterschiedlich sind aber nicht nur die Tarife - für selbstorganisierte Energiepolitik sind auch ihre Besitzstrukturen, Mitspracherechte, die Unterstützungsformen für regionale Arbeit und neue Energieanlagen wichtig. Die bestehenden Gütesiegel im Ökostrombereich schaffen keine Transparenz über diese Punkte. Zu fordern sind detaillierte Informationen, nicht nur "Ja/ Nein", wie bei einem Label immer üblich - zumal die Kriterien streitbar sind.

Redaktion Umweltschutz von unten - Im Rahmen von "Ökostrom von unten" sind daher sieben Fragestellungen entwickelt worden, nach denen die Qualität von Ökostrom und Ökostromanbieterfirmen vorgestellt werden sollen. Die Übersicht über die Ökostromtarife und -anbieter findet sich, ständig aktualisiert, unter der Internetadresse http://move.to/ökostrom.

Eine Vorauswahl hat die Projektgruppe "Ökostrom-von-unten" getroffen:

1. Unternehmen, die Atom- oder anderen Großkraftwerksstrom vertreiben oder mit Atomkonzernen verquickt sind, werden grundsätzlich abgelehnt.

2. Unternehmen, die den Ökostrom nur aus dem bisher schon vertriebenen Mischstrom (z.B. wenige Prozent Windstrom, der in ihrem Versorgungsgebiet eingespeist wird) "abspalten" und dann teuer verkaufen, fördern die regenerative Energie nicht, sondern machen nur bessere Geschäfte. Solche eine Geschäftspolitik, die keine einzige Atom-Kilowattstunde verdrängt, lehnt die Gruppe ebenfalls ab.

Die folgenden sieben Fragen zeigen, worum es bei der Qualität von Ökostrom geht - kein einziger Ökostromanbieter bietet derzeit bei allen Fragen die optimale Situation. "Ökostrom von unten" bedeutet daher auch ein ständiges Ringen um die Verbesserung der Ökostromqualität. Das jedoch muss niemanden abhalten, denn die sechs Partner bei "Ökostrom von unten" sind durchaus auch jetzt schon glaubwürdige Ökostromanbieter.

Nur regenerativer oder Mischstrom?

Regenerativer Strom ist solcher aus Wind-, (kleinen) Wasser-, Biomasse und Solarstromanlagen.

100% regenerativ: Einige Ökostromanbieter garantieren 100%igen Regenerativ-Strom, also nur aus diesen Quellen.

50% regenerativ, 50% KWK: Eine weitere Variante ist, eine Zusammensetzung von mindestens der Hälfte aus regenerativem Strom zu garantieren und den Rest aus Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (Blockheizkraftwerke).

Weitere Unterschiede: Einige Stromanbieter garantieren einen Mindest-Solarstromanteil. Andere legen sich bei der Kraftwärmekopplung auf Gaskraftwerke fest. Unterschiede gibt es bei der zulässigen Größe von Wasserkraftwerken und bei der Frage, ob auch Deponiegas oder Geothermie als Stromquelle gelten.

Empfehlungen

Eigentlich scheint die Sache klar: 100% regenerativ ist die richtige Entscheidung. Das ist auch so, allerdings gibt es sie nur in Verbindung mit dem Aufpreismodell - und dann wird es unklarer, denn dort erfolgt die Stromlieferung weiterhin durch ein Versorgungsunternehmen, das auch Atom- oder anderen Großkraftwerksstrom vertreibt (siehe "Aufpreismodell oder Stromwechsel?").

Bei den weiteren Beschränkungen können Einzelpunkte sehr wichtig sein, z.B. die Frage der maximalen Größenordnung neuer Energieanlagen. Riesige Windparks, große Staustufen in Flüssen oder intensive Landwirtschaft zum Zwecke der Biomassegewinnung sind alles andere als umweltgerecht.

