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Monatszeitung für Selbstorganisation

 

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November 2010

Aus dem Inhalt
Stuttgart 21

DIE BESCHÄFTIGUNGSINDUSTRIE

Die dubiose Welt derMaßnahmeträger

»Armuts-, Sozial-, Mitleidsindustrie«: In den Medien wird immer wieder die Geschäftemacherei von Unternehmen und Organisationen mit sozialem Anspruch kritisch thematisiert. Auch mit der Arbeitslosigkeit lassen sich bekanntlich Profite erzielen. Der Begriff »Beschäftigungsindustrie« bezieht sich auf Firmen, Verbände oder Vereine, die sich auf dem Gebiet des staatlich geförderten Arbeitsmarkt bewegen, mit der offiziellen Zielstellung, Erwerbslose (wieder) in den ersten Arbeitsmarkt einzugliedern. Etwa 1,7 Milliarden Euro wurden im letzten Jahr insgesamt für Arbeitsgelegenheiten nach dem SGB II in Deutschland ausgegeben.

Von Joachim Maiworm, Berlin # Das mit Abstand bedeutsamste Instrument der Arbeitsmarktpolitik sind dabei die »Ein-Euro-Jobs«. 2009 gab es davon im Jahresdurchschnitt knapp 280.000. Für sie zahlt der Staat die »Regiekosten«. Mit ihnen verdienen die Träger richtig Geld. Letztlich also mit der Unmenge an Schwachsinn, der im Rahmen dieser Jobs passiert (Stichwort: »Beschäftigungstherapie «). Groß ist insgesamt das Finanzvolumen, das in Form staatlicher Subventionen in diesen Sektor fließt, groß ist aber auch die Intransparenz, die eine Beschäftigung mit dem Thema erschwert und die wesentlichen Akteure weitgehend im Dunkeln agieren lässt.

Die mit immensen Summen in die Wege geleiteten Beschäftigungs- bzw. Qualifizierungsmaßnahmen zeigen dabei die grundlegende Ambivalenz des Sozialstaats auf: Manche der betroffenen Erwerbslosen erleben die ihnen zugewiesenen Projekte als Hilfestellung in ihrer desaströsen Lage, viele aber als reinen staatlichen Zwang und Entmündigung. Allein in Berlin existieren etwa 500 kleinere und größere Träger. Große überregional agierende Sozialkonzerne mit Hunderten von Mitarbeitern arbeiten neben lokalen Kleinunternehmen, die häufig genug selbst um ihr ökonomisches Überleben kämpfen.

Mitleid mit diesen Trägern ist allerdings fehl am Platze: Denn auch sie sind als Akteure der Beschäftigungsindustrie Mitproduzenten von Beschäftigungsverhältnissen ohne Arbeitsrechte, Mitverursacher von Sanktionen gegen die Erwerbslosen sowie Förderer von Dumpinglöhnen. Und auch sie verdrängen mit ihren Projekten sogenannte reguläre Erwerbsarbeit. Was für den Bereich des öffentlichen Dienstes nicht erstaunt. Die zunehmende Verschuldung der kommunalen Haushalte – der Deutsche Städtetag erwartet für das laufende Jahr ein Rekorddefizit von 15 Milliarden Euro – fördert den offenen Rechtsbruch. Denn die Kommunen gieren nach kostenloser Arbeit, um ehemalige Regelaufgaben durch gemeinnützige Arbeit Dienstverpflichteter ersetzen zu können.

Schon 2008 stellte deshalb der Bundesrechnungshof fest, dass bei zwei Drittel der Maßnahmen die gesetzlichen Fördervoraussetzungen nicht erfüllt würden (öffentliches Interesse, Zusätzlichkeit). Aber wen wundert’s: Die periodisch wiederkehrenden »Missbrauchsdebatten« zielen auf die Erwerbslosen, nicht jedoch auf den offenkundig rechtswidrigen Einsatz der Arbeitsgelegenheiten. Im vergangenen März schreckte vorübergehend die Praxis der Arbeiterwohlfahrt (AWO) im schleswig- holsteinischen Neumünster die interessierte Öffentlichkeit auf. Der Sozialverband setzte Hartz-IV-Empfänger gegen ordentlich Geld in der Seniorenbetreuung ein, berechnete den Kunden acht Euro für die geleistete Hilfe im Haushalt, während die Ein-Euro- Jobber nur 1,25 Euro pro Stunde erhielten. Die Arbeitsagentur schickte daraufhin Prüfer ins Haus.

Von Kontrollen, Mahnungen, gar Sanktionen gegen Träger lässt sich ansonsten allerdings kaum etwas vernehmen. Denn die Träger, insbesondere die großen Wohlfahrtsverbände, und ihre Lobbyorganisationen arbeiten eng mit den staatlichen Instanzen zusammen.

In der breiten Öffentlichkeit ist leider kaum etwas über den Komplex von Trägern, Einsatzstellen, kommunalen Verwaltungen und Jobcentern bzw. Argen bekannt. Auf Bitte der Berliner »AG Beschäftigungsindustrie « haben sich deshalb für diese Ausgabe der CONTRASTE mehrere AutorInnen darangemacht, mehr Licht ins Dunkel zu bringen und sich mit verschiedenen Aspekten und Facetten des Themas auseinandergesetzt.

Schwerpunktthema Seite 7 bis 10

SCHWERPUNKTTHEMA 

Gewinner der Armut: Die »Bechäftigungsindustrie« Seite 7 
Arbeitslose in SOS-Diensten Aufmarsch der Hartz IV-Truppen Seite 7 
SSM Köln: Die MüTZe, der Möbelverbund und die Konkurrenz-Euro-Jobs Seite 8 
Trias gGmbH, Treptow-Köpenick: Guckst Du hier! Seite 8 
Evangelische Kirche: Gute Werke, Arbeit & Nächstenliebe Seite 9 
Interview: »Ich hatte den Eindruck, ich bin in einem Straf- und Erziehungslager« Seite 9 
Der Mae-Kiezpool: Es geht auch anders Seite 9 
Die Bürgerarbeit: Keine Leistung ohne Gegenleistung! Seite 10 
Emanzipatorische Umorientierung: Mythos Weiterbildung – eine Polemik Seite 10
 

 

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Stand: 25. Oktober 2010