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Komunikatiosguerilla

KOMMUNIKATIONSGUERILLA

Nahrungsmittelspekulation adé!

Brot an der Börse ist ein fieses Geschäft, da mit dem Hunger der Ärmsten gezockt wird. Lenken Dirk Niebel und Josef Ackermann nun doch ein? Ein Drei Punkte Plan zur Rettung der Welt.

Von Jean Peters und Luther Blissett # Auf alle Lebensmittel und Rohstoffe erhebt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ab dem 1. Januar 2013 eine Zusatz-Steuer. Momentan sind etwa 40% geplant. Damit reagiert die Regierung auf den Druck, der aus den Skandalen um Nahrungsmittelspekulationen entstand. Es wurde zu deutlich, wie die Bevölkerung in Ländern mit geringem pro Kopf Einkommen Preisschwankungen, die durch Spekulationskäufe mit sogenannten »soft commodities« und weiteren Nahrungsmittelbranchen entstehen, in Hungersnöte geraten.

Da sie die Gesetze des freien Marktes auf globaler Ebene nicht beeinflussen könne, erhebt sie nun eine Zusatz-Steuer für EndkonsumentInnen in Deutschland. Das Ziel, so Bundesminister Niebel, sei primär ein Bewusstsein für Lebensmittelabhängigkeit im globalen Norden zu stärken. Durch die Erlöse, so Niebel weiter, solle in Entwicklungsprojekte im globalen Süden investiert werden. Ausgenommen seien französischer Schaumwein und Kaviar.

Nachdem diese erfundene Information bei Nachrichtenagenturen und in Blogs gestreut würde, könnte im nächsten Schritt eine Webseite gestartet werden, in der Ackermann beteuert, dass er sich nun persönlich für die Armen in Somalia einsetzen wolle. Im Online-Shop könnte man T-Shirts mit Deutsche Bank-Logo und Sprüchen wie »Stopp den Hunger in Somalia!« und »Rettung durch Leistung« kaufen. »Beim Kauf von zehn T-Shirts aus echter exotischer afrikanischer Baumwolle «, steht ganz groß darunter, »bekommen Sie eine Aktie vom Bananenproduzenten Chiquita Brands International gratis dazu!« Die Models wären Schwarze und Weiße, die sich umarmen.

Wenn sie jetzt kotzen, ist das wahrscheinlich eine rein menschliche Reaktion. Doch hier wollen wir nicht über die Funktion von Ekel in unserer Gesellschaft nachdenken, sondern eine praktische Anleitung zu Kommunikationsguerilla einleiten. Erst nachdem im Oktober 2011 »Foodwatch« Analysen und Recherchen zu Nahrungsmittelspekulationen veröffentlichte und mit einer Petition namens »Hände weg vom Acker, mann!« auf die Machenschaften der Deutschen Bank aufmerksam machte, legte das »Zentrum für politische Schönheit« mit einem »Kunstprojekt« nach, bei dem der Sprecher der Deutschen Bank am Telefon die Einstellung bestätigte, die Somalier seien an ihrer Armut selber Schuld und das sei Aufgabe der Regierungen. Das war tatsächlich eine Originalaufnahme, die für viel Aufregung in den Medien sorgte. Doch nun könnte es Zeit sein, die Stimme der Anderen zu übernehmen. Hauptmann von Köpenick spielen. Den Kaisern neue Kleider weben. Mit Guerilla- Taktik in die Kommunikation eingreifen.

Wie geht das nun genau? Das Spiel geht so, dass nun nicht noch mal die Regierung oder die Deutsche Bank nicht öffentlich angeprangert oder analytisch kritisiert werden, sondern vorübergehend einfach mit ihren Stimmen gesprochen wird. Ihre Machtposition wird eingenommen.

Einmal an der Macht, gilt es geschickt zu spielen. Nicht zu offensichtlich sein, denn sonst fliegt man gleich auf. Grundsätzliche Muster sollten übernommen werden, Sprache oder Auftreten nachgespielt werden. Der Satz mit Champagner und Kaviar wäre zum Beispiel zu viel. Schließlich wird mit der gewohnten Sprache und dem typischen Auftreten die traditionelle Ideologie verdreht. Die Deutsche Bank setzt sich ein. Sie argumentiert grotesk und fast rassistisch. Alle vermuten Heuchelei und sind irritiert. Im besten Fall berichten andere Medien und das Thema wird wieder auf die Agenda gehoben.

Kommunikationsguerilla hat ihre Stärke darin, das die BetrachterIn dazu nötigt, selbst Position einzunehmen. Sie irritiert meistens so sehr, dass mensch kaum eine andere Wahl hat, als dazu Stellung zu nehmen. Doch es bleibt ein Risikospiel, da Missinterpretation manche Idioten auch auf blöde Ideen bringen kann oder Klischees, so grotesk sie auch dargestellt werden, verankert werden können. Es ist eben eine Strategie, keine Lösung.

Links: 
Eine klassische Kommunikationsguerilla-Aktion: j.mp/biocompany 

Das Video zu Nahrungsmittelspekulation vom Zentrum für Politische Schönheit: j.mp/pb-video Foodwatch report: j.mp/foodwatch-report & Petition: j.mp/foodwatch-petition

Autoren: 

Jean Peters ist prekär lebender Clown, Aktivist, Gelegenheitsanarchist, Politikwissenschaftler und Geschäftsführer der Horst Köhler Consultings. Hobbies: spielen, tanzen, hart arbeiten. Er lebt in Berlin und Rüdersdorf. 

Luther Blissett gehört zu den meistgelesenen, noch lebenden Experten für moderne Enttaxonomifizierungstechnicken. Hobbies: vielseitig. Er lebt in Pallingen und Katmandu.

 

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Copyright © 1999 CONTRASTE Monatszeitung für Selbstorganisation
Stand: 09. Januar 2012