Empfehlung im Rahmen von "Ökostrom von unten": Prüfen, ob durch einen Vertrag zwischen regionaler Strom-ErzeugerInnen-VerbraucherInnen-Gemeinschaft und dem Ökostromanbieter die Stromqualität für KundInnen in der Region verbessert oder eine direkte Nutzung der Wärme aus Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen in der Stadt oder Region erreicht werden kann. Das würde aus "Ökostrom von unten" eine erweiterte Variante "Energie von unten".

Alt- oder Neuanlagen?

Kommt der Ökostrom (ob nun 100% oder im 50:50-Modell) aus Altanlagen, die ohnehin bestehen, oder aus Neuanlagen, die zusätzlich gebaut werden.

Nur Neuanlagen: Das bedeutet, dass von Beginn an aller Strom nur aus Neuanlagen kommt. Allerdings ist die Definition strittig: Als Neuanlagen gelten entweder neu gebaute Anlagen oder welche bis zu einem bestimmten Alter. Neuanlagen können sehr unterschiedlich umweltgerecht sein - vor allem große regenerative Anlagen haben oft viele Nebenwirkungen und stoßen auf geringe Akzeptanz.

Strom auch aus Altanlagen, Einnahmen (ganz oder z.T.) in Neuanlagen: Da Neuanlagen nicht so schnell errichtet werden können, beziehen viele Ökostromanbieter ihren Strom aus Altanlagen, errichten aber mit den Gewinnen oder einem Teil derselben neue Wind-, Wasser-, Solar- oder Biomasseanlagen.

Auch oder nur Altanlagen: Der Strom kommt aus Altanlagen, es werden keine zusätzlichen regenerativen Energieanlagen gebaut. Bei den Altanlagen können gezielt solche ausgewählt werden, die ohne die Kooperation mit dem Ökostromanbieter stillgelegt würden, da der Strom ansonsten nicht verkaufbar wäre (wegen der Konkurrenz billigeren Atomstroms).

Empfehlungen

Eine Stromgewinnung nur aus Neuanlagen ist klar das Beste. Betrieblich lässt sich das aber am Beginn kaum umsetzen - höchstens über den Trick, auch schon gebaute Anlagen als "neu" zu werten, wenn sie noch recht jung sind. Wichtiger ist daher, darauf zu achten, dass möglichst viel der Einnahmen in möglichst umweltgerechte Neuanlagen gesteckt wird. Wieweit auch die Rettung von Altanlagen, die sonst stillgelegt würden, positiv zu bewerten ist, muss im Einzelfall entschieden werden.

Empfehlung im Rahmen von "Ökostrom von unten": Die regionalen Strom-ErzeugerInnen-VerbraucherInnen-Gemeinschaften schließen dort, wo die Förderung nicht klar geregelt oder zu gering ist, Verträge mit den Ökostromanbietern ab über gesonderte Förderungshöhen in der Region. Im Vertrag geregelt werden könnte für die Region auch ein höherer Anteil an Strom aus Neuanlagen und das Vorgehen bei der Rettung/Sanierung von Altanlagen.

Aufpreismodell oder Stromwechsel?

Hier gibt es zwei Möglichkeiten, Aufpreis und Stromwechsel.

Aufpreismodell: (auch "Spendenmodell" genannt) In diesem Fall erfolgt kein vollständiger Stromwechsel. Die StromverbraucherInnen melden sich beim Ökostromanbieter an, tatsächlich werden sie aber weiter vom regionalen EVU beliefert. Die StromverbraucherInnen zahlen einen Aufpreis auf den bisherigen Strompreis, der an den Ökostromanbieter geht und den dieser zumindest teilweise für neue regenerative Energieanlagen ausgibt. Zudem garantiert er, dass pro Jahr mengengleich mit dem Verbrauch an Ökostrom Strom aus regenerativen Quellen eingespeist wird. Diese Variante ist auch in den neuen Bundesländern möglich, da Ökostromeinspeisung und Verbrauch entkoppelt sind. Aufpreisregelungen sind meist einfacher, schneller umsetzbar und setzen sofort Fördergelder für neue Anlagen frei.

