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Monatszeitung für Selbstorganisation

 

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November 2007

Aus dem Inhalt
Zanon in Gefahr

EINE BASIS FÜR SOLIDARISCHE ÖKONOMIE?

Bedingungsloses Grundeinkommen

Solidarische Ökonomie, ökonomische Alternativen zu den Krisen und Ungerechtigkeiten des Kapitalismus. Kann ein allgemeines Grundeinkommen hierfür eine Basis sein, sowohl moralisch akzeptabel als auch ökonomisch verlässlich? Ein bedingungsloses Grundeinkommen, das ohne Ansehen der Person an alle, also individuell völlig unverdient ausgezahlt wird, und das aus den Überschüssen einer erfolgreichen Überflussökonomie finanziert wird?

Von Robert Ulmer - Was wäre anders? Heute haben die Projekte der solidarischen Ökonomie zunehmend die Aufgabe, die Not zu lindern, sie sind Solidar- aber auch Schicksalsgemeinschaften. Abgesichert mit einem Grundeinkommen wären die Akteure nicht mehr zum Zwecke der eigenen Existenzsicherung zum kurzfristigen Erfolg verdammt. Ökonomische Experimente wären möglich, die sich erst langfristig, oder auch gar nicht, "rechnen" müssten. Die Mitwirkenden in solidar- ökonomischen Projekten müssten sich selber und einander nicht mehr unter derart hohen Druck setzen. Sehr wohl würden sie einander mit hohen Erwartungen konfrontieren, aber sie wären nicht mehr aus drohender Not auf einander angewiesen.

Auch der ganz normale Arbeitsmarkt wäre nicht mehr der alte. Die Vertragspartner können sich auf gleicher Augenhöhe begegnen. Die Anbieter von Arbeitskraft wären nicht mehr so bedingungslos erpressbar, sie könnten Bedingungen stellen. Heute ist das Arbeitsleben, gerade in den expandierenden Niedriglohn-Regionen, zunehmend erzwungene Kooperation. Anders in einer Grundeinkommensgesellschaft: das ökonomische Interagieren wäre wesentlich freie Kooperation.

Vieles ist umstritten. Ist ein so kapitalismusfremdes "Modul" wie ein bedingungsloses Grundeinkommen im Kapitalismus überhaupt möglich? Denn ein Kapitalismus mit Grundeinkommen wäre ein Kapitalismus ohne Lohnabhängigkeit bzw. mit entscheidend reduzierter Lohnabhängigkeit. Weiter: wer über den Kapitalismus hinaus will, verdächtigt das Grundeinkommen, den Kapitalismus zu stabilisieren.

Denn es gewährleistet eine stabile Konsumnachfrage, es befreit die Unternehmen davon, einen existenzsichernden Lohn zu zahlen (wenn es denn nicht mit einem Mindestlohn kombiniert wird), es führt, als Kombilohn, zu einem immer größeren Niedriglohn-Sektor. Hier ist die Höhe des Grundeinkommens entscheidend: ist es zu wenig, bleibt ein Zwang zum Hinzuverdienst, also ein faktischer Arbeitszwang. Das ausreichend hohe Grundeinkommen dagegen würde die freie Assoziation der Individuen ermöglichen - Kommunismus mitten im Kapitalismus?

Wenn wir den Übergang von einer kapitalistischen in eine nichtkapitalistische Welt denken, so lehrt uns das Thema Grundeinkommen, die individuelle Freiheit im Auge zu behalten. Denn denkbar wäre auch eine nachkapitalistische Welt, zwar ohne Geld und ohne EigentümerInnen an Produktionsmitteln, aber mit Mitwirkungspflichten, die den Einzelnen, und sei es noch so basisdemokratisch, von der Gemeinschaft auferlegt würden. Das wäre dann nicht die Art von solidarischer Ökonomie, die die BefürworterInnen des bedingungslosen Grundeinkommens anstreben. Ihnen geht es um die Stärkung der individuellen Freiheit aller. Die formale Vertragsfreiheit reicht nicht aus, denn sie nützt denen nichts, die vor der Wahl stehen, einen miesen Job zu akzeptieren oder zu verarmen. Mit Grundeinkommen können sie den miesen Job ablehnen; das Grundeinkommen verschafft ihnen eine Option mehr, es stärkt ihre "wirkliche Freiheit" (Van Parijs). Was Feministinnen bereits seit jeher wissen: die Möglichkeit, Nein zu sagen, steht im Zentrum der Freiheit.

Akzeptieren die ProtagonistInnen solidarischer Ökonomien diesen realen Freiheitszuwachs aller, oder bereitet er ihnen "moralische Bauchschmerzen"? Der egoistische Einsiedlerkrebs, den Elisabeth Voß benennt (Seite 7), ist vielleicht das geringere Problem. Mit ihm oder mit einsamen couch potatoes haben wir eher Mitleid. Der größere Skandal ist der berühmte Surfer am Strand von Malibu, der zwar nicht faul sondern sportlich ist, aber gar nicht daran denkt, jemals etwas (für andere) Sinnvolles zu tun. Auch keine Reproduktionsarbeit, denn abends, wenn er, angenehm müde vom Surfen, nach Hause kommt, lässt er sich von seiner Freundin verwöhnen.

Nun wären die wenigen vom Grundeinkommen lebenden "Surfer" die lebenden Beweise dafür, dass auch die anderen sich nicht mehr alles gefallen lassen müssen. Insofern wären sie wichtige Verbündete der dann nicht mehr so erpressbaren Beschäftigten. Wären sie dies auch in einer Welt der solidarischen Ökonomien?

Schwerpunktthema Seite 7 bis 10

 

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Stand: 07. August 2008