Besonderheit: Bei Kooperationen zwischen Stadtwerken und Ökostromanbietern erfolgt die Anmeldung sogar über das EVU, das wiederum für den Ökostromanbieter handelt und den Ökostrom oft unter eigenem Namen verkauft. Damit bleiben die Stadtwerke in ihrer dominanten Stellung, andererseits können so einfacher UmsteigerInnen gewonnen werden, wenn sie innerhalb "ihrer" Stadtwerke zu einem glaubwürdigen Stromangebot wechseln.

Stromwechsel: Es erfolgt eine Ummeldung zu einem Ökostromanbieter. Dieser speist den verbrauchten Strom zeitgleich ein, insofern ist hier die tatsächliche rechnerische Abkoppelung vom Mischstrom mit Atomstromanteil konsequenter. Der Ökostromanbieter zahlt an die Netzbetreiber (Besitzer der Stromleitungen) eine Durchleitungsgebühr. Diese Form ist in den neuen Bundesländern nicht möglich, weil dort der Strom immer einen hohen Braunkohlestromanteil haben muss, also kein Ökostrom wäre.

Empfehlungen

Keine Frage: Der Stromwechsel ist langfristig der konsequentere Weg, weil er den Stromversorgern, die auch mit Atomstrom handeln, die KundInnen vollständig entzieht. Andererseits ist das Aufpreismodell vielerorts, vor allem in den neuen Bundesländern, einfacher oder billiger. Bei Kooperationen mit Stadtwerken oder glaubwürdigen Ökostromangeboten von diesen sollten Demokratisierungen festgeschrieben werden, z.B. dass die zusätzlichen Einnahmen in einem demokratischen Prozess in Neuanlagen investiert werden.

Die Machtfrage

Die Machtfrage kann zweierlei gestellt werden. Zum einen bezogen auf den Wechsel weg von solchen Firmen, die auch Atom- bzw. Großkraftwerksstrom anbieten. Zum anderen bezogen auf die Mitbestimmung innerhalb der Ökostromanbieter. "Ökostrom von unten" will die Verknüpfung: Konsequenter Ökostrom und Mitbestimmung der ErzeugerInnen und VerbraucherInnen bei der Ökostromvermarktung. Dabei sind verschiedene Modelle denkbar.

Firma im (Mit-)Besitz der regionalen AkteurInnen: Bei Aktiengesellschaften oder Genossenschaften können die AkteurInnen aus den regionen Strom-ErzeugerInnen-VerbraucherInnen-Gemeinschaften MitbesitzerInnen werden.

Vertragsabschluss Region-Anbieter in einem Vertrag zwischen Strom-EVG und Ökostromanbieter: In einem Vertrag, der auch andere Dinge regeln kann, räumt der Ökostromanbieter den regionalen AkteurInnen Mitspracherechte bei den Entscheidungen in der jeweiligen Region ein, z.B. bei der Öffentlichkeitsarbeit, Entscheidung über neue Anlagen usw.

Empfehlungen

Die Ausblendung der Machtfrage ist bislang typisch für den Umweltschutz. So werden gute Aktionen immer wieder zum Scheitern gebracht. Ökostromfirmen können ihre Geschäftspolitik ändern oder aufgekauft werden - in der Marktwirtschaft geradezu alltäglich.

Empfehlung im Rahmen von "Ökostrom von unten": Klare Vorkehrungen treffen, damit nicht alle Arbeit umsonst ist. Am günstigsten dürfte ein Vertrag sein, um die Handlungsvollmacht der regionalen Strom-EVGs zu sichern. Sie entscheiden in ihrer Region in einem transparenten Prozess unter Beteiligung der BürgerInnen (so sollte es im Vertrag festgeschrieben sein!) über:

neue Anlagen
die Art von Ökostrom-Werbung
Beteiligungsmodelle, Finanzierungen.

Der Ökostromanbieter teilt allen KundInnen in der jeweiligen Region die Aktivitäten und Mitgestaltungsmöglichkeiten über die regionale Strom-EVG mit. Außerdem erhalten sie Vetorechte bei Veränderungen der Besitzverhältnisse der Ökostromanbieter und der Zusammensetzung des Ökostroms.

Förderung neuer Anlagen

Die Ökostromanbieter unterstützen den Neubau von Energieanlagen sehr unterschiedlich.

Eigene Energieanlagen: Einige Ökostromversorger bauen eigene Energieanlagen, deren Strom sie dann verkaufen. Dies ist kombiniert mit dem Stromwechsel-Modell, da ja nur dann wirklich eigener Strom verkauft wird.

Förderung von Anlagen Dritter: Aus eigenen Mitteln, z.T. in festgelegten Sätzen pro verkaufter Kilowattstunde, werden Anlagen Dritter gefördert. Diese speisen den Strom dann beim regionalen EVU ein (Aufpreismodell) oder liefern direkt an den Ökostromanbieter (Stromwechsel-Modell).

Keine oder unklare Verhältnisse: Einige Ökostromanbieter fördern und bauen keine Neuanlagen. Andere haben Fördersätze festgelegt, die keine verlässliche Basis bieten, d.h. es besteht die Gefahr, dass keine Förderungen erfolgen.

Empfehlungen

Je besser neue Anlagen gefördert werden, desto besser.

Empfehlung im Rahmen von "Ökostrom von unten": Wenn die bestehenden Fördersätze nicht ausreichend erscheinen, kann ein Vertrag zwischen Ökostromanbieter und regionaler Strom-EVG Verbesserungen für die jeweilige Region festschreiben (z.B. höhere Sätze an den Einnahmen aus dem Stromverbrauch in der Region).

Stromlieferung in den Osten?

Eine Schutzverordnung für die Braunkohle und das störrische Verhalten der Monopolversorger (z.B. VEAG) erschweren im Osten den Stromwechsel zu regenerativen Energien. Nutzbar ist zur Zeit nur das Aufpreismodell. Es gibt jedoch intensive Bemühungen, die Situation zu verändern - entweder über rechtliche Änderungen oder über Druck auf die Versorgungsunternehmen, Ökostrom durchzuleiten.

Aktuelle Entwicklung: Wahrscheinlich wird in den nächsten 1-2 Jahren die Durchleitung von Ökostrom auch im Osten möglich.

Empfehlungen

Ein kompletter Stromwechsel zu einem Ökostromanbieter ist aktuell nicht möglich. Angeboten werden nur das Aufpreismodell von Naturstrom, ein Umstieg auf Teil-Ökostrom oder Vorverträge. Das macht aber nur Sinn, wenn es mit politischem Engagement verbunden wird: Der Braunkohleschutz muss weg! Peinlich für eine rot-grüne Regierung, auch hier zu schlafen.

Empfehlung im Rahmen von "Ökostrom von unten": Politische Aktionen machen!!!

Datentransparenz

Woher kommt der Strom (Anlagentypen, regional ...)? Wieviele KundInnen gibt es wo? Was verbrauchen sie?

Solche Fragen transparent zu machen, ist wichtig. Schließlich sollen Glaubwürdigkeit und die Identifikation über eine konsequente Ökostromlieferung aus Anlagen, die in der Region stehen und dort möglicherweise vielen Menschen zusammen gehören bzw. von diesen mitdiskutiert wurden, die Idee von "Ökostrom von unten" verbreiten.

Empfehlungen

Empfehlung im Rahmen von "Ökostrom von unten": In einem Vertrag zwischen Ökostromanbieter und regionaler Strom-EVG sollte festgeschrieben werden, dass die Daten über Stromverbrauch und -gewinnung insgesamt sowie in der Region regelmäßig mitgeteilt oder z.B. im Internet einsehbar gemacht werden.

 

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Copyright © 1999 CONTRASTE Monatszeitung für Selbstorganisation
Stand: 07. August 2008